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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846.

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lichenden Idee reichte hin, zu zeigen, daß alles Schöne sowohl sinnlich
als geistig, daß aber allerdings ein Stufen-Unterschied der Begeistung sey.
Im Erhabenen aber tritt ein negatives Verhältniß beider Momente ein;
jetzt fragt es sich, ob die zum Erhabenen geforderte Selbständigkeit der
Idee da vorhanden sey, wo die Idee in dem Außersichseyn des Raums
und der Zeit verloren ist oder nur erst als Selbstgefühl in sich zurück-
scheint. In dieser Sphäre der Idee entsteht die Frage, ob nicht dem
Gegenstande vom Subject erst so viel zu leihen sey, daß er in Wahrheit
gar kein Gegenstand ist, und wenn er es doch seyn soll, so entsteht jeden-
falls ein sehr scharfer Unterschied von Formen des Erhabenen. Wenn
daher nun ein Erhabenes der Natur und des Geistes wohl zu unterscheiden
ist, so wird jedoch dadurch der für den zweiten Theil bestimmten Lehre
vom Naturschönen nicht vorgegriffen. Das System bleibt, wie sich zeigen
wird, durch die nun folgenden Kategorien ganz im Allgemeinen, die
Frage nach dem Gegensatz von Natur oder subjectiver künstlerischer Thätig-
keit noch ganz ausgeschlossen (vergl. §. 17, 1); die Beispiele jedoch
können natürlich aus jeder Existenzform der wirklichen Schönheit be-
liebig gewählt werden. Um jedoch ein Mißverständniß zu vermeiden,
ist dem Ausdruck: Natur ein anderer, aus weiteren Gründen ohnedies
passenderer vorzuziehen.

a.
Das objectiv Erhabene.
§. 89.

Die Eintheilung stellt nach dem Gesetze alles Denkens und Seyns die
Form des Unmittelbaren oder Vorgefundenen als die erste, objective Form auf.
Das Vorgefundene ist ein Solches, welches der als Selbstbewußtseyn verwirk-
lichten Idee (§. 19) von außen begegnet und daher der Sphäre der Idee als
unbewußten Wirkens angehört. Da nun die das Wesen des Erhabenen be-
gründende Negation erst durch die Scheidung des Selbstbewußtseyns wahrhaft ein-
tritt, so scheint der Geist im Subjecte dem Object aus seinem Eigenen so viel
leihen zu müssen, daß dadurch dieses als solches aufgehoben wird. Allein es
bleibt ein wesentlicher Unterschied, ob das Subject das Erhabene da anschaut,
wo diese Leihung nöthig ist, oder da, wo sie nicht nöthig ist, und die Kate-

lichenden Idee reichte hin, zu zeigen, daß alles Schöne ſowohl ſinnlich
als geiſtig, daß aber allerdings ein Stufen-Unterſchied der Begeiſtung ſey.
Im Erhabenen aber tritt ein negatives Verhältniß beider Momente ein;
jetzt fragt es ſich, ob die zum Erhabenen geforderte Selbſtändigkeit der
Idee da vorhanden ſey, wo die Idee in dem Außerſichſeyn des Raums
und der Zeit verloren iſt oder nur erſt als Selbſtgefühl in ſich zurück-
ſcheint. In dieſer Sphäre der Idee entſteht die Frage, ob nicht dem
Gegenſtande vom Subject erſt ſo viel zu leihen ſey, daß er in Wahrheit
gar kein Gegenſtand iſt, und wenn er es doch ſeyn ſoll, ſo entſteht jeden-
falls ein ſehr ſcharfer Unterſchied von Formen des Erhabenen. Wenn
daher nun ein Erhabenes der Natur und des Geiſtes wohl zu unterſcheiden
iſt, ſo wird jedoch dadurch der für den zweiten Theil beſtimmten Lehre
vom Naturſchönen nicht vorgegriffen. Das Syſtem bleibt, wie ſich zeigen
wird, durch die nun folgenden Kategorien ganz im Allgemeinen, die
Frage nach dem Gegenſatz von Natur oder ſubjectiver künſtleriſcher Thätig-
keit noch ganz ausgeſchloſſen (vergl. §. 17, 1); die Beiſpiele jedoch
können natürlich aus jeder Exiſtenzform der wirklichen Schönheit be-
liebig gewählt werden. Um jedoch ein Mißverſtändniß zu vermeiden,
iſt dem Ausdruck: Natur ein anderer, aus weiteren Gründen ohnedies
paſſenderer vorzuziehen.

a.
Das objectiv Erhabene.
§. 89.

Die Eintheilung ſtellt nach dem Geſetze alles Denkens und Seyns die
Form des Unmittelbaren oder Vorgefundenen als die erſte, objective Form auf.
Das Vorgefundene iſt ein Solches, welches der als Selbſtbewußtſeyn verwirk-
lichten Idee (§. 19) von außen begegnet und daher der Sphäre der Idee als
unbewußten Wirkens angehört. Da nun die das Weſen des Erhabenen be-
gründende Negation erſt durch die Scheidung des Selbſtbewußtſeyns wahrhaft ein-
tritt, ſo ſcheint der Geiſt im Subjecte dem Object aus ſeinem Eigenen ſo viel
leihen zu müſſen, daß dadurch dieſes als ſolches aufgehoben wird. Allein es
bleibt ein weſentlicher Unterſchied, ob das Subject das Erhabene da anſchaut,
wo dieſe Leihung nöthig iſt, oder da, wo ſie nicht nöthig iſt, und die Kate-

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[231/0245] lichenden Idee reichte hin, zu zeigen, daß alles Schöne ſowohl ſinnlich als geiſtig, daß aber allerdings ein Stufen-Unterſchied der Begeiſtung ſey. Im Erhabenen aber tritt ein negatives Verhältniß beider Momente ein; jetzt fragt es ſich, ob die zum Erhabenen geforderte Selbſtändigkeit der Idee da vorhanden ſey, wo die Idee in dem Außerſichſeyn des Raums und der Zeit verloren iſt oder nur erſt als Selbſtgefühl in ſich zurück- ſcheint. In dieſer Sphäre der Idee entſteht die Frage, ob nicht dem Gegenſtande vom Subject erſt ſo viel zu leihen ſey, daß er in Wahrheit gar kein Gegenſtand iſt, und wenn er es doch ſeyn ſoll, ſo entſteht jeden- falls ein ſehr ſcharfer Unterſchied von Formen des Erhabenen. Wenn daher nun ein Erhabenes der Natur und des Geiſtes wohl zu unterſcheiden iſt, ſo wird jedoch dadurch der für den zweiten Theil beſtimmten Lehre vom Naturſchönen nicht vorgegriffen. Das Syſtem bleibt, wie ſich zeigen wird, durch die nun folgenden Kategorien ganz im Allgemeinen, die Frage nach dem Gegenſatz von Natur oder ſubjectiver künſtleriſcher Thätig- keit noch ganz ausgeſchloſſen (vergl. §. 17, 1); die Beiſpiele jedoch können natürlich aus jeder Exiſtenzform der wirklichen Schönheit be- liebig gewählt werden. Um jedoch ein Mißverſtändniß zu vermeiden, iſt dem Ausdruck: Natur ein anderer, aus weiteren Gründen ohnedies paſſenderer vorzuziehen. a. Das objectiv Erhabene. §. 89. Die Eintheilung ſtellt nach dem Geſetze alles Denkens und Seyns die Form des Unmittelbaren oder Vorgefundenen als die erſte, objective Form auf. Das Vorgefundene iſt ein Solches, welches der als Selbſtbewußtſeyn verwirk- lichten Idee (§. 19) von außen begegnet und daher der Sphäre der Idee als unbewußten Wirkens angehört. Da nun die das Weſen des Erhabenen be- gründende Negation erſt durch die Scheidung des Selbſtbewußtſeyns wahrhaft ein- tritt, ſo ſcheint der Geiſt im Subjecte dem Object aus ſeinem Eigenen ſo viel leihen zu müſſen, daß dadurch dieſes als ſolches aufgehoben wird. Allein es bleibt ein weſentlicher Unterſchied, ob das Subject das Erhabene da anſchaut, wo dieſe Leihung nöthig iſt, oder da, wo ſie nicht nöthig iſt, und die Kate-

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/245>, abgerufen am 28.11.2024.