dings in die theoretische Philosophie, Kant selbst legt jedoch das Haupt- gewicht auf ihre Bedeutung als Uebergangsglied zur praktischen, was Krug mit einem schwachen "gleichsam" (S. 8.) nachspricht. Hievon im folgenden Paragraphen. Die Unrichtigkeit dieser ganzen Stellung aber erhellt aus §. 1, 3. Das Schöne wird sich entwickeln als ein Inhalt, welcher wesentlich selbst Subject ist, mag man ihn nun fassen als einen Gegenstand, der zwar zunächst als ein vorgefundener an das Subject tritt, aber nicht als ein schöner vor es träte, wenn es nicht eine gewisse Art ihn zu schauen mitbrächte, oder als Gegenstand, den das Subject durch eine wirkliche Thätigkeit erst hervorbringt. Es wird sich im Verlaufe zeigen, daß diese beiden Arten, ihn zu fassen, nach einander in ihre Wahrheit treten. Allerdings aber stellt sich der Gegensatz von Subject und Object ein, wenn nun die Frage entsteht, wie der schöne Gegenstand, mag er auch durch eigentliche Thätigkeit eines Subjects entstanden seyn, auf andere Subjecte, die ihn in diesem Sinne nicht hervorgebracht haben, wirke. Aber auch diese Wirkung wird sich als eine solche erweisen, worin Subject und Objekt auf eine Weise zusammen- gehen, welche den theoretischen Standpunkt, der sich gegenüber ein selbst- ständiges Object annimmt, völlig ausschließt. Hegel gewinnt den Stand- punkt für das Schöne geradezu durch Auflösung des theoretischen wie des praktischen Verhaltens (Aesthetik 1, S. 145. ff).
2 Solger: "Die Kunst soll etwas hervorbringen, was als Gegen- stand einer solchen Darstellungsart noch nicht vorhanden war; sie bringt etwas aus dem Gedanken hervor, das sie in die Objecte verpflanzt, das aber durch diese selbst niemals gegeben ist, sondern einzig und allein aus dem Bewußtseyn erzeugt wird. Indem wir nun unsere Gedanken an äußern Objecten darstellen, so handeln wir. Daher gehört die Kunst in die praktische Philosophie" (Vorlesungen über Aesth. Herausgeg. v. Heyse S. 3. 4.). Faßt man das Wort: Darstellen im weitesten Sinne, so ist allerdings auch das Handeln ein Darstellen; sobald man aber die Be- zeichnungen genauer nimmt, so fallen die Begriffe des Darstellens und des Handelns zwar unter den gemeinsamen Begriff der Thätigkeit, sind aber von einander sehr verschieden. Das Handeln ist eine Thätigkeit, welche von dem Zwiespalte zwischen Subject und Object ausgeht und mitten im Drange des Zweckes steht, der noch nicht verwirklicht ist, sondern erst verwirklicht werden soll; das Darstellen ist über diesen Zwie- spalt hinaus, ein Inneres wird aus freier Nothwendigkeit und in vollem Flusse zu einem Aeußeren, nicht mit der Absicht, die Außenwelt materiell
dings in die theoretiſche Philoſophie, Kant ſelbſt legt jedoch das Haupt- gewicht auf ihre Bedeutung als Uebergangsglied zur praktiſchen, was Krug mit einem ſchwachen „gleichſam“ (S. 8.) nachſpricht. Hievon im folgenden Paragraphen. Die Unrichtigkeit dieſer ganzen Stellung aber erhellt aus §. 1, 3. Das Schöne wird ſich entwickeln als ein Inhalt, welcher weſentlich ſelbſt Subject iſt, mag man ihn nun faſſen als einen Gegenſtand, der zwar zunächſt als ein vorgefundener an das Subject tritt, aber nicht als ein ſchöner vor es träte, wenn es nicht eine gewiſſe Art ihn zu ſchauen mitbrächte, oder als Gegenſtand, den das Subject durch eine wirkliche Thätigkeit erſt hervorbringt. Es wird ſich im Verlaufe zeigen, daß dieſe beiden Arten, ihn zu faſſen, nach einander in ihre Wahrheit treten. Allerdings aber ſtellt ſich der Gegenſatz von Subject und Object ein, wenn nun die Frage entſteht, wie der ſchöne Gegenſtand, mag er auch durch eigentliche Thätigkeit eines Subjects entſtanden ſeyn, auf andere Subjecte, die ihn in dieſem Sinne nicht hervorgebracht haben, wirke. Aber auch dieſe Wirkung wird ſich als eine ſolche erweiſen, worin Subject und Objekt auf eine Weiſe zuſammen- gehen, welche den theoretiſchen Standpunkt, der ſich gegenüber ein ſelbſt- ſtändiges Object annimmt, völlig ausſchließt. Hegel gewinnt den Stand- punkt für das Schöne geradezu durch Auflöſung des theoretiſchen wie des praktiſchen Verhaltens (Aeſthetik 1, S. 145. ff).
2 Solger: „Die Kunſt ſoll etwas hervorbringen, was als Gegen- ſtand einer ſolchen Darſtellungsart noch nicht vorhanden war; ſie bringt etwas aus dem Gedanken hervor, das ſie in die Objecte verpflanzt, das aber durch dieſe ſelbſt niemals gegeben iſt, ſondern einzig und allein aus dem Bewußtſeyn erzeugt wird. Indem wir nun unſere Gedanken an äußern Objecten darſtellen, ſo handeln wir. Daher gehört die Kunſt in die praktiſche Philoſophie“ (Vorleſungen über Aeſth. Herausgeg. v. Heyſe S. 3. 4.). Faßt man das Wort: Darſtellen im weiteſten Sinne, ſo iſt allerdings auch das Handeln ein Darſtellen; ſobald man aber die Be- zeichnungen genauer nimmt, ſo fallen die Begriffe des Darſtellens und des Handelns zwar unter den gemeinſamen Begriff der Thätigkeit, ſind aber von einander ſehr verſchieden. Das Handeln iſt eine Thätigkeit, welche von dem Zwieſpalte zwiſchen Subject und Object ausgeht und mitten im Drange des Zweckes ſteht, der noch nicht verwirklicht iſt, ſondern erſt verwirklicht werden ſoll; das Darſtellen iſt über dieſen Zwie- ſpalt hinaus, ein Inneres wird aus freier Nothwendigkeit und in vollem Fluſſe zu einem Aeußeren, nicht mit der Abſicht, die Außenwelt materiell
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[9/0023]
dings in die theoretiſche Philoſophie, Kant ſelbſt legt jedoch das Haupt-
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im folgenden Paragraphen. Die Unrichtigkeit dieſer ganzen Stellung
aber erhellt aus §. 1, 3. Das Schöne wird ſich entwickeln als ein
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als einen Gegenſtand, der zwar zunächſt als ein vorgefundener an das
Subject tritt, aber nicht als ein ſchöner vor es träte, wenn es nicht eine
gewiſſe Art ihn zu ſchauen mitbrächte, oder als Gegenſtand, den das
Subject durch eine wirkliche Thätigkeit erſt hervorbringt. Es wird ſich
im Verlaufe zeigen, daß dieſe beiden Arten, ihn zu faſſen, nach einander
in ihre Wahrheit treten. Allerdings aber ſtellt ſich der Gegenſatz von
Subject und Object ein, wenn nun die Frage entſteht, wie der ſchöne
Gegenſtand, mag er auch durch eigentliche Thätigkeit eines Subjects
entſtanden ſeyn, auf andere Subjecte, die ihn in dieſem Sinne nicht
hervorgebracht haben, wirke. Aber auch dieſe Wirkung wird ſich als eine
ſolche erweiſen, worin Subject und Objekt auf eine Weiſe zuſammen-
gehen, welche den theoretiſchen Standpunkt, der ſich gegenüber ein ſelbſt-
ſtändiges Object annimmt, völlig ausſchließt. Hegel gewinnt den Stand-
punkt für das Schöne geradezu durch Auflöſung des theoretiſchen wie
des praktiſchen Verhaltens (Aeſthetik 1, S. 145. ff).
2 Solger: „Die Kunſt ſoll etwas hervorbringen, was als Gegen-
ſtand einer ſolchen Darſtellungsart noch nicht vorhanden war; ſie bringt
etwas aus dem Gedanken hervor, das ſie in die Objecte verpflanzt, das
aber durch dieſe ſelbſt niemals gegeben iſt, ſondern einzig und allein aus
dem Bewußtſeyn erzeugt wird. Indem wir nun unſere Gedanken an
äußern Objecten darſtellen, ſo handeln wir. Daher gehört die Kunſt in
die praktiſche Philoſophie“ (Vorleſungen über Aeſth. Herausgeg. v. Heyſe
S. 3. 4.). Faßt man das Wort: Darſtellen im weiteſten Sinne, ſo iſt
allerdings auch das Handeln ein Darſtellen; ſobald man aber die Be-
zeichnungen genauer nimmt, ſo fallen die Begriffe des Darſtellens und
des Handelns zwar unter den gemeinſamen Begriff der Thätigkeit, ſind
aber von einander ſehr verſchieden. Das Handeln iſt eine Thätigkeit,
welche von dem Zwieſpalte zwiſchen Subject und Object ausgeht und
mitten im Drange des Zweckes ſteht, der noch nicht verwirklicht iſt,
ſondern erſt verwirklicht werden ſoll; das Darſtellen iſt über dieſen Zwie-
ſpalt hinaus, ein Inneres wird aus freier Nothwendigkeit und in vollem
Fluſſe zu einem Aeußeren, nicht mit der Abſicht, die Außenwelt materiell
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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