gemeine Dasein, wodurch jener zugleich nothwendig in eine Vielheit ein- zelner Gestalten zersplittert wird. (Vgl. Encyclop. d. ph. W. §. 556. ff.) Die Religion dagegen hebt diese Unmittelbarkeit auf in der ihr eigenen Form des subjectiven Wissens: der Vorstellung. Durch diese wird, was in der Kunst sinnliche Gestalt war, ein inneres Bild; hiemit ist der Gehalt zwar wiederum verendlicht, indem die innere Sinnlichkeit ihn unter Kategorien des Raums und der Zeit dem Selbst gegenüberstellt, aber dieses innere Jenseits wird "in dem Glauben an den Einen Geist und in der Andacht des Cultus auch aufgehoben" (a. a. O. §. 565.), und, was aus der Religionsphilosophie, (Th. 1, S. 86 ff.) noch beizuziehen ist, mit Gedankenbestimmungen, also mit Formen der Allgemeinheit, durch- flochten. Der letzte Punkt scheint es noch insbesondere einleuchtend zu machen, daß die Religion in die Philosophie münden, also den zweiten Platz behaupten müsse. Allein wenn der Begriff des Schönen soweit entwickelt seyn wird, um ihn mit dem Verhalten der Religion vergleichen zu können, so wird sich ein ganz Anderes ergeben. Es wird sich, um davon vorläufig das Allgemeinste heraufzunehmen, nicht nur zeigen, daß in der Religion das Subjekt, sinnlich bestimmt, wie es ist, sich ein sinnlich bestimmtes, in eine Vielheit von Gestalten auseinandergezogenes Gegenbild gibt, wie in der Kunst, sondern auch, daß das Hereinnehmen in's Innere, wie es durch die Vorstellung und den Cultus vollzogen wird, sammt den hineingeflochtenen Reflexionsmomenten nur dazu dient, die Sinnlichkeit um so viel hartnäckiger zu fixiren, weil sie innerlich ge- setzt ist; es wird sich zeigen, daß in dieser primitiven, dieser Ur- und Kindheitsform des absoluten Geistes das Subject mit seinem Gegenbilde sich zu einem stoffartigen Knoten, dessen innerster Kern zugleich selbstlose Substantialität und zugleich ungebrochene Selbstsucht ist, zusammenschlingt.
Dagegen wird sich ergeben, daß das Schöne vor Allem deßwegen nach der Religion folgen muß, weil es die Vorstellungen derselben zwar nicht als den einzigen, wohl aber als den ersten und zunächst wichtigsten Stoff ihrer Thätigkeit voraussetzt, der Geschichte wie dem Begriffe nach, richtiger: der Geschichte weil dem Begriffe nach. Hegel selbst setzt in der Kunstlehre die Religion durchweg voraus, ja er bleibt nur zu sehr und auf Kosten der spezifischen Selbstständigkeit des Schönen in ihr stehen.
Wenn nun die Religion ihr Gegenbild wesentlich in's Innere her- einnimmt, so ist dagegen das Schöne durchaus thätig, das innerlich Gesetzte ganz und bestimmt in die Sinnenwelt hinauszustellen. Darum
gemeine Daſein, wodurch jener zugleich nothwendig in eine Vielheit ein- zelner Geſtalten zerſplittert wird. (Vgl. Encyclop. d. ph. W. §. 556. ff.) Die Religion dagegen hebt dieſe Unmittelbarkeit auf in der ihr eigenen Form des ſubjectiven Wiſſens: der Vorſtellung. Durch dieſe wird, was in der Kunſt ſinnliche Geſtalt war, ein inneres Bild; hiemit iſt der Gehalt zwar wiederum verendlicht, indem die innere Sinnlichkeit ihn unter Kategorien des Raums und der Zeit dem Selbſt gegenüberſtellt, aber dieſes innere Jenſeits wird „in dem Glauben an den Einen Geiſt und in der Andacht des Cultus auch aufgehoben“ (a. a. O. §. 565.), und, was aus der Religionsphiloſophie, (Th. 1, S. 86 ff.) noch beizuziehen iſt, mit Gedankenbeſtimmungen, alſo mit Formen der Allgemeinheit, durch- flochten. Der letzte Punkt ſcheint es noch insbeſondere einleuchtend zu machen, daß die Religion in die Philoſophie münden, alſo den zweiten Platz behaupten müſſe. Allein wenn der Begriff des Schönen ſoweit entwickelt ſeyn wird, um ihn mit dem Verhalten der Religion vergleichen zu können, ſo wird ſich ein ganz Anderes ergeben. Es wird ſich, um davon vorläufig das Allgemeinſte heraufzunehmen, nicht nur zeigen, daß in der Religion das Subjekt, ſinnlich beſtimmt, wie es iſt, ſich ein ſinnlich beſtimmtes, in eine Vielheit von Geſtalten auseinandergezogenes Gegenbild gibt, wie in der Kunſt, ſondern auch, daß das Hereinnehmen in’s Innere, wie es durch die Vorſtellung und den Cultus vollzogen wird, ſammt den hineingeflochtenen Reflexionsmomenten nur dazu dient, die Sinnlichkeit um ſo viel hartnäckiger zu fixiren, weil ſie innerlich ge- ſetzt iſt; es wird ſich zeigen, daß in dieſer primitiven, dieſer Ur- und Kindheitsform des abſoluten Geiſtes das Subject mit ſeinem Gegenbilde ſich zu einem ſtoffartigen Knoten, deſſen innerſter Kern zugleich ſelbſtloſe Subſtantialität und zugleich ungebrochene Selbſtſucht iſt, zuſammenſchlingt.
Dagegen wird ſich ergeben, daß das Schöne vor Allem deßwegen nach der Religion folgen muß, weil es die Vorſtellungen derſelben zwar nicht als den einzigen, wohl aber als den erſten und zunächſt wichtigſten Stoff ihrer Thätigkeit vorausſetzt, der Geſchichte wie dem Begriffe nach, richtiger: der Geſchichte weil dem Begriffe nach. Hegel ſelbſt ſetzt in der Kunſtlehre die Religion durchweg voraus, ja er bleibt nur zu ſehr und auf Koſten der ſpezifiſchen Selbſtſtändigkeit des Schönen in ihr ſtehen.
Wenn nun die Religion ihr Gegenbild weſentlich in’s Innere her- einnimmt, ſo iſt dagegen das Schöne durchaus thätig, das innerlich Geſetzte ganz und beſtimmt in die Sinnenwelt hinauszuſtellen. Darum
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gemeine Daſein, wodurch jener zugleich nothwendig in eine Vielheit ein-
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Die Religion dagegen hebt dieſe Unmittelbarkeit auf in der ihr eigenen
Form des ſubjectiven Wiſſens: der Vorſtellung. Durch dieſe wird, was
in der Kunſt ſinnliche Geſtalt war, ein inneres Bild; hiemit iſt der
Gehalt zwar wiederum verendlicht, indem die innere Sinnlichkeit ihn
unter Kategorien des Raums und der Zeit dem Selbſt gegenüberſtellt, aber
dieſes innere Jenſeits wird „in dem Glauben an den Einen Geiſt und
in der Andacht des Cultus auch aufgehoben“ (a. a. O. §. 565.),
und, was aus der Religionsphiloſophie, (Th. 1, S. 86 ff.) noch beizuziehen
iſt, mit Gedankenbeſtimmungen, alſo mit Formen der Allgemeinheit, durch-
flochten. Der letzte Punkt ſcheint es noch insbeſondere einleuchtend zu
machen, daß die Religion in die Philoſophie münden, alſo den zweiten
Platz behaupten müſſe. Allein wenn der Begriff des Schönen ſoweit
entwickelt ſeyn wird, um ihn mit dem Verhalten der Religion vergleichen
zu können, ſo wird ſich ein ganz Anderes ergeben. Es wird ſich, um
davon vorläufig das Allgemeinſte heraufzunehmen, nicht nur zeigen, daß
in der Religion das Subjekt, ſinnlich beſtimmt, wie es iſt, ſich ein
ſinnlich beſtimmtes, in eine Vielheit von Geſtalten auseinandergezogenes
Gegenbild gibt, wie in der Kunſt, ſondern auch, daß das Hereinnehmen
in’s Innere, wie es durch die Vorſtellung und den Cultus vollzogen
wird, ſammt den hineingeflochtenen Reflexionsmomenten nur dazu dient,
die Sinnlichkeit um ſo viel hartnäckiger zu fixiren, weil ſie innerlich ge-
ſetzt iſt; es wird ſich zeigen, daß in dieſer primitiven, dieſer Ur- und
Kindheitsform des abſoluten Geiſtes das Subject mit ſeinem Gegenbilde
ſich zu einem ſtoffartigen Knoten, deſſen innerſter Kern zugleich ſelbſtloſe
Subſtantialität und zugleich ungebrochene Selbſtſucht iſt, zuſammenſchlingt.
Dagegen wird ſich ergeben, daß das Schöne vor Allem deßwegen
nach der Religion folgen muß, weil es die Vorſtellungen derſelben
zwar nicht als den einzigen, wohl aber als den erſten und zunächſt
wichtigſten Stoff ihrer Thätigkeit vorausſetzt, der Geſchichte wie dem
Begriffe nach, richtiger: der Geſchichte weil dem Begriffe nach.
Hegel ſelbſt ſetzt in der Kunſtlehre die Religion durchweg voraus,
ja er bleibt nur zu ſehr und auf Koſten der ſpezifiſchen Selbſtſtändigkeit
des Schönen in ihr ſtehen.
Wenn nun die Religion ihr Gegenbild weſentlich in’s Innere her-
einnimmt, ſo iſt dagegen das Schöne durchaus thätig, das innerlich
Geſetzte ganz und beſtimmt in die Sinnenwelt hinauszuſtellen. Darum
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/37>, abgerufen am 23.11.2024.
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