oder gewöhnlicher: buffo. Es ist einmal ein Terminus nöthig und da das Deutsche keinen passenderen hat, mag Posse stehen bleiben. Vielleicht wäre auch die Bezeichnung: Schwank zuläßig. J. Paul (a. a. O. §. 41) und Ruge (a. a. O. S. 195) weichen von der Fassung in unserer Ein- theilung völlig ab. Sie befinden sich schon ganz im Gebiete des subjectiv innerlichen Lebens der Komik, bestimmen das Burleske sogar als subjective lyrische Empfindung und Laune und denken vorzüglich an Dichter und Travestieen. Das Niedrige, was sie allerdings als wesentlichen Charakter ansehen, wird dann vom Subjectiven aus so bestimmt, daß die höchste Ausgelassenheit sich absichtlich und gefahrlos in das Gemeinste werfe. Diese ganze Auffassung ist nur eine Folge des falschen Gebrauchs, den die neuere deutsche Bildung von dem Namen des Burlesken gemacht hat. Burlesken und buffi sind die italienischen Harlekinspiele und diese die drama- tische Gestaltung des Komischen in der realen und handgreiflichen Form, die es als vergleichungsweise bewußtloser Vorgang im volksthümlichen Elemente erhält, burlesk sind der Eulenspiegel, die Schwänke und Fastnachtspiele des Hans Sachs u. s. w. Es ist wohl der höchste Muthwille der Aus- gelassenheit, dem die Völker in ihren Saturnalien Luft machen, wo diese Form der Komik herrscht; allein das Bestimmende des Begriffs ist, daß diese fessellose komische Stimmung hier die tieferen Bewegungen des in sich getretenen Geistes, welche den selbständigen Witz und den weltverlachenden Humor hervorbringen, noch vor sich, noch nicht ausgebildet hat, daß also das Subjective, was die Form schafft, dem frohen Instinctleben der Unmittel- barkeit angehört. Mit dieser instinctiven Form der Komik und mit keiner andern ist in der Eintheilung anzufangen; nimmermehr mit dem reflectirenden Witze. Was Bauer und Hausknecht an Komik produziren, ist die erste einfachste Gestalt. Wohl erstirbt diese Gestalt nicht, auch wenn die höchsten Formen schon hervorgetreten sind, J. Paul hat Prügeleien, Cynismen, Wirthshaus-Schwänke wie das Wein- und Semel-Essen in den Flegel- jahren, noch in Fülle, aber hier eben greift er zurück nach der Urform der Komik. Alle diese Beispiele sind aus der Kunst gewählt; befänden wir uns schon in dieser oder wenigstens in der Lehre von der Phantasie, so wäre hier auch das Groteske aufzunehmen, wie in der Schrift des Verf. über das Erh. und Komische. Allein dieses hebt die Naturgesetze auf, gehört daher nur dem das Schöne hervorbringenden künstlerischen Geiste an und soweit sind wir noch nicht, daher auch in der Lehre vom Er- habenen das Wunderbare nicht aufzuführen war. Das Burleske aber ist sowohl außer der Kunst als in der Kunst vorhanden und auch im
oder gewöhnlicher: buffo. Es iſt einmal ein Terminus nöthig und da das Deutſche keinen paſſenderen hat, mag Poſſe ſtehen bleiben. Vielleicht wäre auch die Bezeichnung: Schwank zuläßig. J. Paul (a. a. O. §. 41) und Ruge (a. a. O. S. 195) weichen von der Faſſung in unſerer Ein- theilung völlig ab. Sie befinden ſich ſchon ganz im Gebiete des ſubjectiv innerlichen Lebens der Komik, beſtimmen das Burleske ſogar als ſubjective lyriſche Empfindung und Laune und denken vorzüglich an Dichter und Traveſtieen. Das Niedrige, was ſie allerdings als weſentlichen Charakter anſehen, wird dann vom Subjectiven aus ſo beſtimmt, daß die höchſte Ausgelaſſenheit ſich abſichtlich und gefahrlos in das Gemeinſte werfe. Dieſe ganze Auffaſſung iſt nur eine Folge des falſchen Gebrauchs, den die neuere deutſche Bildung von dem Namen des Burlesken gemacht hat. Burlesken und buffi ſind die italieniſchen Harlekinſpiele und dieſe die drama- tiſche Geſtaltung des Komiſchen in der realen und handgreiflichen Form, die es als vergleichungsweiſe bewußtloſer Vorgang im volksthümlichen Elemente erhält, burlesk ſind der Eulenſpiegel, die Schwänke und Faſtnachtſpiele des Hans Sachs u. ſ. w. Es iſt wohl der höchſte Muthwille der Aus- gelaſſenheit, dem die Völker in ihren Saturnalien Luft machen, wo dieſe Form der Komik herrſcht; allein das Beſtimmende des Begriffs iſt, daß dieſe feſſelloſe komiſche Stimmung hier die tieferen Bewegungen des in ſich getretenen Geiſtes, welche den ſelbſtändigen Witz und den weltverlachenden Humor hervorbringen, noch vor ſich, noch nicht ausgebildet hat, daß alſo das Subjective, was die Form ſchafft, dem frohen Inſtinctleben der Unmittel- barkeit angehört. Mit dieſer inſtinctiven Form der Komik und mit keiner andern iſt in der Eintheilung anzufangen; nimmermehr mit dem reflectirenden Witze. Was Bauer und Hausknecht an Komik produziren, iſt die erſte einfachſte Geſtalt. Wohl erſtirbt dieſe Geſtalt nicht, auch wenn die höchſten Formen ſchon hervorgetreten ſind, J. Paul hat Prügeleien, Cynismen, Wirthshaus-Schwänke wie das Wein- und Semel-Eſſen in den Flegel- jahren, noch in Fülle, aber hier eben greift er zurück nach der Urform der Komik. Alle dieſe Beiſpiele ſind aus der Kunſt gewählt; befänden wir uns ſchon in dieſer oder wenigſtens in der Lehre von der Phantaſie, ſo wäre hier auch das Groteske aufzunehmen, wie in der Schrift des Verf. über das Erh. und Komiſche. Allein dieſes hebt die Naturgeſetze auf, gehört daher nur dem das Schöne hervorbringenden künſtleriſchen Geiſte an und ſoweit ſind wir noch nicht, daher auch in der Lehre vom Er- habenen das Wunderbare nicht aufzuführen war. Das Burleske aber iſt ſowohl außer der Kunſt als in der Kunſt vorhanden und auch im
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oder gewöhnlicher: buffo. Es iſt einmal ein Terminus nöthig und da das
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auch die Bezeichnung: Schwank zuläßig. J. Paul (a. a. O. §. 41)
und Ruge (a. a. O. S. 195) weichen von der Faſſung in unſerer Ein-
theilung völlig ab. Sie befinden ſich ſchon ganz im Gebiete des ſubjectiv
innerlichen Lebens der Komik, beſtimmen das Burleske ſogar als
ſubjective lyriſche Empfindung und Laune und denken vorzüglich an Dichter
und Traveſtieen. Das Niedrige, was ſie allerdings als weſentlichen
Charakter anſehen, wird dann vom Subjectiven aus ſo beſtimmt, daß die
höchſte Ausgelaſſenheit ſich abſichtlich und gefahrlos in das Gemeinſte werfe.
Dieſe ganze Auffaſſung iſt nur eine Folge des falſchen Gebrauchs, den die
neuere deutſche Bildung von dem Namen des Burlesken gemacht hat.
Burlesken und buffi ſind die italieniſchen Harlekinſpiele und dieſe die drama-
tiſche Geſtaltung des Komiſchen in der realen und handgreiflichen Form, die
es als vergleichungsweiſe bewußtloſer Vorgang im volksthümlichen Elemente
erhält, burlesk ſind der Eulenſpiegel, die Schwänke und Faſtnachtſpiele
des Hans Sachs u. ſ. w. Es iſt wohl der höchſte Muthwille der Aus-
gelaſſenheit, dem die Völker in ihren Saturnalien Luft machen, wo dieſe
Form der Komik herrſcht; allein das Beſtimmende des Begriffs iſt, daß
dieſe feſſelloſe komiſche Stimmung hier die tieferen Bewegungen des in ſich
getretenen Geiſtes, welche den ſelbſtändigen Witz und den weltverlachenden
Humor hervorbringen, noch vor ſich, noch nicht ausgebildet hat, daß alſo
das Subjective, was die Form ſchafft, dem frohen Inſtinctleben der Unmittel-
barkeit angehört. Mit dieſer inſtinctiven Form der Komik und mit keiner
andern iſt in der Eintheilung anzufangen; nimmermehr mit dem reflectirenden
Witze. Was Bauer und Hausknecht an Komik produziren, iſt die erſte
einfachſte Geſtalt. Wohl erſtirbt dieſe Geſtalt nicht, auch wenn die höchſten
Formen ſchon hervorgetreten ſind, J. Paul hat Prügeleien, Cynismen,
Wirthshaus-Schwänke wie das Wein- und Semel-Eſſen in den Flegel-
jahren, noch in Fülle, aber hier eben greift er zurück nach der Urform der
Komik. Alle dieſe Beiſpiele ſind aus der Kunſt gewählt; befänden wir
uns ſchon in dieſer oder wenigſtens in der Lehre von der Phantaſie, ſo
wäre hier auch das Groteske aufzunehmen, wie in der Schrift des Verf.
über das Erh. und Komiſche. Allein dieſes hebt die Naturgeſetze auf,
gehört daher nur dem das Schöne hervorbringenden künſtleriſchen Geiſte
an und ſoweit ſind wir noch nicht, daher auch in der Lehre vom Er-
habenen das Wunderbare nicht aufzuführen war. Das Burleske aber
iſt ſowohl außer der Kunſt als in der Kunſt vorhanden und auch im
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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