keine Seele mehr daran glaubt; endlich aber, daß der ganze Grundsatz streng zu prüfen ist. Daß nämlich, was von der bestehenden Bildung als Irrthum erkannt ist, ebendaher auch aus dem Bewußtseyn des Volkes zu entfernen sey, fordert die Ethik der Erziehung selbst; nur, meint sie, dürfe dies blos auf dem Wege ernster Belehrung geschehen. Allein man versuche es, die zähe sinnliche Vorstellung in ihren Widersprüchen aufzu- decken, und sehr zu, ob dies ohne Ironie angeht, ob nicht vielmehr die innere Komik der Sache selbst wider Willen zum Vorschein kommt. Was insbesondere die sogenannte Frivolität betrifft, so wird davon noch die Rede werden; hier sey nur so viel bemerkt: Frivolität und Komik sind zweierlei. Jene zerstört nicht den Irrthum an der Wahrheit, sondern sie glaubt keinen Geist, und gefällt sich, jede geistige Erscheinung, insbesondere jede sittliche, als eine Lüge der Begierde darzustellen, während dagegen die Komik nur das am Geiste aufzehrt, wodurch er sich die Miene gibt, seine Begrenzung zu überspringen, seine Wahrheit aber frei in das lachende Subject selbst herüberzieht. Frivol ist es, nicht wenn ich die Widersprüche eines Mythus aufdecke, sondern wenn ich z. B. in der Liebe das Sinnliche mit der Absicht heraushebe, das Geistige darin zu läugnen. Die Komik rettet das Geistige, indem sie es um des Sinnlichen willen, das ihm bei- wohnt und gerade unter der Anmaßung einer von allen sinnlichen Be- dingungen freien Autorität versteckt ist, gutmüthig belacht. Dies ist eben der Begriff der Fortbehauptung des Erhabenen in und trotz seinem Falle der noch weiterhin zu erörtern ist.
§. 166.
Das Erhabene des absoluten Subjects nun oder das Tragische stellte1 sich als ein Umkreis wesentlicher, das Subject tragender und über es hinaus- gehender sittlicher Mächte dar und faßte diese sammt allen Formen des Er- habenen, des einfach Schönen und des Zufalls, wie er sich nämlich in die Strenge des sittlichen Zusammenhangs aufhebt, in eine große Einheit zusammen. Das Komische aber entfesselt den äußern und innern Zufall und so gerathen jene Mächte in die unendlichen Trübungen seiner verkehrten Welt. Der letzte Grund dieser Trübungen ist immer die innere Zufälligkeit, ohne welche auch2 die äußere nicht in Kraft träte. Indem daher das Subject seine Erhabenheit im höheren Sinne als Vertreter einer sittlichen Macht zu entwickeln scheint, entwickelt es ebenso wie im Tragischen seine Schwäche und diese erste Bewegung stellt dieselbe Ironie dar, wie im Tragischen (vergl. §. 123).
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keine Seele mehr daran glaubt; endlich aber, daß der ganze Grundſatz ſtreng zu prüfen iſt. Daß nämlich, was von der beſtehenden Bildung als Irrthum erkannt iſt, ebendaher auch aus dem Bewußtſeyn des Volkes zu entfernen ſey, fordert die Ethik der Erziehung ſelbſt; nur, meint ſie, dürfe dies blos auf dem Wege ernſter Belehrung geſchehen. Allein man verſuche es, die zähe ſinnliche Vorſtellung in ihren Widerſprüchen aufzu- decken, und ſehr zu, ob dies ohne Ironie angeht, ob nicht vielmehr die innere Komik der Sache ſelbſt wider Willen zum Vorſchein kommt. Was insbeſondere die ſogenannte Frivolität betrifft, ſo wird davon noch die Rede werden; hier ſey nur ſo viel bemerkt: Frivolität und Komik ſind zweierlei. Jene zerſtört nicht den Irrthum an der Wahrheit, ſondern ſie glaubt keinen Geiſt, und gefällt ſich, jede geiſtige Erſcheinung, insbeſondere jede ſittliche, als eine Lüge der Begierde darzuſtellen, während dagegen die Komik nur das am Geiſte aufzehrt, wodurch er ſich die Miene gibt, ſeine Begrenzung zu überſpringen, ſeine Wahrheit aber frei in das lachende Subject ſelbſt herüberzieht. Frivol iſt es, nicht wenn ich die Widerſprüche eines Mythus aufdecke, ſondern wenn ich z. B. in der Liebe das Sinnliche mit der Abſicht heraushebe, das Geiſtige darin zu läugnen. Die Komik rettet das Geiſtige, indem ſie es um des Sinnlichen willen, das ihm bei- wohnt und gerade unter der Anmaßung einer von allen ſinnlichen Be- dingungen freien Autorität verſteckt iſt, gutmüthig belacht. Dies iſt eben der Begriff der Fortbehauptung des Erhabenen in und trotz ſeinem Falle der noch weiterhin zu erörtern iſt.
§. 166.
Das Erhabene des abſoluten Subjects nun oder das Tragiſche ſtellte1 ſich als ein Umkreis weſentlicher, das Subject tragender und über es hinaus- gehender ſittlicher Mächte dar und faßte dieſe ſammt allen Formen des Er- habenen, des einfach Schönen und des Zufalls, wie er ſich nämlich in die Strenge des ſittlichen Zuſammenhangs aufhebt, in eine große Einheit zuſammen. Das Komiſche aber entfeſſelt den äußern und innern Zufall und ſo gerathen jene Mächte in die unendlichen Trübungen ſeiner verkehrten Welt. Der letzte Grund dieſer Trübungen iſt immer die innere Zufälligkeit, ohne welche auch2 die äußere nicht in Kraft träte. Indem daher das Subject ſeine Erhabenheit im höheren Sinne als Vertreter einer ſittlichen Macht zu entwickeln ſcheint, entwickelt es ebenſo wie im Tragiſchen ſeine Schwäche und dieſe erſte Bewegung ſtellt dieſelbe Ironie dar, wie im Tragiſchen (vergl. §. 123).
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keine Seele mehr daran glaubt; endlich aber, daß der ganze Grundſatz
ſtreng zu prüfen iſt. Daß nämlich, was von der beſtehenden Bildung
als Irrthum erkannt iſt, ebendaher auch aus dem Bewußtſeyn des Volkes
zu entfernen ſey, fordert die Ethik der Erziehung ſelbſt; nur, meint ſie,
dürfe dies blos auf dem Wege ernſter Belehrung geſchehen. Allein man
verſuche es, die zähe ſinnliche Vorſtellung in ihren Widerſprüchen aufzu-
decken, und ſehr zu, ob dies ohne Ironie angeht, ob nicht vielmehr die
innere Komik der Sache ſelbſt wider Willen zum Vorſchein kommt. Was
insbeſondere die ſogenannte Frivolität betrifft, ſo wird davon noch die
Rede werden; hier ſey nur ſo viel bemerkt: Frivolität und Komik ſind
zweierlei. Jene zerſtört nicht den Irrthum an der Wahrheit, ſondern ſie
glaubt keinen Geiſt, und gefällt ſich, jede geiſtige Erſcheinung, insbeſondere
jede ſittliche, als eine Lüge der Begierde darzuſtellen, während dagegen
die Komik nur das am Geiſte aufzehrt, wodurch er ſich die Miene gibt,
ſeine Begrenzung zu überſpringen, ſeine Wahrheit aber frei in das lachende
Subject ſelbſt herüberzieht. Frivol iſt es, nicht wenn ich die Widerſprüche
eines Mythus aufdecke, ſondern wenn ich z. B. in der Liebe das Sinnliche
mit der Abſicht heraushebe, das Geiſtige darin zu läugnen. Die Komik
rettet das Geiſtige, indem ſie es um des Sinnlichen willen, das ihm bei-
wohnt und gerade unter der Anmaßung einer von allen ſinnlichen Be-
dingungen freien Autorität verſteckt iſt, gutmüthig belacht. Dies iſt eben
der Begriff der Fortbehauptung des Erhabenen in und trotz ſeinem Falle
der noch weiterhin zu erörtern iſt.
§. 166.
Das Erhabene des abſoluten Subjects nun oder das Tragiſche ſtellte
ſich als ein Umkreis weſentlicher, das Subject tragender und über es hinaus-
gehender ſittlicher Mächte dar und faßte dieſe ſammt allen Formen des Er-
habenen, des einfach Schönen und des Zufalls, wie er ſich nämlich in die
Strenge des ſittlichen Zuſammenhangs aufhebt, in eine große Einheit zuſammen.
Das Komiſche aber entfeſſelt den äußern und innern Zufall und ſo gerathen
jene Mächte in die unendlichen Trübungen ſeiner verkehrten Welt. Der letzte
Grund dieſer Trübungen iſt immer die innere Zufälligkeit, ohne welche auch
die äußere nicht in Kraft träte. Indem daher das Subject ſeine Erhabenheit
im höheren Sinne als Vertreter einer ſittlichen Macht zu entwickeln ſcheint,
entwickelt es ebenſo wie im Tragiſchen ſeine Schwäche und dieſe erſte Bewegung
ſtellt dieſelbe Ironie dar, wie im Tragiſchen (vergl. §. 123).
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/385>, abgerufen am 27.11.2024.
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