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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

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diese Unterscheidung der natürlichen und geistigen Welt mit ihren Sphären
eine Vorwegnahme innerhalb der Aesthetik selbst? Nein; denn der Gegen-
satz der Naturschönheit und der aus dem Geiste hervorgebrachten Schön-
heit, der im Verlaufe auftreten wird, ist, wie sich zeigen wird, ein
ganz anderer als der Gegensatz der natürlichen und geistigen Welt über-
haupt; in der Lehre vom Naturschönen muß auch die geistige Welt dar-
gestellt werden, wie sie verglichen mit der Kunst noch blose Natur
ist, und somit ist auch der Uebergang der Metaphysik des Schönen in die
Lehre vom Naturschönen ein ganz anderer, als der Uebergang der
Metaphysik in die Naturphilosophie. Wird aber nicht wenigstens eine
Wiederholung entstehen, da die Reiche des Daseyns allerdings in dem
Abschnitte vom Naturschönen wieder durchwandelt werden müssen? Auch
dies nicht. Die Metaphysik des Schönen gibt nur den idealen Grundriß,
die Lehre vom Naturschönen aber wird einen gewissen Begriff, der hier
noch nicht vorliegt, als Rechtfertigungsgrund vorausschicken, warum sich
das System sofort in die reale Breite des Daseyns mit der Hoffnung
einlassen darf, hier das Schöne zu finden.

2. Der Begriff der Gattung und Art ist hier zunächst so allgemein ge-
faßt, daß er das unter sich begreift, was man sonst Reiche, Classen,
Ordnungen, Familien, Gattungen, Spezies u. s. w. nennt. Die Natur
baut sich Stufe um Stufe so auf, daß Gattung und Art ihre Stelle
wechseln, mag man die Stufenfolge aufwärts oder abwärts durchwandeln.
So ist der Begriff Reich ein Gattungsbegriff, die einzelnen Reiche seine
Arten. Diese Arten sind Gattungen, sofern sie die sogenannten Typen
oder Plane (von Cüvier in die Zoologie eingeführt) als ihre Arten
unter sich befassen. Diese sind wieder Gattung und die Classen sind die
Art. Die Classen sind die Gattung und die Ordnungen ihre Arten, diese
verhalten sich wieder zu den Familien wie Gattung zur Art; auf die
Familien folgt, was die Naturforscher gewöhnlich Gattung nennen, als
Art derselben, und diese begreift endlich als ihre Art die Spezies unter
sich, aber diese selbst theilt sich ja im Thierreich wieder in Rassen, wie
die Gattung in Arten. Eben dieser Stellenwechsel der Begriffe von Gattung
und Art verwirrt den stoffartigen Empiriker, so daß er an aller Möglich-
keit einer Eintheilung verzweifelt, ist aber in Wahrheit der Beweis, daß
die Natur ein System von Stufen ist, das auf den Menschen als höchste
hinarbeitet. Es versteht sich jedoch, daß die innere Einheit, die das
stufenbildende Band ist, nicht eine Stufe aus der andern natürlich erzeugt
(vergl. Hegel Encyclop. §. 249). Vielleicht nahm die urweltliche

dieſe Unterſcheidung der natürlichen und geiſtigen Welt mit ihren Sphären
eine Vorwegnahme innerhalb der Aeſthetik ſelbſt? Nein; denn der Gegen-
ſatz der Naturſchönheit und der aus dem Geiſte hervorgebrachten Schön-
heit, der im Verlaufe auftreten wird, iſt, wie ſich zeigen wird, ein
ganz anderer als der Gegenſatz der natürlichen und geiſtigen Welt über-
haupt; in der Lehre vom Naturſchönen muß auch die geiſtige Welt dar-
geſtellt werden, wie ſie verglichen mit der Kunſt noch bloſe Natur
iſt, und ſomit iſt auch der Uebergang der Metaphyſik des Schönen in die
Lehre vom Naturſchönen ein ganz anderer, als der Uebergang der
Metaphyſik in die Naturphiloſophie. Wird aber nicht wenigſtens eine
Wiederholung entſtehen, da die Reiche des Daſeyns allerdings in dem
Abſchnitte vom Naturſchönen wieder durchwandelt werden müſſen? Auch
dies nicht. Die Metaphyſik des Schönen gibt nur den idealen Grundriß,
die Lehre vom Naturſchönen aber wird einen gewiſſen Begriff, der hier
noch nicht vorliegt, als Rechtfertigungsgrund vorausſchicken, warum ſich
das Syſtem ſofort in die reale Breite des Daſeyns mit der Hoffnung
einlaſſen darf, hier das Schöne zu finden.

2. Der Begriff der Gattung und Art iſt hier zunächſt ſo allgemein ge-
faßt, daß er das unter ſich begreift, was man ſonſt Reiche, Claſſen,
Ordnungen, Familien, Gattungen, Spezies u. ſ. w. nennt. Die Natur
baut ſich Stufe um Stufe ſo auf, daß Gattung und Art ihre Stelle
wechſeln, mag man die Stufenfolge aufwärts oder abwärts durchwandeln.
So iſt der Begriff Reich ein Gattungsbegriff, die einzelnen Reiche ſeine
Arten. Dieſe Arten ſind Gattungen, ſofern ſie die ſogenannten Typen
oder Plane (von Cüvier in die Zoologie eingeführt) als ihre Arten
unter ſich befaſſen. Dieſe ſind wieder Gattung und die Claſſen ſind die
Art. Die Claſſen ſind die Gattung und die Ordnungen ihre Arten, dieſe
verhalten ſich wieder zu den Familien wie Gattung zur Art; auf die
Familien folgt, was die Naturforſcher gewöhnlich Gattung nennen, als
Art derſelben, und dieſe begreift endlich als ihre Art die Spezies unter
ſich, aber dieſe ſelbſt theilt ſich ja im Thierreich wieder in Raſſen, wie
die Gattung in Arten. Eben dieſer Stellenwechſel der Begriffe von Gattung
und Art verwirrt den ſtoffartigen Empiriker, ſo daß er an aller Möglich-
keit einer Eintheilung verzweifelt, iſt aber in Wahrheit der Beweis, daß
die Natur ein Syſtem von Stufen iſt, das auf den Menſchen als höchſte
hinarbeitet. Es verſteht ſich jedoch, daß die innere Einheit, die das
ſtufenbildende Band iſt, nicht eine Stufe aus der andern natürlich erzeugt
(vergl. Hegel Encyclop. §. 249). Vielleicht nahm die urweltliche

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/82>, abgerufen am 28.11.2024.