ihr näher steht, als man weiß: Fischart. Nicht nur von den sittlichen Mächten des engeren Lebens-Kreises hat er, während er mit schonungs- loser Tollheit ihre Gebrechen wild hervorkehrt, das reinste Bewußtseyn, nirgends ist z. B. über die Ehe so tief Sittliches gesagt worden als von ihm in dem Cap. seiner Geschichtsklitterung: wie sich Grandgoschier verheirath. Das Capitel gehört ihm allein, ist nicht aus Rabelais übersetzt. Eben indem er in das Kleinste des ehelichen Lebens eingeht, fördert er sein Gold zu Tage; ein wahrhaft herrliches Gemüth. Aber auch der Schluß des Buchs gehört ihm, wo er aus den tollen Larven einer verwilderten Ritter- und Pfaffenwelt das schöne Bild eines Ge- sammtlebens auftauchen läßt, worin die ganze menschlich freie sittliche Zukunft, die in der Reformation als Keim liegt, sich als heiterer Tag ausbreitet. Auch sein glückhaftes Schiff ist die reinste nationale Gesin- nung im sprudelnden Scherze; ein Kessel voll Hirsenbrei wird hier zum Bande deutscher Einheit. Seine rohe Formlosigkeit stellt ihn jedoch unter seinen eigenen Werth.
Der subjective Eindruck des Komischen.
§. 223.
Nachdem das Wesen der subjectiven Thätigkeit in der Entstehung des Komischen erörtert ist, bleibt noch übrig, den sie begleitenden Genuß für sich darzustellen. Mag das Komische unmittelbar mit dem Andringen eines Erha- benen oder mit der Erscheinung eines Kleinen, das sich sofort zu einem Erha- benen aufzutreiben versucht (vergl. §. 155) beginnen: in beiden Fällen bildet, da auch im zweiten das Kleine erst in Folge dieses Versuchs als ein unendlich Kleines sich darstellt, den Anfang des Komischen Gefühls die Unlust, die alles Erhabene zuerst erregt, und die hier wesentlich die Form der Spannung und Erwartung annimmt. Zugleich äußert sich aber das Vorgefühl der Auf- lösung dieser Unlust, erregt durch ein Merken des unendlich Kleinen, das schon unter der Decke des Erhabenen spielt, als ein leise sich ankündigender Kitzel.
Der zweite der im §. genannten Fälle hebt die Spannung, die das sich heranbewegende Erhabene erregt, nicht auf, denn das Kleine, was sich groß macht, wie der Frosch in der Fabel, ist ursprünglich an seiner Stelle auch ein ganzes, wohlberechtigtes Daseyn und so gut wie etwas Anderes; erst nachdem es sich weiter und weiter auftreibt und endlich
ihr näher ſteht, als man weiß: Fiſchart. Nicht nur von den ſittlichen Mächten des engeren Lebens-Kreiſes hat er, während er mit ſchonungs- loſer Tollheit ihre Gebrechen wild hervorkehrt, das reinſte Bewußtſeyn, nirgends iſt z. B. über die Ehe ſo tief Sittliches geſagt worden als von ihm in dem Cap. ſeiner Geſchichtsklitterung: wie ſich Grandgoſchier verheirath. Das Capitel gehört ihm allein, iſt nicht aus Rabelais überſetzt. Eben indem er in das Kleinſte des ehelichen Lebens eingeht, fördert er ſein Gold zu Tage; ein wahrhaft herrliches Gemüth. Aber auch der Schluß des Buchs gehört ihm, wo er aus den tollen Larven einer verwilderten Ritter- und Pfaffenwelt das ſchöne Bild eines Ge- ſammtlebens auftauchen läßt, worin die ganze menſchlich freie ſittliche Zukunft, die in der Reformation als Keim liegt, ſich als heiterer Tag ausbreitet. Auch ſein glückhaftes Schiff iſt die reinſte nationale Geſin- nung im ſprudelnden Scherze; ein Keſſel voll Hirſenbrei wird hier zum Bande deutſcher Einheit. Seine rohe Formloſigkeit ſtellt ihn jedoch unter ſeinen eigenen Werth.
Der ſubjective Eindruck des Komiſchen.
§. 223.
Nachdem das Weſen der ſubjectiven Thätigkeit in der Entſtehung des Komiſchen erörtert iſt, bleibt noch übrig, den ſie begleitenden Genuß für ſich darzuſtellen. Mag das Komiſche unmittelbar mit dem Andringen eines Erha- benen oder mit der Erſcheinung eines Kleinen, das ſich ſofort zu einem Erha- benen aufzutreiben verſucht (vergl. §. 155) beginnen: in beiden Fällen bildet, da auch im zweiten das Kleine erſt in Folge dieſes Verſuchs als ein unendlich Kleines ſich darſtellt, den Anfang des Komiſchen Gefühls die Unluſt, die alles Erhabene zuerſt erregt, und die hier weſentlich die Form der Spannung und Erwartung annimmt. Zugleich äußert ſich aber das Vorgefühl der Auf- löſung dieſer Unluſt, erregt durch ein Merken des unendlich Kleinen, das ſchon unter der Decke des Erhabenen ſpielt, als ein leiſe ſich ankündigender Kitzel.
Der zweite der im §. genannten Fälle hebt die Spannung, die das ſich heranbewegende Erhabene erregt, nicht auf, denn das Kleine, was ſich groß macht, wie der Froſch in der Fabel, iſt urſprünglich an ſeiner Stelle auch ein ganzes, wohlberechtigtes Daſeyn und ſo gut wie etwas Anderes; erſt nachdem es ſich weiter und weiter auftreibt und endlich
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ihr näher ſteht, als man weiß: Fiſchart. Nicht nur von den ſittlichen
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loſer Tollheit ihre Gebrechen wild hervorkehrt, das reinſte Bewußtſeyn,
nirgends iſt z. B. über die Ehe ſo tief Sittliches geſagt worden als von
ihm in dem Cap. ſeiner Geſchichtsklitterung: wie ſich Grandgoſchier
verheirath. Das Capitel gehört ihm allein, iſt nicht aus Rabelais
überſetzt. Eben indem er in das Kleinſte des ehelichen Lebens eingeht,
fördert er ſein Gold zu Tage; ein wahrhaft herrliches Gemüth. Aber
auch der Schluß des Buchs gehört ihm, wo er aus den tollen Larven
einer verwilderten Ritter- und Pfaffenwelt das ſchöne Bild eines Ge-
ſammtlebens auftauchen läßt, worin die ganze menſchlich freie ſittliche
Zukunft, die in der Reformation als Keim liegt, ſich als heiterer Tag
ausbreitet. Auch ſein glückhaftes Schiff iſt die reinſte nationale Geſin-
nung im ſprudelnden Scherze; ein Keſſel voll Hirſenbrei wird hier zum
Bande deutſcher Einheit. Seine rohe Formloſigkeit ſtellt ihn jedoch unter
ſeinen eigenen Werth.
Der ſubjective Eindruck des Komiſchen.
§. 223.
Nachdem das Weſen der ſubjectiven Thätigkeit in der Entſtehung des
Komiſchen erörtert iſt, bleibt noch übrig, den ſie begleitenden Genuß für ſich
darzuſtellen. Mag das Komiſche unmittelbar mit dem Andringen eines Erha-
benen oder mit der Erſcheinung eines Kleinen, das ſich ſofort zu einem Erha-
benen aufzutreiben verſucht (vergl. §. 155) beginnen: in beiden Fällen bildet, da
auch im zweiten das Kleine erſt in Folge dieſes Verſuchs als ein unendlich
Kleines ſich darſtellt, den Anfang des Komiſchen Gefühls die Unluſt, die
alles Erhabene zuerſt erregt, und die hier weſentlich die Form der Spannung
und Erwartung annimmt. Zugleich äußert ſich aber das Vorgefühl der Auf-
löſung dieſer Unluſt, erregt durch ein Merken des unendlich Kleinen, das ſchon
unter der Decke des Erhabenen ſpielt, als ein leiſe ſich ankündigender Kitzel.
Der zweite der im §. genannten Fälle hebt die Spannung, die das
ſich heranbewegende Erhabene erregt, nicht auf, denn das Kleine, was
ſich groß macht, wie der Froſch in der Fabel, iſt urſprünglich an ſeiner
Stelle auch ein ganzes, wohlberechtigtes Daſeyn und ſo gut wie etwas
Anderes; erſt nachdem es ſich weiter und weiter auftreibt und endlich
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/487>, abgerufen am 23.11.2024.
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