begründen soll. Kant sagt, das ästhetische Urtheil könne nur als einzelnes Urtheil allgemeine Gültigkeit haben, weil nämlich hier die begriffsmäßige, logische Allgemeinheit keine Anwendung finde. Es muß ein Object gegeben seyn, und je von dem vorliegenden Objecte wird ausgesagt, es sey schön, und dieses Urtheil allen Andern angesonnen; (durch Ansinnen nämlich bezeichnet Kant den Anspruch des ästhetischen Wohlgefallens auf allgemeine Einstimmung, im Gegensatz gegen Postuliren, vergl. a. a. O. §. 8 and.). Diese Allgemeingültigkeit ist apriorisch, denn man fordert sie, ohne die Zustimmung abzuwarten, ohne durch Stimmen- sammlung und Herumfragen sich ihrer zu versichern; aber sie beruht nicht auf logischen Beweisgründen a priori. Nun, meint man, komme endlich das Wahre, nämlich eine objective Bestimmung, d. h. die Be- stimmung, daß zwar nicht der ästhetisch Gestimmte selbst, wohl aber der, welcher über ihn und den Gegenstand begriffmäßig denkt und sowohl den Gegenstand als diese Stimmung in ihren Elementen aufweist, logisch beweisen könne, daß und warum dieser Gegenstand schön sey und schön gefunden werden müsse, wodurch dann dasjenige durch Begriffe begründet würde, was der Erstere ohne Begriffe fordert. "Was sollte man nun anders vermuthen, als daß die Schönheit für eine Eigenschaft der Blume selbst gehalten werden müsse?" Aber wie- der: "es verhält sich nicht so" -- denn -- "das Geschmacksurtheil grün- det sich gar nicht auf Begriffe." Freilich gründet es sich nicht auf Be- griffe, aber der Begreifende kommt darüber und begründet durch ein zweites Urtheil, was der Genießende durch sein -- rein ästhetisches -- Urtheil nicht begründen konnte. So kommt Kant hier wieder auf seinen "Ge- meinsinn" hinaus und man erfährt nie, warum denn dieser Gegen- stand, ein anderer nicht, diesen Gemeinsinn in Thätigkeit setze, was denn in diesem Gegenstande es sey, wodurch er jenes Spiel der Erkennt- nißkräfte hervorrufe. Es fehlt überall die Idee der Schönheit, welche ebenso objectiv wie subjectiv ist, sich in Gegenständen niederschlägt und aus diesen in Subjecten reflectirt. Daß der objective Niederschlag in Wahrheit selbst das Werk des Subjects ist, -- wie sich im Verlaufe des Systems zeigen wird und wie Kant in §. 36 durch den Ausdruck: die ästhetische Urtheilskraft sey sich selbst Gegenstand und Gesetz, geistreich, aber ohne Bewußtseyn der Consequenz andeutet, -- dies geht uns hier nichts an, denn jedenfalls nicht im Sinne Kants, wie er sich dessen bewußt ist, ist dies wahr, welcher vom subjectiven Momente ja doch nur in der Bedeutung handelt, daß er ein vorgefundenes Object
begründen ſoll. Kant ſagt, das äſthetiſche Urtheil könne nur als einzelnes Urtheil allgemeine Gültigkeit haben, weil nämlich hier die begriffsmäßige, logiſche Allgemeinheit keine Anwendung finde. Es muß ein Object gegeben ſeyn, und je von dem vorliegenden Objecte wird ausgeſagt, es ſey ſchön, und dieſes Urtheil allen Andern angeſonnen; (durch Anſinnen nämlich bezeichnet Kant den Anſpruch des äſthetiſchen Wohlgefallens auf allgemeine Einſtimmung, im Gegenſatz gegen Poſtuliren, vergl. a. a. O. §. 8 and.). Dieſe Allgemeingültigkeit iſt aprioriſch, denn man fordert ſie, ohne die Zuſtimmung abzuwarten, ohne durch Stimmen- ſammlung und Herumfragen ſich ihrer zu verſichern; aber ſie beruht nicht auf logiſchen Beweisgründen a priori. Nun, meint man, komme endlich das Wahre, nämlich eine objective Beſtimmung, d. h. die Be- ſtimmung, daß zwar nicht der äſthetiſch Geſtimmte ſelbſt, wohl aber der, welcher über ihn und den Gegenſtand begriffmäßig denkt und ſowohl den Gegenſtand als dieſe Stimmung in ihren Elementen aufweist, logiſch beweiſen könne, daß und warum dieſer Gegenſtand ſchön ſey und ſchön gefunden werden müſſe, wodurch dann dasjenige durch Begriffe begründet würde, was der Erſtere ohne Begriffe fordert. „Was ſollte man nun anders vermuthen, als daß die Schönheit für eine Eigenſchaft der Blume ſelbſt gehalten werden müſſe?“ Aber wie- der: „es verhält ſich nicht ſo“ — denn — „das Geſchmacksurtheil grün- det ſich gar nicht auf Begriffe.“ Freilich gründet es ſich nicht auf Be- griffe, aber der Begreifende kommt darüber und begründet durch ein zweites Urtheil, was der Genießende durch ſein — rein äſthetiſches — Urtheil nicht begründen konnte. So kommt Kant hier wieder auf ſeinen „Ge- meinſinn“ hinaus und man erfährt nie, warum denn dieſer Gegen- ſtand, ein anderer nicht, dieſen Gemeinſinn in Thätigkeit ſetze, was denn in dieſem Gegenſtande es ſey, wodurch er jenes Spiel der Erkennt- nißkräfte hervorrufe. Es fehlt überall die Idee der Schönheit, welche ebenſo objectiv wie ſubjectiv iſt, ſich in Gegenſtänden niederſchlägt und aus dieſen in Subjecten reflectirt. Daß der objective Niederſchlag in Wahrheit ſelbſt das Werk des Subjects iſt, — wie ſich im Verlaufe des Syſtems zeigen wird und wie Kant in §. 36 durch den Ausdruck: die äſthetiſche Urtheilskraft ſey ſich ſelbſt Gegenſtand und Geſetz, geiſtreich, aber ohne Bewußtſeyn der Conſequenz andeutet, — dies geht uns hier nichts an, denn jedenfalls nicht im Sinne Kants, wie er ſich deſſen bewußt iſt, iſt dies wahr, welcher vom ſubjectiven Momente ja doch nur in der Bedeutung handelt, daß er ein vorgefundenes Object
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begründen ſoll. Kant ſagt, das äſthetiſche Urtheil könne nur als
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ein Object gegeben ſeyn, und je von dem vorliegenden Objecte wird
ausgeſagt, es ſey ſchön, und dieſes Urtheil allen Andern angeſonnen;
(durch Anſinnen nämlich bezeichnet Kant den Anſpruch des äſthetiſchen
Wohlgefallens auf allgemeine Einſtimmung, im Gegenſatz gegen Poſtuliren,
vergl. a. a. O. §. 8 and.). Dieſe Allgemeingültigkeit iſt aprioriſch, denn
man fordert ſie, ohne die Zuſtimmung abzuwarten, ohne durch Stimmen-
ſammlung und Herumfragen ſich ihrer zu verſichern; aber ſie beruht
nicht auf logiſchen Beweisgründen a priori. Nun, meint man, komme
endlich das Wahre, nämlich eine objective Beſtimmung, d. h. die Be-
ſtimmung, daß zwar nicht der äſthetiſch Geſtimmte ſelbſt, wohl
aber der, welcher über ihn und den Gegenſtand begriffmäßig denkt
und ſowohl den Gegenſtand als dieſe Stimmung in ihren Elementen
aufweist, logiſch beweiſen könne, daß und warum dieſer Gegenſtand
ſchön ſey und ſchön gefunden werden müſſe, wodurch dann dasjenige
durch Begriffe begründet würde, was der Erſtere ohne Begriffe fordert.
„Was ſollte man nun anders vermuthen, als daß die Schönheit für
eine Eigenſchaft der Blume ſelbſt gehalten werden müſſe?“ Aber wie-
der: „es verhält ſich nicht ſo“ — denn — „das Geſchmacksurtheil grün-
det ſich gar nicht auf Begriffe.“ Freilich gründet es ſich nicht auf Be-
griffe, aber der Begreifende kommt darüber und begründet durch ein
zweites Urtheil, was der Genießende durch ſein — rein äſthetiſches — Urtheil
nicht begründen konnte. So kommt Kant hier wieder auf ſeinen „Ge-
meinſinn“ hinaus und man erfährt nie, warum denn dieſer Gegen-
ſtand, ein anderer nicht, dieſen Gemeinſinn in Thätigkeit ſetze, was
denn in dieſem Gegenſtande es ſey, wodurch er jenes Spiel der Erkennt-
nißkräfte hervorrufe. Es fehlt überall die Idee der Schönheit, welche
ebenſo objectiv wie ſubjectiv iſt, ſich in Gegenſtänden niederſchlägt und
aus dieſen in Subjecten reflectirt. Daß der objective Niederſchlag in
Wahrheit ſelbſt das Werk des Subjects iſt, — wie ſich im Verlaufe
des Syſtems zeigen wird und wie Kant in §. 36 durch den Ausdruck:
die äſthetiſche Urtheilskraft ſey ſich ſelbſt Gegenſtand und Geſetz,
geiſtreich, aber ohne Bewußtſeyn der Conſequenz andeutet, — dies geht
uns hier nichts an, denn jedenfalls nicht im Sinne Kants, wie er ſich
deſſen bewußt iſt, iſt dies wahr, welcher vom ſubjectiven Momente ja
doch nur in der Bedeutung handelt, daß er ein vorgefundenes Object
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/222>, abgerufen am 12.12.2024.
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