geheimsten Störungen des religiösen Gefühlslebens auch der Humor thut. Die Stufen, welche den Unterschied dieser Formen des Komischen be- gründen, sind im §. vorläufig angedeutet und diese Andeutung wird sofort begründet werden. Die Schrift des Verf. über d. Erh. u. Kom. (188) meinte noch, durch Aufführung derselben einen Vorgriff in die Lehre von der Phantasie zu thun; es wird sich aber zeigen, daß dies keineswegs der Fall ist. Bei der ersteren Form wird es noch gar nicht nöthig seyn, dies darzuthun, weil sie sich als die am meisten objective erweist. Bei der zweiten und dritten aber treten allerdings psychologische Namen auf, und hier wird eine Rechtfertigung nöthig seyn.
a. Das objectiv Komische oder die Posse.
§. 188.
1
Nach dem durchgängig herrschenden Gesetze des Ausgangs vom Unmittel- baren und Fortgangs zum Vermittelten (vergl. §. 12. 89 u. a.) muß unter den genannten drei Formen zuerst diejenige hervortreten, wo der subjective Prozeß als ein beziehungsweise bewußtloser und sinnlich bestimmter im objectiven Vorgange aufgeht und das Ganze so als eine reale Bewegung auftritt. Wie 2weit die Thätigkeit der Subjectivität in der Zusammenfassung der beiden Glieder des Komischen gehen müsse, begründet auch hier keinen wesentlichen Unterschied (vergl. §. 181); mag sie einen Vorgang vor sich haben, worin sie dem verlachten Subjecte mehr oder weniger die Besinnung erst unterschieben muß, mag sie in ihrem sinnlichen Wohlgefühle sich selbst als Träger des Vorgangs darstellen: immer ist das Bestimmende dies, daß sie im ersteren Falle unter den komischen Vorgängen die sinnlich bestimmten aufsucht und im zweiten ihrer Ausgelassenheit in durchaus handgreiflicher Form Luft macht, so daß selbst Handlung ohne Rede hinreicht, den komischen Prozeß zur Erscheinung zu bringen.
1. Die Posse: dieser Name könnte vielleicht zu sehr nach einer be- stimmten Production bestimmter Künste aussehen oder wenigstens überhaupt nach einer blosen Action der Selbstdarstellung komischer Laune. Vielleicht wäre es zweckmäßiger, zu sagen: das Drollige, nur klingt dies zu speziell, eine ganze Art zu bezeichnen. Die Italiener haben den Namen burlesco
geheimſten Störungen des religiöſen Gefühlslebens auch der Humor thut. Die Stufen, welche den Unterſchied dieſer Formen des Komiſchen be- gründen, ſind im §. vorläufig angedeutet und dieſe Andeutung wird ſofort begründet werden. Die Schrift des Verf. über d. Erh. u. Kom. (188) meinte noch, durch Aufführung derſelben einen Vorgriff in die Lehre von der Phantaſie zu thun; es wird ſich aber zeigen, daß dies keineswegs der Fall iſt. Bei der erſteren Form wird es noch gar nicht nöthig ſeyn, dies darzuthun, weil ſie ſich als die am meiſten objective erweist. Bei der zweiten und dritten aber treten allerdings pſychologiſche Namen auf, und hier wird eine Rechtfertigung nöthig ſeyn.
a. Das objectiv Komiſche oder die Poſſe.
§. 188.
1
Nach dem durchgängig herrſchenden Geſetze des Ausgangs vom Unmittel- baren und Fortgangs zum Vermittelten (vergl. §. 12. 89 u. a.) muß unter den genannten drei Formen zuerſt diejenige hervortreten, wo der ſubjective Prozeß als ein beziehungsweiſe bewußtloſer und ſinnlich beſtimmter im objectiven Vorgange aufgeht und das Ganze ſo als eine reale Bewegung auftritt. Wie 2weit die Thätigkeit der Subjectivität in der Zuſammenfaſſung der beiden Glieder des Komiſchen gehen müſſe, begründet auch hier keinen weſentlichen Unterſchied (vergl. §. 181); mag ſie einen Vorgang vor ſich haben, worin ſie dem verlachten Subjecte mehr oder weniger die Beſinnung erſt unterſchieben muß, mag ſie in ihrem ſinnlichen Wohlgefühle ſich ſelbſt als Träger des Vorgangs darſtellen: immer iſt das Beſtimmende dies, daß ſie im erſteren Falle unter den komiſchen Vorgängen die ſinnlich beſtimmten aufſucht und im zweiten ihrer Ausgelaſſenheit in durchaus handgreiflicher Form Luft macht, ſo daß ſelbſt Handlung ohne Rede hinreicht, den komiſchen Prozeß zur Erſcheinung zu bringen.
1. Die Poſſe: dieſer Name könnte vielleicht zu ſehr nach einer be- ſtimmten Production beſtimmter Künſte ausſehen oder wenigſtens überhaupt nach einer bloſen Action der Selbſtdarſtellung komiſcher Laune. Vielleicht wäre es zweckmäßiger, zu ſagen: das Drollige, nur klingt dies zu ſpeziell, eine ganze Art zu bezeichnen. Die Italiener haben den Namen burlesco
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><hirendition="#et"><pbfacs="#f0422"n="408"/>
geheimſten Störungen des religiöſen Gefühlslebens auch der Humor thut.<lb/>
Die Stufen, welche den Unterſchied dieſer Formen des Komiſchen be-<lb/>
gründen, ſind im §. vorläufig angedeutet und dieſe Andeutung wird ſofort<lb/>
begründet werden. Die Schrift des Verf. über d. Erh. u. Kom. (188)<lb/>
meinte noch, durch Aufführung derſelben einen Vorgriff in die Lehre von<lb/>
der Phantaſie zu thun; es wird ſich aber zeigen, daß dies keineswegs der<lb/>
Fall iſt. Bei der erſteren Form wird es noch gar nicht nöthig ſeyn, dies<lb/>
darzuthun, weil ſie ſich als die am meiſten objective erweist. Bei der<lb/>
zweiten und dritten aber treten allerdings pſychologiſche Namen auf, und<lb/>
hier wird eine Rechtfertigung nöthig ſeyn.</hi></p></div></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">a.</hi><lb/><hirendition="#g">Das objectiv Komiſche oder die Poſſe</hi>.</hi></head><lb/><divn="5"><head>§. 188.</head><lb/><noteplace="left"><hirendition="#fr">1</hi></note><p><hirendition="#fr">Nach dem durchgängig herrſchenden Geſetze des Ausgangs vom Unmittel-<lb/>
baren und Fortgangs zum Vermittelten (vergl. §. 12. 89 u. a.) muß unter<lb/>
den genannten drei Formen zuerſt diejenige hervortreten, wo der ſubjective<lb/>
Prozeß als ein beziehungsweiſe bewußtloſer und ſinnlich beſtimmter im objectiven<lb/>
Vorgange aufgeht und das Ganze ſo als eine reale Bewegung auftritt. Wie<lb/><noteplace="left">2</note>weit die Thätigkeit der Subjectivität in der Zuſammenfaſſung der beiden Glieder<lb/>
des Komiſchen gehen müſſe, begründet auch hier keinen weſentlichen Unterſchied (vergl.<lb/>
§. 181); mag ſie einen Vorgang vor ſich haben, worin ſie dem verlachten Subjecte<lb/>
mehr oder weniger die Beſinnung erſt unterſchieben muß, mag ſie in ihrem<lb/>ſinnlichen Wohlgefühle ſich ſelbſt als Träger des Vorgangs darſtellen: immer iſt das<lb/>
Beſtimmende dies, daß ſie im erſteren Falle unter den komiſchen Vorgängen die<lb/>ſinnlich beſtimmten aufſucht und im zweiten ihrer Ausgelaſſenheit in durchaus<lb/>
handgreiflicher Form Luft macht, ſo daß ſelbſt Handlung ohne Rede hinreicht,<lb/>
den komiſchen Prozeß zur Erſcheinung zu bringen.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et">1. Die Poſſe: dieſer Name könnte vielleicht zu ſehr nach einer be-<lb/>ſtimmten Production beſtimmter Künſte ausſehen oder wenigſtens überhaupt<lb/>
nach einer bloſen Action der Selbſtdarſtellung komiſcher Laune. Vielleicht<lb/>
wäre es zweckmäßiger, zu ſagen: das Drollige, nur klingt dies zu ſpeziell,<lb/>
eine ganze Art zu bezeichnen. Die Italiener haben den Namen <hirendition="#aq">burlesco</hi><lb/></hi></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[408/0422]
geheimſten Störungen des religiöſen Gefühlslebens auch der Humor thut.
Die Stufen, welche den Unterſchied dieſer Formen des Komiſchen be-
gründen, ſind im §. vorläufig angedeutet und dieſe Andeutung wird ſofort
begründet werden. Die Schrift des Verf. über d. Erh. u. Kom. (188)
meinte noch, durch Aufführung derſelben einen Vorgriff in die Lehre von
der Phantaſie zu thun; es wird ſich aber zeigen, daß dies keineswegs der
Fall iſt. Bei der erſteren Form wird es noch gar nicht nöthig ſeyn, dies
darzuthun, weil ſie ſich als die am meiſten objective erweist. Bei der
zweiten und dritten aber treten allerdings pſychologiſche Namen auf, und
hier wird eine Rechtfertigung nöthig ſeyn.
a.
Das objectiv Komiſche oder die Poſſe.
§. 188.
Nach dem durchgängig herrſchenden Geſetze des Ausgangs vom Unmittel-
baren und Fortgangs zum Vermittelten (vergl. §. 12. 89 u. a.) muß unter
den genannten drei Formen zuerſt diejenige hervortreten, wo der ſubjective
Prozeß als ein beziehungsweiſe bewußtloſer und ſinnlich beſtimmter im objectiven
Vorgange aufgeht und das Ganze ſo als eine reale Bewegung auftritt. Wie
weit die Thätigkeit der Subjectivität in der Zuſammenfaſſung der beiden Glieder
des Komiſchen gehen müſſe, begründet auch hier keinen weſentlichen Unterſchied (vergl.
§. 181); mag ſie einen Vorgang vor ſich haben, worin ſie dem verlachten Subjecte
mehr oder weniger die Beſinnung erſt unterſchieben muß, mag ſie in ihrem
ſinnlichen Wohlgefühle ſich ſelbſt als Träger des Vorgangs darſtellen: immer iſt das
Beſtimmende dies, daß ſie im erſteren Falle unter den komiſchen Vorgängen die
ſinnlich beſtimmten aufſucht und im zweiten ihrer Ausgelaſſenheit in durchaus
handgreiflicher Form Luft macht, ſo daß ſelbſt Handlung ohne Rede hinreicht,
den komiſchen Prozeß zur Erſcheinung zu bringen.
1. Die Poſſe: dieſer Name könnte vielleicht zu ſehr nach einer be-
ſtimmten Production beſtimmter Künſte ausſehen oder wenigſtens überhaupt
nach einer bloſen Action der Selbſtdarſtellung komiſcher Laune. Vielleicht
wäre es zweckmäßiger, zu ſagen: das Drollige, nur klingt dies zu ſpeziell,
eine ganze Art zu bezeichnen. Die Italiener haben den Namen burlesco
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/422>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.