Kategorie vorbringt. Was diesen Begriff anlangt, so wird er an seinem Orte genauer betrachtet werden; er besagt mehr, als alle Bestimmungen, die hier erst in Betracht kommen. Nach so scharfsinnigen Erörterungen geräth nun aber Burke in einen Sensualismus der schlimmsten Art. Er hat (im ersten Th. s. Schr.) den Ausgang von den Trieben der Selbst- erhaltung und der Geselligkeit genommen; das Erhabene erschüttert jenen, das Schöne schmeichelt diesem. Dieser Dualismus der Triebe als ästhetisches Prinzip ist schon dadurch Ursache des Unrichtigen, weil dadurch das Erhabene und Schöne sogleich getrennt und daher diesem seine Hohheit genommen wird. Nun aber läßt Burke weiterhin das Psychische einfach fallen, deutet (Th. 2. Abschn. 12) nur an, das Schöne (und Erhabene) wirke durch die Sinne "mechanisch" auf die Seele, und fällt nun ganz in's Physiologische, was allerdings wesentlich ist im Schönen, aber nicht in diesem groben Sinne, wie bei Burke, der sofort das Schöne und Erhabene als bestimmte Eigenschaft der Körper als solcher auffaßt, wodurch sie so auf die Nerven wirken, daß sie (als erhabene) wohlthätig anspannen, erschüttern und von gefährlichen und beschwerlichen Verstopfungen reinigen (Th. 3. Abschn. 7), oder (als schöne) die Fibern losspannen und durch- aus eine angenehme Erschlaffung und Auflösung hervorbringen (Th. 3. Abschn. 19). -- Und nun wird aufgestellt: schöne Körper müssen klein, von glatter Oberfläche, ferner von stufenweise abwechselnder (Hogarths Ansicht von der Wellenlinie wird gebilligt, nur für zu eng erklärt), zart und delicat seyn. Dann geht er auf die Farben über, verlangt Reinheit, sanften Ton oder Dämpfung des starken durch Zusammenstellung, fließende Uebergänge, sagt aber kein Wort darüber, daß und warum Farben für sich nicht schön, sondern nur angenehm heißen können, sondern sich an einem Körper zu einer Gesammtwirkung vereinigen müssen. Zusammen- hangslos springt er auf die Physiognomie über, fordert einen sanften Seelen-Ausdruck, führt aber, nachdem er diesen Gegenstand verlassen hat, sogar eine Schönheit für den Tastsinn auf, wo er zum Glatten, zur sanften Abwechslung der Oberfläche das Weiche und Warme fügt, und sucht endlich alle diese Eigenschaften bildlich gewendet auch für die Schönheit der musikalischen Töne geltend zu machen. Das Erhabene fordert natürlich überall die entgegengesetzten Eigenschaften. Ganz am Schluße kommt er auf die Kunst der inneren Vorstellung, auf die Poesie; er ist aber der Meinung, das Wort wirke nicht durch Vergegenwärtigung der Sache als inneres Bild ästhetisch, sondern nur durch die Gewohnheit der Verbindung gewisser Empfindungen mit demselben, wo denn nur von Rührung über-
Kategorie vorbringt. Was dieſen Begriff anlangt, ſo wird er an ſeinem Orte genauer betrachtet werden; er beſagt mehr, als alle Beſtimmungen, die hier erſt in Betracht kommen. Nach ſo ſcharfſinnigen Erörterungen geräth nun aber Burke in einen Senſualismus der ſchlimmſten Art. Er hat (im erſten Th. ſ. Schr.) den Ausgang von den Trieben der Selbſt- erhaltung und der Geſelligkeit genommen; das Erhabene erſchüttert jenen, das Schöne ſchmeichelt dieſem. Dieſer Dualismus der Triebe als äſthetiſches Prinzip iſt ſchon dadurch Urſache des Unrichtigen, weil dadurch das Erhabene und Schöne ſogleich getrennt und daher dieſem ſeine Hohheit genommen wird. Nun aber läßt Burke weiterhin das Pſychiſche einfach fallen, deutet (Th. 2. Abſchn. 12) nur an, das Schöne (und Erhabene) wirke durch die Sinne „mechaniſch“ auf die Seele, und fällt nun ganz in’s Phyſiologiſche, was allerdings weſentlich iſt im Schönen, aber nicht in dieſem groben Sinne, wie bei Burke, der ſofort das Schöne und Erhabene als beſtimmte Eigenſchaft der Körper als ſolcher auffaßt, wodurch ſie ſo auf die Nerven wirken, daß ſie (als erhabene) wohlthätig anſpannen, erſchüttern und von gefährlichen und beſchwerlichen Verſtopfungen reinigen (Th. 3. Abſchn. 7), oder (als ſchöne) die Fibern losſpannen und durch- aus eine angenehme Erſchlaffung und Auflöſung hervorbringen (Th. 3. Abſchn. 19). — Und nun wird aufgeſtellt: ſchöne Körper müſſen klein, von glatter Oberfläche, ferner von ſtufenweiſe abwechſelnder (Hogarths Anſicht von der Wellenlinie wird gebilligt, nur für zu eng erklärt), zart und delicat ſeyn. Dann geht er auf die Farben über, verlangt Reinheit, ſanften Ton oder Dämpfung des ſtarken durch Zuſammenſtellung, fließende Uebergänge, ſagt aber kein Wort darüber, daß und warum Farben für ſich nicht ſchön, ſondern nur angenehm heißen können, ſondern ſich an einem Körper zu einer Geſammtwirkung vereinigen müſſen. Zuſammen- hangslos ſpringt er auf die Phyſiognomie über, fordert einen ſanften Seelen-Ausdruck, führt aber, nachdem er dieſen Gegenſtand verlaſſen hat, ſogar eine Schönheit für den Taſtſinn auf, wo er zum Glatten, zur ſanften Abwechslung der Oberfläche das Weiche und Warme fügt, und ſucht endlich alle dieſe Eigenſchaften bildlich gewendet auch für die Schönheit der muſikaliſchen Töne geltend zu machen. Das Erhabene fordert natürlich überall die entgegengeſetzten Eigenſchaften. Ganz am Schluße kommt er auf die Kunſt der inneren Vorſtellung, auf die Poeſie; er iſt aber der Meinung, das Wort wirke nicht durch Vergegenwärtigung der Sache als inneres Bild äſthetiſch, ſondern nur durch die Gewohnheit der Verbindung gewiſſer Empfindungen mit demſelben, wo denn nur von Rührung über-
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Kategorie vorbringt. Was dieſen Begriff anlangt, ſo wird er an ſeinem
Orte genauer betrachtet werden; er beſagt mehr, als alle Beſtimmungen,
die hier erſt in Betracht kommen. Nach ſo ſcharfſinnigen Erörterungen
geräth nun aber Burke in einen Senſualismus der ſchlimmſten Art. Er
hat (im erſten Th. ſ. Schr.) den Ausgang von den Trieben der Selbſt-
erhaltung und der Geſelligkeit genommen; das Erhabene erſchüttert jenen,
das Schöne ſchmeichelt dieſem. Dieſer Dualismus der Triebe als
äſthetiſches Prinzip iſt ſchon dadurch Urſache des Unrichtigen, weil dadurch
das Erhabene und Schöne ſogleich getrennt und daher dieſem ſeine Hohheit
genommen wird. Nun aber läßt Burke weiterhin das Pſychiſche einfach
fallen, deutet (Th. 2. Abſchn. 12) nur an, das Schöne (und Erhabene)
wirke durch die Sinne „mechaniſch“ auf die Seele, und fällt nun ganz in’s
Phyſiologiſche, was allerdings weſentlich iſt im Schönen, aber nicht in
dieſem groben Sinne, wie bei Burke, der ſofort das Schöne und Erhabene
als beſtimmte Eigenſchaft der Körper als ſolcher auffaßt, wodurch ſie ſo
auf die Nerven wirken, daß ſie (als erhabene) wohlthätig anſpannen,
erſchüttern und von gefährlichen und beſchwerlichen Verſtopfungen reinigen
(Th. 3. Abſchn. 7), oder (als ſchöne) die Fibern losſpannen und durch-
aus eine angenehme Erſchlaffung und Auflöſung hervorbringen (Th. 3.
Abſchn. 19). — Und nun wird aufgeſtellt: ſchöne Körper müſſen klein,
von glatter Oberfläche, ferner von ſtufenweiſe abwechſelnder (Hogarths
Anſicht von der Wellenlinie wird gebilligt, nur für zu eng erklärt), zart
und delicat ſeyn. Dann geht er auf die Farben über, verlangt Reinheit,
ſanften Ton oder Dämpfung des ſtarken durch Zuſammenſtellung, fließende
Uebergänge, ſagt aber kein Wort darüber, daß und warum Farben für
ſich nicht ſchön, ſondern nur angenehm heißen können, ſondern ſich an
einem Körper zu einer Geſammtwirkung vereinigen müſſen. Zuſammen-
hangslos ſpringt er auf die Phyſiognomie über, fordert einen ſanften
Seelen-Ausdruck, führt aber, nachdem er dieſen Gegenſtand verlaſſen hat,
ſogar eine Schönheit für den Taſtſinn auf, wo er zum Glatten, zur ſanften
Abwechslung der Oberfläche das Weiche und Warme fügt, und ſucht endlich
alle dieſe Eigenſchaften bildlich gewendet auch für die Schönheit der
muſikaliſchen Töne geltend zu machen. Das Erhabene fordert natürlich
überall die entgegengeſetzten Eigenſchaften. Ganz am Schluße kommt er
auf die Kunſt der inneren Vorſtellung, auf die Poeſie; er iſt aber der
Meinung, das Wort wirke nicht durch Vergegenwärtigung der Sache als
inneres Bild äſthetiſch, ſondern nur durch die Gewohnheit der Verbindung
gewiſſer Empfindungen mit demſelben, wo denn nur von Rührung über-
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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