war, noch gar nicht eintreten. Die neuere Zeit dagegen mußte, nachdem sie diese Trennung vorgenommen, erst aus dem subjectiven Idealismus zum objectiven fortgeschritten seyn, ehe sie eine ganze Aesthetik bauen konnte; sie war erst seit Schelling möglich, und wir haben das erste System der Aesthetik aus Solgers Hand. Diese Wissenschaft ist also auch viel zu neu, um eine logisch sich aufbauende Reihe geschichtlicher Prinzipien darzubieten.
Dagegen ist ein ungefähres Entsprechen allerdings in folgender Weise zu bemerken. Die Metaphysik des Schönen, der erste Theil der Aesthetik, handelt zuerst von der einfachen Schönheit vor ihrer Spaltung in die contrastirenden Formen des Erhabenen und Komischen. Der Begriff des Schönen zerfällt in die Momente: Idee, Bild, Einheit beider. Man erkennt sogleich, daß dem ersten Momente der platonische Standpunkt entspricht. Das zweite, die sinnliche Gestalt: hieher könnte man außer einzelnen Bestimmungen über die Form, welche Plato, Aristoteles, die Neuplatoniker bieten, die reichen empirischen Bemerkungen des spätern Alterthums ziehen, wenn sie nicht wesentlich auf die wirkliche Kunst sich bezögen, von der hier noch nicht die Rede ist; wohl aber gehören hieher die sensualistischen, in ihrer Grundlage materialistischen Reflexionen der Engländer des vorigen Jahrhunderts, also der Anfänge der modernen Aesthetik. Das dritte Moment, die Einheit von Idee und Bild: hier tritt Baumgarten's schwankende Definition ein, aber Kant wirft aus ihr Alles heraus, was objectiv seyn sollte und die Parallele der ge- schichtlichen mit der logischen Ordnung ist unterbrochen. Die wahre Erfüllung des von Baumgarten schwankend Umrissenen gibt die neuere Philosophie seit Schelling und diese tritt dann ganz am rechten Orte bei diesem dritten, concretesten Momente ein, wo sich dann bestätigt, daß sie auch die erste noch abstracte Bestimmung, die der Auseinandersetzung jener drei Momente voranging, dargeboten hat. Den Abschluß dieses Abschnitts bildet die Darstellung des subjectiven Eindrucks des Schönen und hier widerfährt Kant sein Recht. Es folgt der zweite Abschnitt, der die contrastirenden Formen des Schönen zum Inhalt hat, zuerst das Erhabene. Einen Theil dieser Form hat Kant auf's Tiefste erfaßt und der Rigorismus der subjectiven geistigen Gesetzgebung gegen den sinnlichen Impuls erklärt, warum diese Philosophie um den Begriff des Erhabenen, nicht ebenso um den des Komischen sich verdient machte, während sie doch zu der Ergründung des letzteren so wesentliche Bedingungen enthielt. Dagegen verläßt sie uns völlig in der höchsten Form des Erhabenen, dem
war, noch gar nicht eintreten. Die neuere Zeit dagegen mußte, nachdem ſie dieſe Trennung vorgenommen, erſt aus dem ſubjectiven Idealismus zum objectiven fortgeſchritten ſeyn, ehe ſie eine ganze Aeſthetik bauen konnte; ſie war erſt ſeit Schelling möglich, und wir haben das erſte Syſtem der Aeſthetik aus Solgers Hand. Dieſe Wiſſenſchaft iſt alſo auch viel zu neu, um eine logiſch ſich aufbauende Reihe geſchichtlicher Prinzipien darzubieten.
Dagegen iſt ein ungefähres Entſprechen allerdings in folgender Weiſe zu bemerken. Die Metaphyſik des Schönen, der erſte Theil der Aeſthetik, handelt zuerſt von der einfachen Schönheit vor ihrer Spaltung in die contraſtirenden Formen des Erhabenen und Komiſchen. Der Begriff des Schönen zerfällt in die Momente: Idee, Bild, Einheit beider. Man erkennt ſogleich, daß dem erſten Momente der platoniſche Standpunkt entſpricht. Das zweite, die ſinnliche Geſtalt: hieher könnte man außer einzelnen Beſtimmungen über die Form, welche Plato, Ariſtoteles, die Neuplatoniker bieten, die reichen empiriſchen Bemerkungen des ſpätern Alterthums ziehen, wenn ſie nicht weſentlich auf die wirkliche Kunſt ſich bezögen, von der hier noch nicht die Rede iſt; wohl aber gehören hieher die ſenſualiſtiſchen, in ihrer Grundlage materialiſtiſchen Reflexionen der Engländer des vorigen Jahrhunderts, alſo der Anfänge der modernen Aeſthetik. Das dritte Moment, die Einheit von Idee und Bild: hier tritt Baumgarten’s ſchwankende Definition ein, aber Kant wirft aus ihr Alles heraus, was objectiv ſeyn ſollte und die Parallele der ge- ſchichtlichen mit der logiſchen Ordnung iſt unterbrochen. Die wahre Erfüllung des von Baumgarten ſchwankend Umriſſenen gibt die neuere Philoſophie ſeit Schelling und dieſe tritt dann ganz am rechten Orte bei dieſem dritten, concreteſten Momente ein, wo ſich dann beſtätigt, daß ſie auch die erſte noch abſtracte Beſtimmung, die der Auseinanderſetzung jener drei Momente voranging, dargeboten hat. Den Abſchluß dieſes Abſchnitts bildet die Darſtellung des ſubjectiven Eindrucks des Schönen und hier widerfährt Kant ſein Recht. Es folgt der zweite Abſchnitt, der die contraſtirenden Formen des Schönen zum Inhalt hat, zuerſt das Erhabene. Einen Theil dieſer Form hat Kant auf’s Tiefſte erfaßt und der Rigorismus der ſubjectiven geiſtigen Geſetzgebung gegen den ſinnlichen Impuls erklärt, warum dieſe Philoſophie um den Begriff des Erhabenen, nicht ebenſo um den des Komiſchen ſich verdient machte, während ſie doch zu der Ergründung des letzteren ſo weſentliche Bedingungen enthielt. Dagegen verläßt ſie uns völlig in der höchſten Form des Erhabenen, dem
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[39/0053]
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konnte; ſie war erſt ſeit Schelling möglich, und wir haben das erſte
Syſtem der Aeſthetik aus Solgers Hand. Dieſe Wiſſenſchaft iſt alſo
auch viel zu neu, um eine logiſch ſich aufbauende Reihe geſchichtlicher
Prinzipien darzubieten.
Dagegen iſt ein ungefähres Entſprechen allerdings in folgender Weiſe
zu bemerken. Die Metaphyſik des Schönen, der erſte Theil der Aeſthetik,
handelt zuerſt von der einfachen Schönheit vor ihrer Spaltung in die
contraſtirenden Formen des Erhabenen und Komiſchen. Der Begriff des
Schönen zerfällt in die Momente: Idee, Bild, Einheit beider. Man
erkennt ſogleich, daß dem erſten Momente der platoniſche Standpunkt
entſpricht. Das zweite, die ſinnliche Geſtalt: hieher könnte man außer
einzelnen Beſtimmungen über die Form, welche Plato, Ariſtoteles,
die Neuplatoniker bieten, die reichen empiriſchen Bemerkungen des ſpätern
Alterthums ziehen, wenn ſie nicht weſentlich auf die wirkliche Kunſt ſich
bezögen, von der hier noch nicht die Rede iſt; wohl aber gehören hieher
die ſenſualiſtiſchen, in ihrer Grundlage materialiſtiſchen Reflexionen der
Engländer des vorigen Jahrhunderts, alſo der Anfänge der modernen
Aeſthetik. Das dritte Moment, die Einheit von Idee und Bild: hier
tritt Baumgarten’s ſchwankende Definition ein, aber Kant wirft aus
ihr Alles heraus, was objectiv ſeyn ſollte und die Parallele der ge-
ſchichtlichen mit der logiſchen Ordnung iſt unterbrochen. Die wahre
Erfüllung des von Baumgarten ſchwankend Umriſſenen gibt die neuere
Philoſophie ſeit Schelling und dieſe tritt dann ganz am rechten Orte
bei dieſem dritten, concreteſten Momente ein, wo ſich dann beſtätigt, daß
ſie auch die erſte noch abſtracte Beſtimmung, die der Auseinanderſetzung
jener drei Momente voranging, dargeboten hat. Den Abſchluß dieſes
Abſchnitts bildet die Darſtellung des ſubjectiven Eindrucks des Schönen
und hier widerfährt Kant ſein Recht. Es folgt der zweite Abſchnitt,
der die contraſtirenden Formen des Schönen zum Inhalt hat, zuerſt das
Erhabene. Einen Theil dieſer Form hat Kant auf’s Tiefſte erfaßt und
der Rigorismus der ſubjectiven geiſtigen Geſetzgebung gegen den ſinnlichen
Impuls erklärt, warum dieſe Philoſophie um den Begriff des Erhabenen,
nicht ebenſo um den des Komiſchen ſich verdient machte, während ſie doch
zu der Ergründung des letzteren ſo weſentliche Bedingungen enthielt.
Dagegen verläßt ſie uns völlig in der höchſten Form des Erhabenen, dem
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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