1. Die hier zuerst aufgeführten Einschränkungen des Begriffs einer Stufenfolge treffen ganz auf gleiche Weise die Idee und das Schöne. Die Untersuchung ist noch nicht an den Punkt gekommen, wo beide sich trennen. Man wird diese Einschränkungen anführen und hat sie ange- führt als Einwurf gegen jenes Zusammenfallen der Stufenfolge des Schönen mit der Stufenfolge der Gattungen. Denn ein Thier z. B., um hier die erste Einschränkung aufzufassen, das rauhe und unorganisch erscheinende Bedeckungen und träge Bewegung hat, gilt überall als häßlicher denn ein edler Baum, ist aber doch gewiß eine höhere Organisation; also ist das Schöne durchaus nicht mit der größeren oder geringeren Vollkommenheit der Organisation zusammenzuwerfen. Allein es liegt hier in Wahrheit der Grund vielmehr wirklich in der Stufenfolge der organisirenden Natur selbst. Denn wo sich das bedeutendere Gebiet schon er- öffnet hat, muß das Höhere selbst wieder von unten mit ärmeren Bildungen beginnen und steht nun unter sich selbst, so daß z. B. Bewegungslosigkeit und wirklich unorganische Bedeckung nothwendig harmonischer wirken muß, als Bewegung und thierische Bedeckung, die ihren Begriff so dürftig darstellt. Es nützt nichts, zu sagen: ein solches Thier ist in seiner Art ganz recht, wie es ist und steht unendlich höher als die Pflanze. Man muß, wie schon im §. 17, 2 berührt ist, das Ganze betrachten und es mit diesem zusammenhalten. Ebenso verhält es sich mit den Uebergangs- stufen. Danzel bringt gegen Hegel vor (a. a. O. 57): "Die Wahr- heit der einzelnen Dinge wird zum Inhalt der Kunst gemacht. Aber dies widerspricht sich in sich selbst. Wir sollen z. B. (169) das Schnabelthier häßlich finden, weil wir eine Ahnung von der Zusammengehörigkeit der Formen des Vogels haben. Aber würde das Schnabelthier existiren, wenn nicht das Fremdartige in ihm auf irgend eine Weise zusammengehörte?" Gewiß nicht. Auch der Affe, der so häßlich ist, weil er dem Menschen so nahe steht und doch Thier ist, gehört zusammen. Hier kommt es darauf an, den Begriff eines realen Widerspruchs durch festen Ueberblick des Ganzen und der deutlichen Intention in den Hauptstufen gefaßt zu haben. Diesen müßte Danzel widerlegen, statt die abstracte Form "auf irgend eine Weise zusammengehören", die Niemand läugnet, vorzubringen. Auf diese Weise dürfte man auch Abnormitäten (die ich hier nur als Beispiel anführe, denn sie sind freilich etwas Anderes als Uebergangsformen) nicht Abnormitäten nennen. Im Buckligen gehört auch Alles irgendwie zusammen.
2. Die hier angeführte Einschränkung anticipirt etwas aus der weiteren Entwicklung, wo von dem wesentlichen Unterschiede zwischen dem
1. Die hier zuerſt aufgeführten Einſchränkungen des Begriffs einer Stufenfolge treffen ganz auf gleiche Weiſe die Idee und das Schöne. Die Unterſuchung iſt noch nicht an den Punkt gekommen, wo beide ſich trennen. Man wird dieſe Einſchränkungen anführen und hat ſie ange- führt als Einwurf gegen jenes Zuſammenfallen der Stufenfolge des Schönen mit der Stufenfolge der Gattungen. Denn ein Thier z. B., um hier die erſte Einſchränkung aufzufaſſen, das rauhe und unorganiſch erſcheinende Bedeckungen und träge Bewegung hat, gilt überall als häßlicher denn ein edler Baum, iſt aber doch gewiß eine höhere Organiſation; alſo iſt das Schöne durchaus nicht mit der größeren oder geringeren Vollkommenheit der Organiſation zuſammenzuwerfen. Allein es liegt hier in Wahrheit der Grund vielmehr wirklich in der Stufenfolge der organiſirenden Natur ſelbſt. Denn wo ſich das bedeutendere Gebiet ſchon er- öffnet hat, muß das Höhere ſelbſt wieder von unten mit ärmeren Bildungen beginnen und ſteht nun unter ſich ſelbſt, ſo daß z. B. Bewegungsloſigkeit und wirklich unorganiſche Bedeckung nothwendig harmoniſcher wirken muß, als Bewegung und thieriſche Bedeckung, die ihren Begriff ſo dürftig darſtellt. Es nützt nichts, zu ſagen: ein ſolches Thier iſt in ſeiner Art ganz recht, wie es iſt und ſteht unendlich höher als die Pflanze. Man muß, wie ſchon im §. 17, 2 berührt iſt, das Ganze betrachten und es mit dieſem zuſammenhalten. Ebenſo verhält es ſich mit den Uebergangs- ſtufen. Danzel bringt gegen Hegel vor (a. a. O. 57): „Die Wahr- heit der einzelnen Dinge wird zum Inhalt der Kunſt gemacht. Aber dies widerſpricht ſich in ſich ſelbſt. Wir ſollen z. B. (169) das Schnabelthier häßlich finden, weil wir eine Ahnung von der Zuſammengehörigkeit der Formen des Vogels haben. Aber würde das Schnabelthier exiſtiren, wenn nicht das Fremdartige in ihm auf irgend eine Weiſe zuſammengehörte?“ Gewiß nicht. Auch der Affe, der ſo häßlich iſt, weil er dem Menſchen ſo nahe ſteht und doch Thier iſt, gehört zuſammen. Hier kommt es darauf an, den Begriff eines realen Widerſpruchs durch feſten Ueberblick des Ganzen und der deutlichen Intention in den Hauptſtufen gefaßt zu haben. Dieſen müßte Danzel widerlegen, ſtatt die abſtracte Form „auf irgend eine Weiſe zuſammengehören“, die Niemand läugnet, vorzubringen. Auf dieſe Weiſe dürfte man auch Abnormitäten (die ich hier nur als Beiſpiel anführe, denn ſie ſind freilich etwas Anderes als Uebergangsformen) nicht Abnormitäten nennen. Im Buckligen gehört auch Alles irgendwie zuſammen.
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1. Die hier zuerſt aufgeführten Einſchränkungen des Begriffs einer
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trennen. Man wird dieſe Einſchränkungen anführen und hat ſie ange-
führt als Einwurf gegen jenes Zuſammenfallen der Stufenfolge des
Schönen mit der Stufenfolge der Gattungen. Denn ein Thier z. B.,
um hier die erſte Einſchränkung aufzufaſſen, das rauhe und unorganiſch
erſcheinende Bedeckungen und träge Bewegung hat, gilt überall als häßlicher
denn ein edler Baum, iſt aber doch gewiß eine höhere Organiſation;
alſo iſt das Schöne durchaus nicht mit der größeren oder geringeren
Vollkommenheit der Organiſation zuſammenzuwerfen. Allein es liegt hier
in Wahrheit der Grund vielmehr wirklich in der Stufenfolge der
organiſirenden Natur ſelbſt. Denn wo ſich das bedeutendere Gebiet ſchon er-
öffnet hat, muß das Höhere ſelbſt wieder von unten mit ärmeren Bildungen
beginnen und ſteht nun unter ſich ſelbſt, ſo daß z. B. Bewegungsloſigkeit
und wirklich unorganiſche Bedeckung nothwendig harmoniſcher wirken muß,
als Bewegung und thieriſche Bedeckung, die ihren Begriff ſo dürftig
darſtellt. Es nützt nichts, zu ſagen: ein ſolches Thier iſt in ſeiner Art
ganz recht, wie es iſt und ſteht unendlich höher als die Pflanze. Man
muß, wie ſchon im §. 17, 2 berührt iſt, das Ganze betrachten und es
mit dieſem zuſammenhalten. Ebenſo verhält es ſich mit den Uebergangs-
ſtufen. Danzel bringt gegen Hegel vor (a. a. O. 57): „Die Wahr-
heit der einzelnen Dinge wird zum Inhalt der Kunſt gemacht. Aber dies
widerſpricht ſich in ſich ſelbſt. Wir ſollen z. B. (169) das Schnabelthier
häßlich finden, weil wir eine Ahnung von der Zuſammengehörigkeit der
Formen des Vogels haben. Aber würde das Schnabelthier exiſtiren, wenn
nicht das Fremdartige in ihm auf irgend eine Weiſe zuſammengehörte?“
Gewiß nicht. Auch der Affe, der ſo häßlich iſt, weil er dem Menſchen ſo
nahe ſteht und doch Thier iſt, gehört zuſammen. Hier kommt es darauf
an, den Begriff eines realen Widerſpruchs durch feſten Ueberblick des
Ganzen und der deutlichen Intention in den Hauptſtufen gefaßt zu haben.
Dieſen müßte Danzel widerlegen, ſtatt die abſtracte Form „auf irgend
eine Weiſe zuſammengehören“, die Niemand läugnet, vorzubringen. Auf
dieſe Weiſe dürfte man auch Abnormitäten (die ich hier nur als Beiſpiel
anführe, denn ſie ſind freilich etwas Anderes als Uebergangsformen) nicht
Abnormitäten nennen. Im Buckligen gehört auch Alles irgendwie zuſammen.
2. Die hier angeführte Einſchränkung anticipirt etwas aus der
weiteren Entwicklung, wo von dem weſentlichen Unterſchiede zwiſchen dem
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/85>, abgerufen am 22.11.2024.
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