Angenehmen, weiß übrigens Plato eben durch diesen Nachdruck, der auf den geistigen Gehalt fällt, das Schöne wohl zu unterscheiden, besonders im größ. Hippias (dessen Aechtheit freilich bezweifelt wird). Die Neuplatoniker fixirten diesen Idealismus. Plotin unterscheidet wesent- lich geistige Schönheit und Körperschönheit und stellt die erstere, die gar nicht erscheint, unendlich über diese. Das vierte Kap. 1. Schr. peri tou~ kalou~ (ed. Creuzer,) beginnt mit der Forderung, aufzusteigen zu der höheren Schönheit, welche der Anschauung nicht offen steht, sondern von der Seele ohne Werkzeuge geschaut und ausgesprochen wird, wobei wir alle Sinnenwahrnehmung in der Tiefe znrücklassen. Diese höhere Schönheit ist die Gerechtigkeit und Wohlordnung des Gemüths (sophros une) die Reinheit vom Affect, die wahrnehmbare Schönheit nur ihr Schatten und Scheinbild.
Angenehmen, weiß übrigens Plato eben durch dieſen Nachdruck, der auf den geiſtigen Gehalt fällt, das Schöne wohl zu unterſcheiden, beſonders im größ. Hippias (deſſen Aechtheit freilich bezweifelt wird). Die Neuplatoniker fixirten dieſen Idealismus. Plotin unterſcheidet weſent- lich geiſtige Schönheit und Körperſchönheit und ſtellt die erſtere, die gar nicht erſcheint, unendlich über dieſe. Das vierte Kap. 1. Schr. περὶ τȣ῀ καλȣ῀ (ed. Creuzer,) beginnt mit der Forderung, aufzuſteigen zu der höheren Schönheit, welche der Anſchauung nicht offen ſteht, ſondern von der Seele ohne Werkzeuge geſchaut und ausgeſprochen wird, wobei wir alle Sinnenwahrnehmung in der Tiefe znrücklaſſen. Dieſe höhere Schönheit iſt die Gerechtigkeit und Wohlordnung des Gemüths (σωφροσ ύνη) die Reinheit vom Affect, die wahrnehmbare Schönheit nur ihr Schatten und Scheinbild.
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Angenehmen, weiß übrigens Plato eben durch dieſen Nachdruck, der
auf den geiſtigen Gehalt fällt, das Schöne wohl zu unterſcheiden, beſonders
im größ. Hippias (deſſen Aechtheit freilich bezweifelt wird). Die
Neuplatoniker fixirten dieſen Idealismus. Plotin unterſcheidet weſent-
lich geiſtige Schönheit und Körperſchönheit und ſtellt die erſtere, die gar
nicht erſcheint, unendlich über dieſe. Das vierte Kap. 1. Schr. περὶ
τȣ῀ καλȣ῀ (ed. Creuzer,) beginnt mit der Forderung, aufzuſteigen zu der
höheren Schönheit, welche der Anſchauung nicht offen ſteht, ſondern von
der Seele ohne Werkzeuge geſchaut und ausgeſprochen wird, wobei wir alle
Sinnenwahrnehmung in der Tiefe znrücklaſſen. Dieſe höhere Schönheit iſt die
Gerechtigkeit und Wohlordnung des Gemüths (σωφροσ ύνη) die Reinheit
vom Affect, die wahrnehmbare Schönheit nur ihr Schatten und Scheinbild.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 1. Reutlingen u. a., 1846, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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