Das ästhetische Gesetz verlangt, indem das Erhabene des Raums und der Zeit sich als erschöpft zeigt, eine Form, welche diese beiden ebensosehr setzt und in sich trägt, als auch über sie hinaus ist, indem sie, während sie sich ausdehnt, von sich als einem inneren Einheitspunkt ausgeht und in sich bleibt. Diese Form ist die Erscheinung der Kraft, welche sich ihr Organ bildet und dadurch den Raum erfüllt, aber, indem sie sich wesentlich als Bewegung äußert, den Raum in der Zeit, und ebenso, da sie in ihren Wechseln sich selbst gleich bleibt, die Zeit überwindet. Diese Form ist nicht mehr blos quantitativ, sondern qualitativ, doch so, daß das Qualitative vorerst an das Quantitative noch wesentlich gebunden bleibt, indem eines mit dem andern steigt und fällt. Als Lusterschütterung ist die Bewegung meist mit einem Schalle verbunden, daher das dynamisch Erhabene häufig, doch nicht immer akustisch.
Es darf nicht schlechthin ausgesprochen werden, daß die Kraft wesentlich an die eigentliche, sinnliche Quantität gebunden sey. Das Verhältniß verändert sich, wie sich zeigen wird. -- J. Paul will das dynamisch Erhabene, wie schon bemerkt, auf das Akustische zurückführen. Das Auge, sagt er, könne nur ein quantitatives Erhabene anschauen, die Intensität sey nicht für dasselbe. Allein ist die Straffheit der ruhenden Muskel und das Werk der Kraft, die Bewegung, [ni][ - 4 Zeichen fehlen] das Auge? J. Paul sagt, um von da auf die Kraft [zu][ - 5 Zeichen fehlen] sey erst ein Schluß aus Erfahrungen nöthig. Allein dies involvirte und verhüllte Schließen in der Sinnesanschauung darf durchaus keinen Anstand begründen, es ist in anderer Weise mit jeder verbunden und namentlich mit dem blosen Hören, das ja auch ein verhülltes Schließen von dem Schall auf seine Ursache ist. Es ist seltsam, sich durch eine solche Willkür die Aufnahme der besonders furchtbaren Wirkung einer stille heranrückenden Kraft in die vorliegende Sphäre abzuschneiden. Uebrigens ist die Bedeutung, welche das Gehör hier gewinnt, zugleich ein Zeichen, daß wir in einem höheren und mehr innerlichen Gebiete uns befinden.
γ. Das Erhabene der Kraft.
§. 95.
Das äſthetiſche Geſetz verlangt, indem das Erhabene des Raums und der Zeit ſich als erſchöpft zeigt, eine Form, welche dieſe beiden ebenſoſehr ſetzt und in ſich trägt, als auch über ſie hinaus iſt, indem ſie, während ſie ſich ausdehnt, von ſich als einem inneren Einheitspunkt ausgeht und in ſich bleibt. Dieſe Form iſt die Erſcheinung der Kraft, welche ſich ihr Organ bildet und dadurch den Raum erfüllt, aber, indem ſie ſich weſentlich als Bewegung äußert, den Raum in der Zeit, und ebenſo, da ſie in ihren Wechſeln ſich ſelbſt gleich bleibt, die Zeit überwindet. Dieſe Form iſt nicht mehr blos quantitativ, ſondern qualitativ, doch ſo, daß das Qualitative vorerſt an das Quantitative noch weſentlich gebunden bleibt, indem eines mit dem andern ſteigt und fällt. Als Luſterſchütterung iſt die Bewegung meiſt mit einem Schalle verbunden, daher das dynamiſch Erhabene häufig, doch nicht immer akuſtiſch.
Es darf nicht ſchlechthin ausgeſprochen werden, daß die Kraft weſentlich an die eigentliche, ſinnliche Quantität gebunden ſey. Das Verhältniß verändert ſich, wie ſich zeigen wird. — J. Paul will das dynamiſch Erhabene, wie ſchon bemerkt, auf das Akuſtiſche zurückführen. Das Auge, ſagt er, könne nur ein quantitatives Erhabene anſchauen, die Intenſität ſey nicht für daſſelbe. Allein iſt die Straffheit der ruhenden Muskel und das Werk der Kraft, die Bewegung, [ni][ – 4 Zeichen fehlen] das Auge? J. Paul ſagt, um von da auf die Kraft [zu][ – 5 Zeichen fehlen] ſey erſt ein Schluß aus Erfahrungen nöthig. Allein dies involvirte und verhüllte Schließen in der Sinnesanſchauung darf durchaus keinen Anſtand begründen, es iſt in anderer Weiſe mit jeder verbunden und namentlich mit dem bloſen Hören, das ja auch ein verhülltes Schließen von dem Schall auf ſeine Urſache iſt. Es iſt ſeltſam, ſich durch eine ſolche Willkür die Aufnahme der beſonders furchtbaren Wirkung einer ſtille heranrückenden Kraft in die vorliegende Sphäre abzuſchneiden. Uebrigens iſt die Bedeutung, welche das Gehör hier gewinnt, zugleich ein Zeichen, daß wir in einem höheren und mehr innerlichen Gebiete uns befinden.
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γ.
Das Erhabene der Kraft.
§. 95.
Das äſthetiſche Geſetz verlangt, indem das Erhabene des Raums und der
Zeit ſich als erſchöpft zeigt, eine Form, welche dieſe beiden ebenſoſehr ſetzt und
in ſich trägt, als auch über ſie hinaus iſt, indem ſie, während ſie ſich ausdehnt,
von ſich als einem inneren Einheitspunkt ausgeht und in ſich bleibt. Dieſe
Form iſt die Erſcheinung der Kraft, welche ſich ihr Organ bildet und dadurch
den Raum erfüllt, aber, indem ſie ſich weſentlich als Bewegung äußert, den
Raum in der Zeit, und ebenſo, da ſie in ihren Wechſeln ſich ſelbſt gleich bleibt,
die Zeit überwindet. Dieſe Form iſt nicht mehr blos quantitativ, ſondern
qualitativ, doch ſo, daß das Qualitative vorerſt an das Quantitative noch
weſentlich gebunden bleibt, indem eines mit dem andern ſteigt und fällt. Als
Luſterſchütterung iſt die Bewegung meiſt mit einem Schalle verbunden, daher
das dynamiſch Erhabene häufig, doch nicht immer akuſtiſch.
Es darf nicht ſchlechthin ausgeſprochen werden, daß die Kraft
weſentlich an die eigentliche, ſinnliche Quantität gebunden ſey. Das
Verhältniß verändert ſich, wie ſich zeigen wird. — J. Paul will das
dynamiſch Erhabene, wie ſchon bemerkt, auf das Akuſtiſche zurückführen.
Das Auge, ſagt er, könne nur ein quantitatives Erhabene anſchauen,
die Intenſität ſey nicht für daſſelbe. Allein iſt die Straffheit der
ruhenden Muskel und das Werk der Kraft, die Bewegung, ni____
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Anſtand begründen, es iſt in anderer Weiſe mit jeder verbunden und
namentlich mit dem bloſen Hören, das ja auch ein verhülltes Schließen
von dem Schall auf ſeine Urſache iſt. Es iſt ſeltſam, ſich durch eine
ſolche Willkür die Aufnahme der beſonders furchtbaren Wirkung einer
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Uebrigens iſt die Bedeutung, welche das Gehör hier gewinnt, zugleich
ein Zeichen, daß wir in einem höheren und mehr innerlichen Gebiete
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/256>, abgerufen am 22.11.2024.
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