seits mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die Ele- mente des Bindegewebes bestimmte Beziehungen zu dem Ge- fässapparat haben, so liegt es sehr nahe, wie Sie sehen, in demselben eine Art von indifferentem Sammelpunkt, eine eigenthümliche Einrichtung für die innere Verbindung der Theile zu sehen, eine Einrichtung, die allerdings nicht für die höheren Functionen des Thieres, aber wohl für die Ernährung von grosser Bedeutung ist.
An die Stelle des Continuitätsgesetzes muss man daher noth- wendig etwas Anderes setzen. Hier ist nun, wie ich glaube, der wesentlichste Gesichtspunkt der der histologischen Sub- stitution. Bei allen Geweben gleicher Art besteht die Mög- lichkeit, dass schon im physiologischen Vorkommen, z. B. in verschiedenen Thierklassen, das eine Gewebe an einem be- stimmten Orte des Körpers ersetzt wird durch ein analoges Gewebe derselben Gruppe, mit andern Worten, durch ein hi- stologisches Aequivalent.
Eine Stelle, welche Cylinderepithel trägt, kann Plat- tenepithel bekommen; eine Fläche, die anfänglich flimmerte, kann später gewöhnliches Epithel haben. So treffen wir an der Oberfläche der Hirnventrikel zuerst Flimmer-, späterhin ein- faches Plattenepithel. So sehen wir, dass die Schleimhaut des Uterus für gewöhnlich flimmert, dass aber in der Gravidität sich die Schicht der Flimmercylinder ersetzt durch eine Lage von Plattenepithel. So erzeugt sich an Stellen, wo weiches Epithel vorkommt, unter Umständen Epidermis, z. B. an der vorgefallenen Scheide. So findet sich in der Sclerotica gewis- ser Thiere Knorpel, während sie beim Menschen aus dichtem Bindegewebe besteht; bei manchen Thieren kommen an Stellen der Haut Knochen vor, wo beim Menschen nur Bindegewebe liegt, aber auch beim Menschen wird an vielen Stellen, wo frü- her Knorpel lag, späterhin Knochengewebe gefunden. Am auf- fälligsten sind diese Substitutionen im Gebiete der Muskeln. Ein Thier hat quergestreifte Muskelfasern an derselben Stelle, wo ein anderes glatte führt.
In krankhaften Zuständen gibt es pathologische Sub- stitutionen, wo ein bestimmtes Gewebe ersetzt wird durch ein anderes Gewebe, allein selbst dann, wenn der Ersatz der
Histologische Aequivalente und Substitutionen.
seits mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die Ele- mente des Bindegewebes bestimmte Beziehungen zu dem Ge- fässapparat haben, so liegt es sehr nahe, wie Sie sehen, in demselben eine Art von indifferentem Sammelpunkt, eine eigenthümliche Einrichtung für die innere Verbindung der Theile zu sehen, eine Einrichtung, die allerdings nicht für die höheren Functionen des Thieres, aber wohl für die Ernährung von grosser Bedeutung ist.
An die Stelle des Continuitätsgesetzes muss man daher noth- wendig etwas Anderes setzen. Hier ist nun, wie ich glaube, der wesentlichste Gesichtspunkt der der histologischen Sub- stitution. Bei allen Geweben gleicher Art besteht die Mög- lichkeit, dass schon im physiologischen Vorkommen, z. B. in verschiedenen Thierklassen, das eine Gewebe an einem be- stimmten Orte des Körpers ersetzt wird durch ein analoges Gewebe derselben Gruppe, mit andern Worten, durch ein hi- stologisches Aequivalent.
Eine Stelle, welche Cylinderepithel trägt, kann Plat- tenepithel bekommen; eine Fläche, die anfänglich flimmerte, kann später gewöhnliches Epithel haben. So treffen wir an der Oberfläche der Hirnventrikel zuerst Flimmer-, späterhin ein- faches Plattenepithel. So sehen wir, dass die Schleimhaut des Uterus für gewöhnlich flimmert, dass aber in der Gravidität sich die Schicht der Flimmercylinder ersetzt durch eine Lage von Plattenepithel. So erzeugt sich an Stellen, wo weiches Epithel vorkommt, unter Umständen Epidermis, z. B. an der vorgefallenen Scheide. So findet sich in der Sclerotica gewis- ser Thiere Knorpel, während sie beim Menschen aus dichtem Bindegewebe besteht; bei manchen Thieren kommen an Stellen der Haut Knochen vor, wo beim Menschen nur Bindegewebe liegt, aber auch beim Menschen wird an vielen Stellen, wo frü- her Knorpel lag, späterhin Knochengewebe gefunden. Am auf- fälligsten sind diese Substitutionen im Gebiete der Muskeln. Ein Thier hat quergestreifte Muskelfasern an derselben Stelle, wo ein anderes glatte führt.
In krankhaften Zuständen gibt es pathologische Sub- stitutionen, wo ein bestimmtes Gewebe ersetzt wird durch ein anderes Gewebe, allein selbst dann, wenn der Ersatz der
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Histologische Aequivalente und Substitutionen.
seits mit grosser Wahrscheinlichkeit ergeben, dass die Ele-
mente des Bindegewebes bestimmte Beziehungen zu dem Ge-
fässapparat haben, so liegt es sehr nahe, wie Sie sehen, in
demselben eine Art von indifferentem Sammelpunkt, eine
eigenthümliche Einrichtung für die innere Verbindung der Theile
zu sehen, eine Einrichtung, die allerdings nicht für die höheren
Functionen des Thieres, aber wohl für die Ernährung von
grosser Bedeutung ist.
An die Stelle des Continuitätsgesetzes muss man daher noth-
wendig etwas Anderes setzen. Hier ist nun, wie ich glaube,
der wesentlichste Gesichtspunkt der der histologischen Sub-
stitution. Bei allen Geweben gleicher Art besteht die Mög-
lichkeit, dass schon im physiologischen Vorkommen, z. B. in
verschiedenen Thierklassen, das eine Gewebe an einem be-
stimmten Orte des Körpers ersetzt wird durch ein analoges
Gewebe derselben Gruppe, mit andern Worten, durch ein hi-
stologisches Aequivalent.
Eine Stelle, welche Cylinderepithel trägt, kann Plat-
tenepithel bekommen; eine Fläche, die anfänglich flimmerte,
kann später gewöhnliches Epithel haben. So treffen wir an
der Oberfläche der Hirnventrikel zuerst Flimmer-, späterhin ein-
faches Plattenepithel. So sehen wir, dass die Schleimhaut des
Uterus für gewöhnlich flimmert, dass aber in der Gravidität
sich die Schicht der Flimmercylinder ersetzt durch eine Lage
von Plattenepithel. So erzeugt sich an Stellen, wo weiches
Epithel vorkommt, unter Umständen Epidermis, z. B. an der
vorgefallenen Scheide. So findet sich in der Sclerotica gewis-
ser Thiere Knorpel, während sie beim Menschen aus dichtem
Bindegewebe besteht; bei manchen Thieren kommen an Stellen
der Haut Knochen vor, wo beim Menschen nur Bindegewebe
liegt, aber auch beim Menschen wird an vielen Stellen, wo frü-
her Knorpel lag, späterhin Knochengewebe gefunden. Am auf-
fälligsten sind diese Substitutionen im Gebiete der Muskeln.
Ein Thier hat quergestreifte Muskelfasern an derselben Stelle,
wo ein anderes glatte führt.
In krankhaften Zuständen gibt es pathologische Sub-
stitutionen, wo ein bestimmtes Gewebe ersetzt wird durch
ein anderes Gewebe, allein selbst dann, wenn der Ersatz der
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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