Mannigfaltigen ausgesprochen wie bei Plato und die Poetik, da sie es mit einer bestimmten Kunst zu thun hat, setzt diese Einheit in die Handlung, welche Eine und eine ganze seyn muß (Cap. 7. 8.). Die Begriffe, die darin enthalten sind, werden schärfer bestimmt als bei Plato, zwar freilich immer nur in der Anwendung auf die dramatische Handlung. Die Ordnung ist eine organische, kein Theil darf versetzt werden, ohne daß das Ganze leidet. Die Symmetrie wird ebenfalls genauer begriffen als ein quantitatives gegenseitiges Verhältniß der Theile in ihrer Zusammenstimmung zum Ganzen. Dies Ganze ist noth- wendig begrenzt und abgeschlossen, vollendet. Der Begriff des teleion folgt auch bei Plato von selbst aus seiner allgemeinen Bestimmung und wird besonders im Timäus ausgesprochen. Obwohl nun Aristoteles diese Begriffe schärfer bestimmt als Plato und schon durch die spezielle Natur seiner Untersuchung immer die Einheit des so abgegrenzten Mannig- faltigen als eine spezifisch ästhetische praktisch im Auge behält, so hat doch auch er in diesen Bestimmungen noch keine genügende Unterscheidung des Schönen vom Guten und Wahren, Ed. Müller giebt (a. a. O. B. 2, 95 -- 97.) solche Stellen, worin er das Schöne mit dem Guten vermengt, und nun ist auch hervorzuheben, daß es selbst der Mathematik vindicirt wird. Ein Unterschied von dem Guten ließe sich zwar aus der Stelle in der Metaphysik (XIII, 3) ableiten, welche sagt, das Gute sey immer im Thun, das Schöne aber auch im Unbewegten. Das Thun wäre dann zu fassen als ein Thun mit der Kategorie des Sollens, das Un- bewegte aber als etwas, worin sich zwar auch ein Thun, aber ein vollendetes, darstellt. Dagegen ist jedoch der Zusatz: "auch". Eigen ist nun aber dem Aristoteles die Forderung einer bestimmten Größe (Poetik 7). Nicht nur die Tragödie soll eine bestimmte Größe haben, sondern alles Schöne. Es darf nicht zu klein seyn, sonst markirt es sich nicht in der Anschauung, nicht zu groß, sonst ist keine Uebersicht möglich. Dieß ist ein sehr richtiger Begriff und von großer Wichtigkeit. Er ist zwar in dem der Begrenztheit (§. 30) schon enthalten, aber er muß allerdings noch besonders herausgestellt werden, wozu hier Aristo- teles eben die Veranlassung giebt. Nur der überschauliche Ausschnitt eines Ganzen, das als Ganzes unübersehlich ist, kann schön seyn. Die Herrlichkeit des Weltgebäudes z. B. kann ästhetischer Gegenstand werden nur durch Darstellung eines leicht überschaulichen Theiles, der aber so beschaffen ist, daß er die Ahnung des Ganzen erweckt. Ist der Gegen- stand schön im Zustand der Ruhe, so heißt er vermöge dieser Eigenschaft
Mannigfaltigen ausgeſprochen wie bei Plato und die Poetik, da ſie es mit einer beſtimmten Kunſt zu thun hat, ſetzt dieſe Einheit in die Handlung, welche Eine und eine ganze ſeyn muß (Cap. 7. 8.). Die Begriffe, die darin enthalten ſind, werden ſchärfer beſtimmt als bei Plato, zwar freilich immer nur in der Anwendung auf die dramatiſche Handlung. Die Ordnung iſt eine organiſche, kein Theil darf verſetzt werden, ohne daß das Ganze leidet. Die Symmetrie wird ebenfalls genauer begriffen als ein quantitatives gegenſeitiges Verhältniß der Theile in ihrer Zuſammenſtimmung zum Ganzen. Dies Ganze iſt noth- wendig begrenzt und abgeſchloſſen, vollendet. Der Begriff des τέλειον folgt auch bei Plato von ſelbſt aus ſeiner allgemeinen Beſtimmung und wird beſonders im Timäus ausgeſprochen. Obwohl nun Ariſtoteles dieſe Begriffe ſchärfer beſtimmt als Plato und ſchon durch die ſpezielle Natur ſeiner Unterſuchung immer die Einheit des ſo abgegrenzten Mannig- faltigen als eine ſpezifiſch äſthetiſche praktiſch im Auge behält, ſo hat doch auch er in dieſen Beſtimmungen noch keine genügende Unterſcheidung des Schönen vom Guten und Wahren, Ed. Müller giebt (a. a. O. B. 2, 95 — 97.) ſolche Stellen, worin er das Schöne mit dem Guten vermengt, und nun iſt auch hervorzuheben, daß es ſelbſt der Mathematik vindicirt wird. Ein Unterſchied von dem Guten ließe ſich zwar aus der Stelle in der Metaphyſik (XIII, 3) ableiten, welche ſagt, das Gute ſey immer im Thun, das Schöne aber auch im Unbewegten. Das Thun wäre dann zu faſſen als ein Thun mit der Kategorie des Sollens, das Un- bewegte aber als etwas, worin ſich zwar auch ein Thun, aber ein vollendetes, darſtellt. Dagegen iſt jedoch der Zuſatz: „auch“. Eigen iſt nun aber dem Ariſtoteles die Forderung einer beſtimmten Größe (Poetik 7). Nicht nur die Tragödie ſoll eine beſtimmte Größe haben, ſondern alles Schöne. Es darf nicht zu klein ſeyn, ſonſt markirt es ſich nicht in der Anſchauung, nicht zu groß, ſonſt iſt keine Ueberſicht möglich. Dieß iſt ein ſehr richtiger Begriff und von großer Wichtigkeit. Er iſt zwar in dem der Begrenztheit (§. 30) ſchon enthalten, aber er muß allerdings noch beſonders herausgeſtellt werden, wozu hier Ariſto- teles eben die Veranlaſſung giebt. Nur der überſchauliche Ausſchnitt eines Ganzen, das als Ganzes unüberſehlich iſt, kann ſchön ſeyn. Die Herrlichkeit des Weltgebäudes z. B. kann äſthetiſcher Gegenſtand werden nur durch Darſtellung eines leicht überſchaulichen Theiles, der aber ſo beſchaffen iſt, daß er die Ahnung des Ganzen erweckt. Iſt der Gegen- ſtand ſchön im Zuſtand der Ruhe, ſo heißt er vermöge dieſer Eigenſchaft
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Mannigfaltigen ausgeſprochen wie bei Plato und die Poetik, da ſie es
mit einer beſtimmten Kunſt zu thun hat, ſetzt dieſe Einheit in die
Handlung, welche Eine und eine ganze ſeyn muß (Cap. 7. 8.). Die
Begriffe, die darin enthalten ſind, werden ſchärfer beſtimmt als bei
Plato, zwar freilich immer nur in der Anwendung auf die dramatiſche
Handlung. Die Ordnung iſt eine organiſche, kein Theil darf verſetzt
werden, ohne daß das Ganze leidet. Die Symmetrie wird ebenfalls
genauer begriffen als ein quantitatives gegenſeitiges Verhältniß der
Theile in ihrer Zuſammenſtimmung zum Ganzen. Dies Ganze iſt noth-
wendig begrenzt und abgeſchloſſen, vollendet. Der Begriff des τέλειον
folgt auch bei Plato von ſelbſt aus ſeiner allgemeinen Beſtimmung und
wird beſonders im Timäus ausgeſprochen. Obwohl nun Ariſtoteles
dieſe Begriffe ſchärfer beſtimmt als Plato und ſchon durch die ſpezielle
Natur ſeiner Unterſuchung immer die Einheit des ſo abgegrenzten Mannig-
faltigen als eine ſpezifiſch äſthetiſche praktiſch im Auge behält, ſo hat doch
auch er in dieſen Beſtimmungen noch keine genügende Unterſcheidung des
Schönen vom Guten und Wahren, Ed. Müller giebt (a. a. O. B. 2,
95 — 97.) ſolche Stellen, worin er das Schöne mit dem Guten vermengt,
und nun iſt auch hervorzuheben, daß es ſelbſt der Mathematik vindicirt
wird. Ein Unterſchied von dem Guten ließe ſich zwar aus der Stelle
in der Metaphyſik (XIII, 3) ableiten, welche ſagt, das Gute ſey immer
im Thun, das Schöne aber auch im Unbewegten. Das Thun wäre
dann zu faſſen als ein Thun mit der Kategorie des Sollens, das Un-
bewegte aber als etwas, worin ſich zwar auch ein Thun, aber ein
vollendetes, darſtellt. Dagegen iſt jedoch der Zuſatz: „auch“. Eigen
iſt nun aber dem Ariſtoteles die Forderung einer beſtimmten Größe
(Poetik 7). Nicht nur die Tragödie ſoll eine beſtimmte Größe haben,
ſondern alles Schöne. Es darf nicht zu klein ſeyn, ſonſt markirt es
ſich nicht in der Anſchauung, nicht zu groß, ſonſt iſt keine Ueberſicht
möglich. Dieß iſt ein ſehr richtiger Begriff und von großer Wichtigkeit.
Er iſt zwar in dem der Begrenztheit (§. 30) ſchon enthalten, aber er
muß allerdings noch beſonders herausgeſtellt werden, wozu hier Ariſto-
teles eben die Veranlaſſung giebt. Nur der überſchauliche Ausſchnitt
eines Ganzen, das als Ganzes unüberſehlich iſt, kann ſchön ſeyn. Die
Herrlichkeit des Weltgebäudes z. B. kann äſthetiſcher Gegenſtand werden
nur durch Darſtellung eines leicht überſchaulichen Theiles, der aber ſo
beſchaffen iſt, daß er die Ahnung des Ganzen erweckt. Iſt der Gegen-
ſtand ſchön im Zuſtand der Ruhe, ſo heißt er vermöge dieſer Eigenſchaft
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/115>, abgerufen am 24.11.2024.
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