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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Zwanzigste Vorlesung.
diese sind Bildungen, welche pathologisch Epithelformen er-
zeugen; aber sie stellen eine Gradation von verschiedenen
Arten vor, die von den ganz örtlichen, dem gewöhnlichen Sinne
nach vollkommen gutartigen bis zu der äussersten Malignität
reichen. Die blosse Form des Elementes, welches die Zusam-
mensetzung des Gebildes macht, ist ohne entscheidenden
Werth. Es ist nicht Heterologie in der Entwickelung als
solcher, welche den Krebs bösartig, und Homologie, welche
das Cancroid gutartig macht, sondern es besteht zwischen
ihnen eine Gradation.

Die Formen, welche trockene, saftarme Massen hervor-
bringen, sind relativ gutartig. Diejenigen, welche saftreiche
Gewebe setzen, haben immer mehr oder weniger einen
malignen Habitus (S. 195). Die Perlgeschwulst z. B. liefert
vollkommen trockene Epithelmassen, fast ohne eine Spur von
Feuchtigkeit, sie steckt nur örtlich an. Das Cancroid bleibt
sehr lange örtlich, so dass oft erst nach Jahren die nächsten
Lymphdrüsen erkranken, dass dann lange Zeit wiederum der
Prozess sich auf die Erkrankung der Lymphdrüsen beschränkt,
und erst spät und selten die allgemeine Eruption durch den
ganzen Körper erfolgt. Bei dem eigentlichen Krebs ist der
örtliche Verlauf oft sehr schnell und die Krankheit wird früh
allgemein; Heilungen, selbst für kurze Zeit, sind so selten,
dass man in Frankreich gradezu die vollkommene Unheilbar-
keit des eigentlichen Krebses aufgestellt und mit Glück ver-
theidigt hat.

Auch unter den Bildungen, welche den gewöhnlichen
Bindegewebssubstanzen analog, also scheinbar vollkommen
homolog und gutartig sind, erweisen sich die saftreichen als
viel mehr ansteckungsfähig, als die trockenen. Ein Myxom,
welches immer viel Flüssigkeit mit sich führt, ist jedesmal
eine verdächtige Geschwulst; in dem Maasse seines Saftreich-
thums recidivirt es oft. Die Knorpelgeschwulst, das Enchon-
drom, welche früher als unzweifelhaft gutartige Geschwulst
geschildert wurde, kommt zuweilen in weichen, mehr gallert-
artigen Formen vor, welche eben solche inneren Metastasen
bedingen können, wie der eigentliche Krebs. Selbst die Bin-
degewebsbildungen werden unter Umständen reicher an Zellen,

Zwanzigste Vorlesung.
diese sind Bildungen, welche pathologisch Epithelformen er-
zeugen; aber sie stellen eine Gradation von verschiedenen
Arten vor, die von den ganz örtlichen, dem gewöhnlichen Sinne
nach vollkommen gutartigen bis zu der äussersten Malignität
reichen. Die blosse Form des Elementes, welches die Zusam-
mensetzung des Gebildes macht, ist ohne entscheidenden
Werth. Es ist nicht Heterologie in der Entwickelung als
solcher, welche den Krebs bösartig, und Homologie, welche
das Cancroid gutartig macht, sondern es besteht zwischen
ihnen eine Gradation.

Die Formen, welche trockene, saftarme Massen hervor-
bringen, sind relativ gutartig. Diejenigen, welche saftreiche
Gewebe setzen, haben immer mehr oder weniger einen
malignen Habitus (S. 195). Die Perlgeschwulst z. B. liefert
vollkommen trockene Epithelmassen, fast ohne eine Spur von
Feuchtigkeit, sie steckt nur örtlich an. Das Cancroid bleibt
sehr lange örtlich, so dass oft erst nach Jahren die nächsten
Lymphdrüsen erkranken, dass dann lange Zeit wiederum der
Prozess sich auf die Erkrankung der Lymphdrüsen beschränkt,
und erst spät und selten die allgemeine Eruption durch den
ganzen Körper erfolgt. Bei dem eigentlichen Krebs ist der
örtliche Verlauf oft sehr schnell und die Krankheit wird früh
allgemein; Heilungen, selbst für kurze Zeit, sind so selten,
dass man in Frankreich gradezu die vollkommene Unheilbar-
keit des eigentlichen Krebses aufgestellt und mit Glück ver-
theidigt hat.

Auch unter den Bildungen, welche den gewöhnlichen
Bindegewebssubstanzen analog, also scheinbar vollkommen
homolog und gutartig sind, erweisen sich die saftreichen als
viel mehr ansteckungsfähig, als die trockenen. Ein Myxom,
welches immer viel Flüssigkeit mit sich führt, ist jedesmal
eine verdächtige Geschwulst; in dem Maasse seines Saftreich-
thums recidivirt es oft. Die Knorpelgeschwulst, das Enchon-
drom, welche früher als unzweifelhaft gutartige Geschwulst
geschildert wurde, kommt zuweilen in weichen, mehr gallert-
artigen Formen vor, welche eben solche inneren Metastasen
bedingen können, wie der eigentliche Krebs. Selbst die Bin-
degewebsbildungen werden unter Umständen reicher an Zellen,

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[430/0452] Zwanzigste Vorlesung. diese sind Bildungen, welche pathologisch Epithelformen er- zeugen; aber sie stellen eine Gradation von verschiedenen Arten vor, die von den ganz örtlichen, dem gewöhnlichen Sinne nach vollkommen gutartigen bis zu der äussersten Malignität reichen. Die blosse Form des Elementes, welches die Zusam- mensetzung des Gebildes macht, ist ohne entscheidenden Werth. Es ist nicht Heterologie in der Entwickelung als solcher, welche den Krebs bösartig, und Homologie, welche das Cancroid gutartig macht, sondern es besteht zwischen ihnen eine Gradation. Die Formen, welche trockene, saftarme Massen hervor- bringen, sind relativ gutartig. Diejenigen, welche saftreiche Gewebe setzen, haben immer mehr oder weniger einen malignen Habitus (S. 195). Die Perlgeschwulst z. B. liefert vollkommen trockene Epithelmassen, fast ohne eine Spur von Feuchtigkeit, sie steckt nur örtlich an. Das Cancroid bleibt sehr lange örtlich, so dass oft erst nach Jahren die nächsten Lymphdrüsen erkranken, dass dann lange Zeit wiederum der Prozess sich auf die Erkrankung der Lymphdrüsen beschränkt, und erst spät und selten die allgemeine Eruption durch den ganzen Körper erfolgt. Bei dem eigentlichen Krebs ist der örtliche Verlauf oft sehr schnell und die Krankheit wird früh allgemein; Heilungen, selbst für kurze Zeit, sind so selten, dass man in Frankreich gradezu die vollkommene Unheilbar- keit des eigentlichen Krebses aufgestellt und mit Glück ver- theidigt hat. Auch unter den Bildungen, welche den gewöhnlichen Bindegewebssubstanzen analog, also scheinbar vollkommen homolog und gutartig sind, erweisen sich die saftreichen als viel mehr ansteckungsfähig, als die trockenen. Ein Myxom, welches immer viel Flüssigkeit mit sich führt, ist jedesmal eine verdächtige Geschwulst; in dem Maasse seines Saftreich- thums recidivirt es oft. Die Knorpelgeschwulst, das Enchon- drom, welche früher als unzweifelhaft gutartige Geschwulst geschildert wurde, kommt zuweilen in weichen, mehr gallert- artigen Formen vor, welche eben solche inneren Metastasen bedingen können, wie der eigentliche Krebs. Selbst die Bin- degewebsbildungen werden unter Umständen reicher an Zellen,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/452>, abgerufen am 29.11.2024.