Vielheit dünner Organe bei dem unwillkührlichen Gedanken erregt, so ein Ding auf der Haut fühlen zu müssen. Unter die häßlichsten Thiere gehört z. B. unter den Insecten (Heuschrecken) die Maulwurfsgrille (Werre), die dem Krebs ähnlich ist und deren widrigen sackartigen Leib doch nicht dessen harte Kruste überkleidet.
2. Der unterste Typus oder Plan nach Cüvier, die Zoophyten oder Strahlthiere, nach Oken die Darmthiere. Die Würmer stellen wir in eine andere Gruppe und rechnen zu der gegenwärtigen die Infusorien, Polypen oder Corallen, Sternthiere und Quallen oder Medusen. Oken stellt die Sternthiere höher, zu den Würmern und in die Nähe der Crustaceen, überhaupt unter die Ringelthiere; die Gründe s. Allg. Naturg. B. 4 S. 576. Wir lassen die Richtigkeit derselben dahingestellt und betrachten sie vielmehr als diejenige Form, in deren von einem Mittel- punkt zu einer stachelichten, buckligten Kugel oder einem Stern ausstrah- lender Bildung am meisten der peripherische Typus dieser ganzen Gruppe, der übrigens viele Ausnahmen erleidet, zum Vorschein kommt, ein Typus, der gerade bei diesen hartschaaligen Thieren an die Krystallbildung, im Allgemeinen aber ebensosehr an die Kranzstellung der Blumenblätter erinnert. Die vorliegende Ordnung beginnt mit der Kugelform der einfachsten Infusorien, die sofort in Fasern, Ecken, Spitzen u. s. w. auseinanderläuft, auch schon zur Längsrichtung übergeht und dann bereits Pflanzenblättchen sehr ähnlich wird. In den Polypen nun erscheint die Pflanzenbildung nicht nur durch die kreisförmig um den Mund gestellten Fangarme, sondern auch durch den baumartig verzweigten Korallenstock, mit dem sie unbeweglich ansitzen und aus dessen Enden ihr bewegliches Vordertheil hervortritt wie die Blüthe am Zweig. Zugleich aber erinnert die kalkige Ausscheidung, woraus der Korallenstock besteht, an das Mineralische; die unvoll- kommenen Krystallbildungen zeigen ja ähnliche zierlich verästelte Formen. Ganz pflanzenartig sieht namentlich die Seefeder aus. Die Polypen sind es daher, die gewöhnlich im engeren Sinne Zoophyten heißen. Der von einem Mittelpunkt strahlenförmig auslaufende Bau tritt nach den Stern- thieren besonders deutlich wieder in den runden Scheiben-Hut-Glocken- Formen der Quallen oder Medusen auf. Unter allen diesen Bildungen nun trifft man auf mancherlei zierliche Formen, die erfreuen könnten, wenn es nicht immer unheimlich wäre, daß es Thiere sind, die so der Pflanze und dem Krystalle gleichen. Ihre Niedlichkeit ergötzt eigentlich erst, wenn sie todt sind, wenn das gallertartige Thier aus seiner Kalkbehausung weggenommen, getrocknet ist, oder wenn man es nur in der Zeichnung sieht u. s. w. Manche Korallen, Seesterne, Quallen zeigen auch schöne Farben.
Vielheit dünner Organe bei dem unwillkührlichen Gedanken erregt, ſo ein Ding auf der Haut fühlen zu müſſen. Unter die häßlichſten Thiere gehört z. B. unter den Inſecten (Heuſchrecken) die Maulwurfsgrille (Werre), die dem Krebs ähnlich iſt und deren widrigen ſackartigen Leib doch nicht deſſen harte Kruſte überkleidet.
2. Der unterſte Typus oder Plan nach Cüvier, die Zoophyten oder Strahlthiere, nach Oken die Darmthiere. Die Würmer ſtellen wir in eine andere Gruppe und rechnen zu der gegenwärtigen die Infuſorien, Polypen oder Corallen, Sternthiere und Quallen oder Meduſen. Oken ſtellt die Sternthiere höher, zu den Würmern und in die Nähe der Cruſtaceen, überhaupt unter die Ringelthiere; die Gründe ſ. Allg. Naturg. B. 4 S. 576. Wir laſſen die Richtigkeit derſelben dahingeſtellt und betrachten ſie vielmehr als diejenige Form, in deren von einem Mittel- punkt zu einer ſtachelichten, buckligten Kugel oder einem Stern ausſtrah- lender Bildung am meiſten der peripheriſche Typus dieſer ganzen Gruppe, der übrigens viele Ausnahmen erleidet, zum Vorſchein kommt, ein Typus, der gerade bei dieſen hartſchaaligen Thieren an die Kryſtallbildung, im Allgemeinen aber ebenſoſehr an die Kranzſtellung der Blumenblätter erinnert. Die vorliegende Ordnung beginnt mit der Kugelform der einfachſten Infuſorien, die ſofort in Faſern, Ecken, Spitzen u. ſ. w. auseinanderläuft, auch ſchon zur Längsrichtung übergeht und dann bereits Pflanzenblättchen ſehr ähnlich wird. In den Polypen nun erſcheint die Pflanzenbildung nicht nur durch die kreisförmig um den Mund geſtellten Fangarme, ſondern auch durch den baumartig verzweigten Korallenſtock, mit dem ſie unbeweglich anſitzen und aus deſſen Enden ihr bewegliches Vordertheil hervortritt wie die Blüthe am Zweig. Zugleich aber erinnert die kalkige Ausſcheidung, woraus der Korallenſtock beſteht, an das Mineraliſche; die unvoll- kommenen Kryſtallbildungen zeigen ja ähnliche zierlich veräſtelte Formen. Ganz pflanzenartig ſieht namentlich die Seefeder aus. Die Polypen ſind es daher, die gewöhnlich im engeren Sinne Zoophyten heißen. Der von einem Mittelpunkt ſtrahlenförmig auslaufende Bau tritt nach den Stern- thieren beſonders deutlich wieder in den runden Scheiben-Hut-Glocken- Formen der Quallen oder Meduſen auf. Unter allen dieſen Bildungen nun trifft man auf mancherlei zierliche Formen, die erfreuen könnten, wenn es nicht immer unheimlich wäre, daß es Thiere ſind, die ſo der Pflanze und dem Kryſtalle gleichen. Ihre Niedlichkeit ergötzt eigentlich erſt, wenn ſie todt ſind, wenn das gallertartige Thier aus ſeiner Kalkbehauſung weggenommen, getrocknet iſt, oder wenn man es nur in der Zeichnung ſieht u. ſ. w. Manche Korallen, Seeſterne, Quallen zeigen auch ſchöne Farben.
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Vielheit dünner Organe bei dem unwillkührlichen Gedanken erregt, ſo ein
Ding auf der Haut fühlen zu müſſen. Unter die häßlichſten Thiere gehört
z. B. unter den Inſecten (Heuſchrecken) die Maulwurfsgrille (Werre),
die dem Krebs ähnlich iſt und deren widrigen ſackartigen Leib doch nicht
deſſen harte Kruſte überkleidet.
2. Der unterſte Typus oder Plan nach Cüvier, die Zoophyten
oder Strahlthiere, nach Oken die Darmthiere. Die Würmer ſtellen wir
in eine andere Gruppe und rechnen zu der gegenwärtigen die Infuſorien,
Polypen oder Corallen, Sternthiere und Quallen oder Meduſen. Oken
ſtellt die Sternthiere höher, zu den Würmern und in die Nähe der
Cruſtaceen, überhaupt unter die Ringelthiere; die Gründe ſ. Allg. Naturg.
B. 4 S. 576. Wir laſſen die Richtigkeit derſelben dahingeſtellt und
betrachten ſie vielmehr als diejenige Form, in deren von einem Mittel-
punkt zu einer ſtachelichten, buckligten Kugel oder einem Stern ausſtrah-
lender Bildung am meiſten der peripheriſche Typus dieſer ganzen Gruppe,
der übrigens viele Ausnahmen erleidet, zum Vorſchein kommt, ein Typus,
der gerade bei dieſen hartſchaaligen Thieren an die Kryſtallbildung, im
Allgemeinen aber ebenſoſehr an die Kranzſtellung der Blumenblätter
erinnert. Die vorliegende Ordnung beginnt mit der Kugelform der einfachſten
Infuſorien, die ſofort in Faſern, Ecken, Spitzen u. ſ. w. auseinanderläuft,
auch ſchon zur Längsrichtung übergeht und dann bereits Pflanzenblättchen
ſehr ähnlich wird. In den Polypen nun erſcheint die Pflanzenbildung
nicht nur durch die kreisförmig um den Mund geſtellten Fangarme, ſondern
auch durch den baumartig verzweigten Korallenſtock, mit dem ſie unbeweglich
anſitzen und aus deſſen Enden ihr bewegliches Vordertheil hervortritt wie
die Blüthe am Zweig. Zugleich aber erinnert die kalkige Ausſcheidung,
woraus der Korallenſtock beſteht, an das Mineraliſche; die unvoll-
kommenen Kryſtallbildungen zeigen ja ähnliche zierlich veräſtelte Formen.
Ganz pflanzenartig ſieht namentlich die Seefeder aus. Die Polypen ſind
es daher, die gewöhnlich im engeren Sinne Zoophyten heißen. Der von
einem Mittelpunkt ſtrahlenförmig auslaufende Bau tritt nach den Stern-
thieren beſonders deutlich wieder in den runden Scheiben-Hut-Glocken-
Formen der Quallen oder Meduſen auf. Unter allen dieſen Bildungen nun
trifft man auf mancherlei zierliche Formen, die erfreuen könnten, wenn
es nicht immer unheimlich wäre, daß es Thiere ſind, die ſo der Pflanze
und dem Kryſtalle gleichen. Ihre Niedlichkeit ergötzt eigentlich erſt, wenn
ſie todt ſind, wenn das gallertartige Thier aus ſeiner Kalkbehauſung
weggenommen, getrocknet iſt, oder wenn man es nur in der Zeichnung
ſieht u. ſ. w. Manche Korallen, Seeſterne, Quallen zeigen auch ſchöne
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/131>, abgerufen am 16.02.2025.
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