sondern nur, das Mittel, wodurch sie ihn haben, verhalte sich zu diesem nicht innerlich und organisch. Ruge natürlich muß überall Gehalt for- dern und thut dies namentlich bei Gelegenheit des Wortspiels S. 152: "wenn an der Sache gar nichts ist, d. h. die Worte nichts bedeuten, so ist auch an dem Witze gar nichts". Allein zuvörderst besinne man sich nur auf Witze, die nichts und Niemand treffen, und frage sich, ob man darüber nicht voller und herzlicher lacht, als über Witze mit satyrischem Stich, z. B. an Fischarts trunkenen Wortspieltaumel, Abrahams a S. Clara närrische Wienerspässe, das Krähwinkler-Blatt, wo ein Mädchen am Klavier und sonst Niemand zu sehen ist, unten aber steht: wie der Schulmeister von Krähwinkel aus Entzücken über das schöne Spiel seiner Tochter ganz weg ist. Vieles aus dem englischen Auctions-Verzeichniß, das Lichtenberg übersetzt und vermehrt hat, kann man mit vollerem Lachen lesen, wenn man davon absieht, daß es ursprünglich eine Satyre auf einen reichen, aber unwissenden Raritätensammler war: ein Messer ohne Klinge, woran der Stiel fehlt; ein doppelter Kinderlöffel für Zwillinge; eine Sonnenuhr, an einen Wagen zu schrauben; eine Mäusefalle nebst den Mäusen dazu; einige Brillen für alte Jagdhunde, die nicht gut in die Ferne sehen; ein messingenes Schlüsselloch. Oder aus Lichtenbergs Relation von den schwimmenden Batterien vor Gibraltar: in jedem Schieß- loch noch ein Loch, das war fürwahr fast größer noch, als erstgedachtes Schießloch. In solchen Spielen, deren Wesen meist darin besteht, daß die nähere Bestimmung des Subjects das Subject aufhebt, bewegt sich der komische Geist frei durch das Gebiet des verständigen Zusammenhangs, den er durcheinander wirft und dessen Aufhebung er doch als einen neuen verständigen Zusammenhang behauptet. Auch das Wortspiel liebt die freien, zwecklosen Verkröpfungen; z. B. Kühne: wir Gelehrte sind sämmt- lich Unterleibnizianer. Am bestimmtesten ist dies der Fall im bildlichen Witze, der sich an dem beigebrachten Bilde zu weiden liebt ganz ohne sich weiter bei dem Subjecte, das dadurch getroffen werden soll, aufzu- halten. Man nennt diesen Witz gewöhnlich den schlechten; richtiger wäre es, ihn den freien oder schweifenden zu nennen. Ein Object hat auch er: es ist der Zwang des verständigen Zusammenhangs, gegen welchen die Subjectivität sich als die freie Negativität aufwirft, sich selbst als Beweis geltend macht, daß die Dinge flüssig sind, daß "in allen Räumen Eines, in allen Wellenschäumen Eines, in allen Träumen Eines ist". Allerdings aber fordert das Gesetz des Schönen ein bestimmt Begrenztes und Bleiben bei demselben: darum erscheint dieser freie Witz leer.
ſondern nur, das Mittel, wodurch ſie ihn haben, verhalte ſich zu dieſem nicht innerlich und organiſch. Ruge natürlich muß überall Gehalt for- dern und thut dies namentlich bei Gelegenheit des Wortſpiels S. 152: „wenn an der Sache gar nichts iſt, d. h. die Worte nichts bedeuten, ſo iſt auch an dem Witze gar nichts“. Allein zuvörderſt beſinne man ſich nur auf Witze, die nichts und Niemand treffen, und frage ſich, ob man darüber nicht voller und herzlicher lacht, als über Witze mit ſatyriſchem Stich, z. B. an Fiſcharts trunkenen Wortſpieltaumel, Abrahams a S. Clara närriſche Wienerſpäſſe, das Krähwinkler-Blatt, wo ein Mädchen am Klavier und ſonſt Niemand zu ſehen iſt, unten aber ſteht: wie der Schulmeiſter von Krähwinkel aus Entzücken über das ſchöne Spiel ſeiner Tochter ganz weg iſt. Vieles aus dem engliſchen Auctions-Verzeichniß, das Lichtenberg überſetzt und vermehrt hat, kann man mit vollerem Lachen leſen, wenn man davon abſieht, daß es urſprünglich eine Satyre auf einen reichen, aber unwiſſenden Raritätenſammler war: ein Meſſer ohne Klinge, woran der Stiel fehlt; ein doppelter Kinderlöffel für Zwillinge; eine Sonnenuhr, an einen Wagen zu ſchrauben; eine Mäuſefalle nebſt den Mäuſen dazu; einige Brillen für alte Jagdhunde, die nicht gut in die Ferne ſehen; ein meſſingenes Schlüſſelloch. Oder aus Lichtenbergs Relation von den ſchwimmenden Batterien vor Gibraltar: in jedem Schieß- loch noch ein Loch, das war fürwahr faſt größer noch, als erſtgedachtes Schießloch. In ſolchen Spielen, deren Weſen meiſt darin beſteht, daß die nähere Beſtimmung des Subjects das Subject aufhebt, bewegt ſich der komiſche Geiſt frei durch das Gebiet des verſtändigen Zuſammenhangs, den er durcheinander wirft und deſſen Aufhebung er doch als einen neuen verſtändigen Zuſammenhang behauptet. Auch das Wortſpiel liebt die freien, zweckloſen Verkröpfungen; z. B. Kühne: wir Gelehrte ſind ſämmt- lich Unterleibnizianer. Am beſtimmteſten iſt dies der Fall im bildlichen Witze, der ſich an dem beigebrachten Bilde zu weiden liebt ganz ohne ſich weiter bei dem Subjecte, das dadurch getroffen werden ſoll, aufzu- halten. Man nennt dieſen Witz gewöhnlich den ſchlechten; richtiger wäre es, ihn den freien oder ſchweifenden zu nennen. Ein Object hat auch er: es iſt der Zwang des verſtändigen Zuſammenhangs, gegen welchen die Subjectivität ſich als die freie Negativität aufwirft, ſich ſelbſt als Beweis geltend macht, daß die Dinge flüſſig ſind, daß „in allen Räumen Eines, in allen Wellenſchäumen Eines, in allen Träumen Eines iſt“. Allerdings aber fordert das Geſetz des Schönen ein beſtimmt Begrenztes und Bleiben bei demſelben: darum erſcheint dieſer freie Witz leer.
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ſondern nur, das Mittel, wodurch ſie ihn haben, verhalte ſich zu dieſem
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„wenn an der Sache gar nichts iſt, d. h. die Worte nichts bedeuten,
ſo iſt auch an dem Witze gar nichts“. Allein zuvörderſt beſinne man ſich
nur auf Witze, die nichts und Niemand treffen, und frage ſich, ob man
darüber nicht voller und herzlicher lacht, als über Witze mit ſatyriſchem
Stich, z. B. an Fiſcharts trunkenen Wortſpieltaumel, Abrahams a S.
Clara närriſche Wienerſpäſſe, das Krähwinkler-Blatt, wo ein Mädchen
am Klavier und ſonſt Niemand zu ſehen iſt, unten aber ſteht: wie der
Schulmeiſter von Krähwinkel aus Entzücken über das ſchöne Spiel ſeiner
Tochter ganz weg iſt. Vieles aus dem engliſchen Auctions-Verzeichniß,
das Lichtenberg überſetzt und vermehrt hat, kann man mit vollerem Lachen
leſen, wenn man davon abſieht, daß es urſprünglich eine Satyre auf
einen reichen, aber unwiſſenden Raritätenſammler war: ein Meſſer ohne
Klinge, woran der Stiel fehlt; ein doppelter Kinderlöffel für Zwillinge;
eine Sonnenuhr, an einen Wagen zu ſchrauben; eine Mäuſefalle nebſt
den Mäuſen dazu; einige Brillen für alte Jagdhunde, die nicht gut in
die Ferne ſehen; ein meſſingenes Schlüſſelloch. Oder aus Lichtenbergs
Relation von den ſchwimmenden Batterien vor Gibraltar: in jedem Schieß-
loch noch ein Loch, das war fürwahr faſt größer noch, als erſtgedachtes
Schießloch. In ſolchen Spielen, deren Weſen meiſt darin beſteht, daß
die nähere Beſtimmung des Subjects das Subject aufhebt, bewegt ſich
der komiſche Geiſt frei durch das Gebiet des verſtändigen Zuſammenhangs,
den er durcheinander wirft und deſſen Aufhebung er doch als einen neuen
verſtändigen Zuſammenhang behauptet. Auch das Wortſpiel liebt die
freien, zweckloſen Verkröpfungen; z. B. Kühne: wir Gelehrte ſind ſämmt-
lich Unterleibnizianer. Am beſtimmteſten iſt dies der Fall im bildlichen
Witze, der ſich an dem beigebrachten Bilde zu weiden liebt ganz ohne
ſich weiter bei dem Subjecte, das dadurch getroffen werden ſoll, aufzu-
halten. Man nennt dieſen Witz gewöhnlich den ſchlechten; richtiger wäre
es, ihn den freien oder ſchweifenden zu nennen. Ein Object hat auch
er: es iſt der Zwang des verſtändigen Zuſammenhangs, gegen welchen
die Subjectivität ſich als die freie Negativität aufwirft, ſich ſelbſt als
Beweis geltend macht, daß die Dinge flüſſig ſind, daß „in allen Räumen
Eines, in allen Wellenſchäumen Eines, in allen Träumen Eines iſt“.
Allerdings aber fordert das Geſetz des Schönen ein beſtimmt Begrenztes
und Bleiben bei demſelben: darum erſcheint dieſer freie Witz leer.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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