Das absolut Erhabene, das uns aus der dialektischen Auflösung des subjectiv Erhabenen entsteht, wird nun sogleich als eine Bewegung, als ein Act aufgefaßt werden. Anders verfährt Bohtz (Ueber das Komische und die Komödie. Ein Beitrag zur Philosophie des Schönen S. 17 ff). Er führt als das absolut Erhabene den Gott ein und als dessen Thätigkeit läßt er erst das Tragische folgen. Er meint den griechischen Gott in seiner ungetrübten Seligkeit. Allein wie darf zwischen die Untersuchung der reinen allgemeinen Begriffe sogleich eine bestimmte Gestalt eines bestimmten Ideals eingeführt werden? Man könnte sagen, nicht der griechische Gott, wohl aber der christliche Gott müsse hier stehen und das Tragische als das Gesetz seiner Lenkung des Irdischen folgen. Allein auch der christliche Gott ist das Werk der Phantasie auf einer bestimmten Stufe des Ideals und gehört daher gar nicht in diesen Theil der Aesthetik. Denn dieser Theil hat es blos mit der Idee zu thun, wiefern sie in Individuen wirkt, welche der Gegenstand einer möglichen Erfahrung sind. Die reine Philosophie kennt keine Idee, welche anders wirklich ist, als in den Bedingungen des begrenzten Lebens; Ideen, welche als anders existirend vorgestellt werden, nämlich als einzelnes und doch unbedingtes Seyn, kennt sie blos als Phänomene des Bewußtseyns. Der Geist des Universums kann Gegen- stand der Anschauung nur seyn durch sein Wirken, also in der Bewegung der menschlichen Dinge. Der ganze Kreis aber von neuen Gegenständen der Aesthetik, welche die Religion als Glaube an transcendente Wesen der Kunst in die Hände liefert, gehört nicht hieher, sondern in die Lehre von der Phantasie. Wir werden in dem nun folgenden Abschnitte das ab- solut Erhabene auch Subject nennen, aber nicht im Sinne der Tran- scendenz. Die allgemeine Begriffslehre des Schönen wird durch fremd- artige dogmatische Bestandtheile aus den Fugen getrieben, wenn man Gestaltungen des rein Allgemeinen, wie sie durch die Religion gegeben sind, in sie aufnimmt und es leuchtet hier bereits ein, von welch wich- tiger Einwirkung die in §. 24 und 25 aufgestellten Sätze auf das ganze System sind. Gelegentlich mag hier eine Bemerkung über das Verhalten der kritischen Bildung zum religiösen Stoffe auch abgesehen vom ästhetischen Gebiete gemacht werden. Die Religion behauptet die ewigen Wahrheiten als Personen und Thatsachen; sie setzt sie dadurch in das Gebiet der einzelnen Erfahrung und sie muß es sich schlechter- dings gefallen lassen, wenn Jemand sagt: so etwas, wie du behauptest, müßte ich erst gesehen haben, wenn ich es glauben soll, und dem Berichte
Das abſolut Erhabene, das uns aus der dialektiſchen Auflöſung des ſubjectiv Erhabenen entſteht, wird nun ſogleich als eine Bewegung, als ein Act aufgefaßt werden. Anders verfährt Bohtz (Ueber das Komiſche und die Komödie. Ein Beitrag zur Philoſophie des Schönen S. 17 ff). Er führt als das abſolut Erhabene den Gott ein und als deſſen Thätigkeit läßt er erſt das Tragiſche folgen. Er meint den griechiſchen Gott in ſeiner ungetrübten Seligkeit. Allein wie darf zwiſchen die Unterſuchung der reinen allgemeinen Begriffe ſogleich eine beſtimmte Geſtalt eines beſtimmten Ideals eingeführt werden? Man könnte ſagen, nicht der griechiſche Gott, wohl aber der chriſtliche Gott müſſe hier ſtehen und das Tragiſche als das Geſetz ſeiner Lenkung des Irdiſchen folgen. Allein auch der chriſtliche Gott iſt das Werk der Phantaſie auf einer beſtimmten Stufe des Ideals und gehört daher gar nicht in dieſen Theil der Aeſthetik. Denn dieſer Theil hat es blos mit der Idee zu thun, wiefern ſie in Individuen wirkt, welche der Gegenſtand einer möglichen Erfahrung ſind. Die reine Philoſophie kennt keine Idee, welche anders wirklich iſt, als in den Bedingungen des begrenzten Lebens; Ideen, welche als anders exiſtirend vorgeſtellt werden, nämlich als einzelnes und doch unbedingtes Seyn, kennt ſie blos als Phänomene des Bewußtſeyns. Der Geiſt des Univerſums kann Gegen- ſtand der Anſchauung nur ſeyn durch ſein Wirken, alſo in der Bewegung der menſchlichen Dinge. Der ganze Kreis aber von neuen Gegenſtänden der Aeſthetik, welche die Religion als Glaube an tranſcendente Weſen der Kunſt in die Hände liefert, gehört nicht hieher, ſondern in die Lehre von der Phantaſie. Wir werden in dem nun folgenden Abſchnitte das ab- ſolut Erhabene auch Subject nennen, aber nicht im Sinne der Tran- ſcendenz. Die allgemeine Begriffslehre des Schönen wird durch fremd- artige dogmatiſche Beſtandtheile aus den Fugen getrieben, wenn man Geſtaltungen des rein Allgemeinen, wie ſie durch die Religion gegeben ſind, in ſie aufnimmt und es leuchtet hier bereits ein, von welch wich- tiger Einwirkung die in §. 24 und 25 aufgeſtellten Sätze auf das ganze Syſtem ſind. Gelegentlich mag hier eine Bemerkung über das Verhalten der kritiſchen Bildung zum religiöſen Stoffe auch abgeſehen vom äſthetiſchen Gebiete gemacht werden. Die Religion behauptet die ewigen Wahrheiten als Perſonen und Thatſachen; ſie ſetzt ſie dadurch in das Gebiet der einzelnen Erfahrung und ſie muß es ſich ſchlechter- dings gefallen laſſen, wenn Jemand ſagt: ſo etwas, wie du behaupteſt, müßte ich erſt geſehen haben, wenn ich es glauben ſoll, und dem Berichte
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Das abſolut Erhabene, das uns aus der dialektiſchen Auflöſung
des ſubjectiv Erhabenen entſteht, wird nun ſogleich als eine Bewegung,
als ein Act aufgefaßt werden. Anders verfährt Bohtz (Ueber das
Komiſche und die Komödie. Ein Beitrag zur Philoſophie des Schönen
S. 17 ff). Er führt als das abſolut Erhabene den Gott ein und
als deſſen Thätigkeit läßt er erſt das Tragiſche folgen. Er meint den
griechiſchen Gott in ſeiner ungetrübten Seligkeit. Allein wie darf zwiſchen
die Unterſuchung der reinen allgemeinen Begriffe ſogleich eine beſtimmte
Geſtalt eines beſtimmten Ideals eingeführt werden? Man könnte ſagen,
nicht der griechiſche Gott, wohl aber der chriſtliche Gott müſſe hier
ſtehen und das Tragiſche als das Geſetz ſeiner Lenkung des Irdiſchen
folgen. Allein auch der chriſtliche Gott iſt das Werk der Phantaſie auf
einer beſtimmten Stufe des Ideals und gehört daher gar nicht in dieſen
Theil der Aeſthetik. Denn dieſer Theil hat es blos mit der Idee zu
thun, wiefern ſie in Individuen wirkt, welche der Gegenſtand
einer möglichen Erfahrung ſind. Die reine Philoſophie kennt
keine Idee, welche anders wirklich iſt, als in den Bedingungen des
begrenzten Lebens; Ideen, welche als anders exiſtirend vorgeſtellt werden,
nämlich als einzelnes und doch unbedingtes Seyn, kennt ſie blos als
Phänomene des Bewußtſeyns. Der Geiſt des Univerſums kann Gegen-
ſtand der Anſchauung nur ſeyn durch ſein Wirken, alſo in der Bewegung
der menſchlichen Dinge. Der ganze Kreis aber von neuen Gegenſtänden
der Aeſthetik, welche die Religion als Glaube an tranſcendente Weſen
der Kunſt in die Hände liefert, gehört nicht hieher, ſondern in die Lehre
von der Phantaſie. Wir werden in dem nun folgenden Abſchnitte das ab-
ſolut Erhabene auch Subject nennen, aber nicht im Sinne der Tran-
ſcendenz. Die allgemeine Begriffslehre des Schönen wird durch fremd-
artige dogmatiſche Beſtandtheile aus den Fugen getrieben, wenn man
Geſtaltungen des rein Allgemeinen, wie ſie durch die Religion gegeben
ſind, in ſie aufnimmt und es leuchtet hier bereits ein, von welch wich-
tiger Einwirkung die in §. 24 und 25 aufgeſtellten Sätze auf das
ganze Syſtem ſind. Gelegentlich mag hier eine Bemerkung über das
Verhalten der kritiſchen Bildung zum religiöſen Stoffe auch abgeſehen
vom äſthetiſchen Gebiete gemacht werden. Die Religion behauptet die
ewigen Wahrheiten als Perſonen und Thatſachen; ſie ſetzt ſie dadurch
in das Gebiet der einzelnen Erfahrung und ſie muß es ſich ſchlechter-
dings gefallen laſſen, wenn Jemand ſagt: ſo etwas, wie du behaupteſt,
müßte ich erſt geſehen haben, wenn ich es glauben ſoll, und dem Berichte
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/290>, abgerufen am 23.11.2024.
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