Allein sie unterscheidet sich auch wiederum von der Cellulose dadurch, dass sie durch die Einwirkung von Jod für sich schon eine Färbung erfährt, während die eigentliche Cellulose durch blosses Jod überhaupt nicht gefärbt wird. Die Cellu- lose verhält sich ganz wie Cholestearin, welches bei der Be- handlung mit Jod farblos bleibt, dagegen durch Jod und Schwe- felsäure eine blaue, unter Umständen rothe, orange Farbe annimmt (S. 322.).
Bei dieser Mannigfaltigkeit der Reactionen ist es allerdings immer noch sehr schwer mit Sicherheit zu sagen, wohin die Substanz gehört. Meckel hat mit grosser Sorgfalt den Ge- danken verfolgt, dass es sich um eine Art von Fett handle, welche mit Cholestearin mehr oder weniger identisch sei, al- lein wir kennen bis jetzt keinerlei Art von Fett, welches die drei Eigenschaften, durch Jod für sich gefärbt zu werden, durch Schwefelsäure für sich farblos zu bleiben, und durch Jod und Schwefelsäure eine blaue Farbe anzunehmen, besässe. Ausserdem verhält sich die Substanz selbst keinesweges wie eine fettige Masse; sie besitzt nicht die Löslichkeit, welche das Fett charakterisirt, insbesondere kann man bei der Ex- traction mit Alcohol und Aether aus diesen Theilen keine Sub- stanz gewinnen, welche die Eigenthümlichkeiten der früheren besitzt. Nach Allem liegt also vielmehr eine Ueberein- stimmung mit pflanzlichen Formen vor, und man kann im- merhin die Ansicht festhalten, dass es sich hier um einen Pro- zess handle, vergleichbar demjenigen, welchen wir bei der Entwicklung einer Pflanze eintreten sehen, wenn die einfache Zelle sich mit Capselschichten umhüllt und nach und nach holzig wird.
Am schönsten kann man diese Veränderungen verfolgen an denjenigen Gebilden, welche überhaupt als der häufigste Sitz dieser Veränderung betrachtet werden müssen, nämlich an den kleinsten Arterien. Diese erfahren zuerst die Um- wandlung, und erst, nachdem die Umänderung ihrer Wandun- gen bis zu einem hohen Grade vorgerückt ist, pflegt die Infil- tration auf das umliegende Parenchym fortzuschreiten, bis end- lich das ganze Gewebsgebiet, zu welchem die Arterie führt, die Veränderung erlitten hat. Wenn wir in einer amyloiden
Amyloide Degeneration der kleinen Arterien.
Allein sie unterscheidet sich auch wiederum von der Cellulose dadurch, dass sie durch die Einwirkung von Jod für sich schon eine Färbung erfährt, während die eigentliche Cellulose durch blosses Jod überhaupt nicht gefärbt wird. Die Cellu- lose verhält sich ganz wie Cholestearin, welches bei der Be- handlung mit Jod farblos bleibt, dagegen durch Jod und Schwe- felsäure eine blaue, unter Umständen rothe, orange Farbe annimmt (S. 322.).
Bei dieser Mannigfaltigkeit der Reactionen ist es allerdings immer noch sehr schwer mit Sicherheit zu sagen, wohin die Substanz gehört. Meckel hat mit grosser Sorgfalt den Ge- danken verfolgt, dass es sich um eine Art von Fett handle, welche mit Cholestearin mehr oder weniger identisch sei, al- lein wir kennen bis jetzt keinerlei Art von Fett, welches die drei Eigenschaften, durch Jod für sich gefärbt zu werden, durch Schwefelsäure für sich farblos zu bleiben, und durch Jod und Schwefelsäure eine blaue Farbe anzunehmen, besässe. Ausserdem verhält sich die Substanz selbst keinesweges wie eine fettige Masse; sie besitzt nicht die Löslichkeit, welche das Fett charakterisirt, insbesondere kann man bei der Ex- traction mit Alcohol und Aether aus diesen Theilen keine Sub- stanz gewinnen, welche die Eigenthümlichkeiten der früheren besitzt. Nach Allem liegt also vielmehr eine Ueberein- stimmung mit pflanzlichen Formen vor, und man kann im- merhin die Ansicht festhalten, dass es sich hier um einen Pro- zess handle, vergleichbar demjenigen, welchen wir bei der Entwicklung einer Pflanze eintreten sehen, wenn die einfache Zelle sich mit Capselschichten umhüllt und nach und nach holzig wird.
Am schönsten kann man diese Veränderungen verfolgen an denjenigen Gebilden, welche überhaupt als der häufigste Sitz dieser Veränderung betrachtet werden müssen, nämlich an den kleinsten Arterien. Diese erfahren zuerst die Um- wandlung, und erst, nachdem die Umänderung ihrer Wandun- gen bis zu einem hohen Grade vorgerückt ist, pflegt die Infil- tration auf das umliegende Parenchym fortzuschreiten, bis end- lich das ganze Gewebsgebiet, zu welchem die Arterie führt, die Veränderung erlitten hat. Wenn wir in einer amyloiden
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Amyloide Degeneration der kleinen Arterien.
Allein sie unterscheidet sich auch wiederum von der Cellulose
dadurch, dass sie durch die Einwirkung von Jod für sich
schon eine Färbung erfährt, während die eigentliche Cellulose
durch blosses Jod überhaupt nicht gefärbt wird. Die Cellu-
lose verhält sich ganz wie Cholestearin, welches bei der Be-
handlung mit Jod farblos bleibt, dagegen durch Jod und Schwe-
felsäure eine blaue, unter Umständen rothe, orange Farbe
annimmt (S. 322.).
Bei dieser Mannigfaltigkeit der Reactionen ist es allerdings
immer noch sehr schwer mit Sicherheit zu sagen, wohin die
Substanz gehört. Meckel hat mit grosser Sorgfalt den Ge-
danken verfolgt, dass es sich um eine Art von Fett handle,
welche mit Cholestearin mehr oder weniger identisch sei, al-
lein wir kennen bis jetzt keinerlei Art von Fett, welches die
drei Eigenschaften, durch Jod für sich gefärbt zu werden,
durch Schwefelsäure für sich farblos zu bleiben, und durch
Jod und Schwefelsäure eine blaue Farbe anzunehmen, besässe.
Ausserdem verhält sich die Substanz selbst keinesweges wie
eine fettige Masse; sie besitzt nicht die Löslichkeit, welche
das Fett charakterisirt, insbesondere kann man bei der Ex-
traction mit Alcohol und Aether aus diesen Theilen keine Sub-
stanz gewinnen, welche die Eigenthümlichkeiten der früheren
besitzt. Nach Allem liegt also vielmehr eine Ueberein-
stimmung mit pflanzlichen Formen vor, und man kann im-
merhin die Ansicht festhalten, dass es sich hier um einen Pro-
zess handle, vergleichbar demjenigen, welchen wir bei der
Entwicklung einer Pflanze eintreten sehen, wenn die einfache
Zelle sich mit Capselschichten umhüllt und nach und nach
holzig wird.
Am schönsten kann man diese Veränderungen verfolgen
an denjenigen Gebilden, welche überhaupt als der häufigste
Sitz dieser Veränderung betrachtet werden müssen, nämlich an
den kleinsten Arterien. Diese erfahren zuerst die Um-
wandlung, und erst, nachdem die Umänderung ihrer Wandun-
gen bis zu einem hohen Grade vorgerückt ist, pflegt die Infil-
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lich das ganze Gewebsgebiet, zu welchem die Arterie führt,
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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