Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfzehnte Vorlesung.
wegung der Säfte befördert. So weit wäre die Sache ziem-
lich klar, allein was das noch restirende Parenchym für einen
Bau hat, ist äusserst schwer zu sehen. Jenseits der Muskel-
lage sieht man noch kleinere Kerne, welche, wie ich schon
vor Jahren hervorhob, hin und wieder ziemlich deutlich in fei-
nen zelligen Elementen eingeschlossen sind. Ob aber diese
Parenchymzellen unter sich durch ein besonderes Netzwerk
anastomisiren, weiss ich nicht zu sagen. Bei der Resorption
sieht es aus, als ob das Fett, welches in den Zotten immer
weiter nach innen dringt, das ganze Parenchym erfüllt. End-
lich gelangt es bis zu dem centralen Chylusgefässe, und von
hier beginnt der regelmässige Strom des Chylus.

Der ganze Vorgang setzt also eine emulsive Beschaffen-
heit des Fettes voraus, welches überall in feinster Zertheilung
durch die Theile hindurchdringt; in dem regelmässigen Gange
sind es so ausserordentlich zarte Partikeln, dass, wenn man
frischen, noch warmen Chylus untersucht, man fast nichts von
körperlichen Theilen darin erkennen kann. Allein jede Störung
welche in dem Resorptionsgeschäfte stattfindet und das Fort-
rücken hindert, bedingt ein Zusammenfliessen der Fettpartikeln;
innerhalb der Theile scheiden sich grössere Körner ab, es er-
scheinen immer grössere und grössere und endlich ganz grosse
Fetttropfen. Diese finden wir schon in den Zellen oder inner-
halb des Zottengewebes, ja es kommt vor, dass das Ende der
Chylusgefässe sich erweitert, kolbige Anschwellungen bekommt,
mit grossen Anhäufungen von Fett, so dass man dieselben schon
mit blossem Auge erkennt. Nirgends hat man sie in einer so
häufig auffälligen Weise gesehen, wie in der Cholera, wo schon
1837 durch Böhm gute Schilderungen dieser Zustände gelie-
fert worden sind. Dieselben bedeuten nichts Anderes, als die
Hemmung des Lymphstromes durch die Respirations- und Cir-
culationsstörungen (Fig. 109, D.). Da bekanntlich die Cholera-
Anfälle überwiegend häufig in der Digestionsperiode eintreten
und mit grossen Hemmungen des Respirationsgeschäftes ver-
laufen, welche sich im ganzen Venenapparate geltend machen,
so müssen sie natürlich auch auf den Chylusstrom zurückwir-
ken. So erklärt sich die colossale Anstauung (Retention) von
Fett in den Zotten. Dies ist also, wenn Sie wollen, schon ein

Fünfzehnte Vorlesung.
wegung der Säfte befördert. So weit wäre die Sache ziem-
lich klar, allein was das noch restirende Parenchym für einen
Bau hat, ist äusserst schwer zu sehen. Jenseits der Muskel-
lage sieht man noch kleinere Kerne, welche, wie ich schon
vor Jahren hervorhob, hin und wieder ziemlich deutlich in fei-
nen zelligen Elementen eingeschlossen sind. Ob aber diese
Parenchymzellen unter sich durch ein besonderes Netzwerk
anastomisiren, weiss ich nicht zu sagen. Bei der Resorption
sieht es aus, als ob das Fett, welches in den Zotten immer
weiter nach innen dringt, das ganze Parenchym erfüllt. End-
lich gelangt es bis zu dem centralen Chylusgefässe, und von
hier beginnt der regelmässige Strom des Chylus.

Der ganze Vorgang setzt also eine emulsive Beschaffen-
heit des Fettes voraus, welches überall in feinster Zertheilung
durch die Theile hindurchdringt; in dem regelmässigen Gange
sind es so ausserordentlich zarte Partikeln, dass, wenn man
frischen, noch warmen Chylus untersucht, man fast nichts von
körperlichen Theilen darin erkennen kann. Allein jede Störung
welche in dem Resorptionsgeschäfte stattfindet und das Fort-
rücken hindert, bedingt ein Zusammenfliessen der Fettpartikeln;
innerhalb der Theile scheiden sich grössere Körner ab, es er-
scheinen immer grössere und grössere und endlich ganz grosse
Fetttropfen. Diese finden wir schon in den Zellen oder inner-
halb des Zottengewebes, ja es kommt vor, dass das Ende der
Chylusgefässe sich erweitert, kolbige Anschwellungen bekommt,
mit grossen Anhäufungen von Fett, so dass man dieselben schon
mit blossem Auge erkennt. Nirgends hat man sie in einer so
häufig auffälligen Weise gesehen, wie in der Cholera, wo schon
1837 durch Böhm gute Schilderungen dieser Zustände gelie-
fert worden sind. Dieselben bedeuten nichts Anderes, als die
Hemmung des Lymphstromes durch die Respirations- und Cir-
culationsstörungen (Fig. 109, D.). Da bekanntlich die Cholera-
Anfälle überwiegend häufig in der Digestionsperiode eintreten
und mit grossen Hemmungen des Respirationsgeschäftes ver-
laufen, welche sich im ganzen Venenapparate geltend machen,
so müssen sie natürlich auch auf den Chylusstrom zurückwir-
ken. So erklärt sich die colossale Anstauung (Retention) von
Fett in den Zotten. Dies ist also, wenn Sie wollen, schon ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="296"/><fw place="top" type="header">Fünfzehnte Vorlesung.</fw><lb/>
wegung der Säfte befördert. So weit wäre die Sache ziem-<lb/>
lich klar, allein was das noch restirende Parenchym für einen<lb/>
Bau hat, ist äusserst schwer zu sehen. Jenseits der Muskel-<lb/>
lage sieht man noch kleinere Kerne, welche, wie ich schon<lb/>
vor Jahren hervorhob, hin und wieder ziemlich deutlich in fei-<lb/>
nen zelligen Elementen eingeschlossen sind. Ob aber diese<lb/>
Parenchymzellen unter sich durch ein besonderes Netzwerk<lb/>
anastomisiren, weiss ich nicht zu sagen. Bei der Resorption<lb/>
sieht es aus, als ob das Fett, welches in den Zotten immer<lb/>
weiter nach innen dringt, das ganze Parenchym erfüllt. End-<lb/>
lich gelangt es bis zu dem centralen Chylusgefässe, und von<lb/>
hier beginnt der regelmässige Strom des Chylus.</p><lb/>
        <p>Der ganze Vorgang setzt also eine emulsive Beschaffen-<lb/>
heit des Fettes voraus, welches überall in feinster Zertheilung<lb/>
durch die Theile hindurchdringt; in dem regelmässigen Gange<lb/>
sind es so ausserordentlich zarte Partikeln, dass, wenn man<lb/>
frischen, noch warmen Chylus untersucht, man fast nichts von<lb/>
körperlichen Theilen darin erkennen kann. Allein jede Störung<lb/>
welche in dem Resorptionsgeschäfte stattfindet und das Fort-<lb/>
rücken hindert, bedingt ein Zusammenfliessen der Fettpartikeln;<lb/>
innerhalb der Theile scheiden sich grössere Körner ab, es er-<lb/>
scheinen immer grössere und grössere und endlich ganz grosse<lb/>
Fetttropfen. Diese finden wir schon in den Zellen oder inner-<lb/>
halb des Zottengewebes, ja es kommt vor, dass das Ende der<lb/>
Chylusgefässe sich erweitert, kolbige Anschwellungen bekommt,<lb/>
mit grossen Anhäufungen von Fett, so dass man dieselben schon<lb/>
mit blossem Auge erkennt. Nirgends hat man sie in einer so<lb/>
häufig auffälligen Weise gesehen, wie in der Cholera, wo schon<lb/>
1837 durch <hi rendition="#g">Böhm</hi> gute Schilderungen dieser Zustände gelie-<lb/>
fert worden sind. Dieselben bedeuten nichts Anderes, als die<lb/>
Hemmung des Lymphstromes durch die Respirations- und Cir-<lb/>
culationsstörungen (Fig. 109, <hi rendition="#i">D</hi>.). Da bekanntlich die Cholera-<lb/>
Anfälle überwiegend häufig in der Digestionsperiode eintreten<lb/>
und mit grossen Hemmungen des Respirationsgeschäftes ver-<lb/>
laufen, welche sich im ganzen Venenapparate geltend machen,<lb/>
so müssen sie natürlich auch auf den Chylusstrom zurückwir-<lb/>
ken. So erklärt sich die colossale Anstauung (Retention) von<lb/>
Fett in den Zotten. Dies ist also, wenn Sie wollen, schon ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0318] Fünfzehnte Vorlesung. wegung der Säfte befördert. So weit wäre die Sache ziem- lich klar, allein was das noch restirende Parenchym für einen Bau hat, ist äusserst schwer zu sehen. Jenseits der Muskel- lage sieht man noch kleinere Kerne, welche, wie ich schon vor Jahren hervorhob, hin und wieder ziemlich deutlich in fei- nen zelligen Elementen eingeschlossen sind. Ob aber diese Parenchymzellen unter sich durch ein besonderes Netzwerk anastomisiren, weiss ich nicht zu sagen. Bei der Resorption sieht es aus, als ob das Fett, welches in den Zotten immer weiter nach innen dringt, das ganze Parenchym erfüllt. End- lich gelangt es bis zu dem centralen Chylusgefässe, und von hier beginnt der regelmässige Strom des Chylus. Der ganze Vorgang setzt also eine emulsive Beschaffen- heit des Fettes voraus, welches überall in feinster Zertheilung durch die Theile hindurchdringt; in dem regelmässigen Gange sind es so ausserordentlich zarte Partikeln, dass, wenn man frischen, noch warmen Chylus untersucht, man fast nichts von körperlichen Theilen darin erkennen kann. Allein jede Störung welche in dem Resorptionsgeschäfte stattfindet und das Fort- rücken hindert, bedingt ein Zusammenfliessen der Fettpartikeln; innerhalb der Theile scheiden sich grössere Körner ab, es er- scheinen immer grössere und grössere und endlich ganz grosse Fetttropfen. Diese finden wir schon in den Zellen oder inner- halb des Zottengewebes, ja es kommt vor, dass das Ende der Chylusgefässe sich erweitert, kolbige Anschwellungen bekommt, mit grossen Anhäufungen von Fett, so dass man dieselben schon mit blossem Auge erkennt. Nirgends hat man sie in einer so häufig auffälligen Weise gesehen, wie in der Cholera, wo schon 1837 durch Böhm gute Schilderungen dieser Zustände gelie- fert worden sind. Dieselben bedeuten nichts Anderes, als die Hemmung des Lymphstromes durch die Respirations- und Cir- culationsstörungen (Fig. 109, D.). Da bekanntlich die Cholera- Anfälle überwiegend häufig in der Digestionsperiode eintreten und mit grossen Hemmungen des Respirationsgeschäftes ver- laufen, welche sich im ganzen Venenapparate geltend machen, so müssen sie natürlich auch auf den Chylusstrom zurückwir- ken. So erklärt sich die colossale Anstauung (Retention) von Fett in den Zotten. Dies ist also, wenn Sie wollen, schon ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/318
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/318>, abgerufen am 24.11.2024.