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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Functionelle Erregung.
feinen räumlichen Veränderungen der inneren Masse, des Zellen-
inhaltes. Es ist also hier weniger die eigentliche Zelle in
ihrer reinen Gestalt, sondern ihre specifische Ausstattung, wel-
che entscheidet; es handelt sich dabei weniger um die Mem-
bran oder den Kern der Zelle, als um den Inhalt. Dieser ist
es, der unter gewissen Einwirkungen sich verhältnissmässig
schnell verändert, ohne dass wir morphologisch von der Um-
ordnung der Inhaltspartikeln etwas wahrnehmen könnten.
Höchstens dass wir als grobes Resultat eine wirkliche Loko-
motion einzelner Theile sehen, die sich aber doch nicht
so weit auflösen lässt, dass man daraus beurtheilen könnte,
in welcher Weise diese Lokomotion durch die kleinsten Par-
tikelchen, welche den Zelleninhalt zusammensetzen, bedingt
wird. Wenn in einem Nerven eine Erregung stattfindet, so
wissen wir jetzt, dass damit eine Veränderung der elektrischen
Zustände verbunden ist, eine Veränderung, welche nach Allem,
was uns über die Erregung der Elektricität in anderen Kör-
pern bekannt ist, mit Nothwendigkeit bezogen werden muss
auf eine veränderte Stellung, welche die einzelnen Molekeln
zu einander annehmen. Denken wir uns den Axencylinder
aus elektrischen Molekeln zusammengesetzt, so können wir
uns vorstellen, dass je zwei dieser Molekeln in dem Momente
der Erregung eine veränderte Stellung zu einander annehmen.
[Abbildung] Fig. 97.
Von diesen Vorgängen sehen wir nichts.
Der Axencylinder sieht nicht anders aus
als sonst. Wenn wir einen Muskel wäh-
rend der Action betrachten, so bemerken
wir allerdings, dass die Zwischenräume,
welche zwischen den einzelnen sogenannten Scheiben liegen
(S. 48) kürzer werden, und da wir nun wissen, dass in letz-
ter Instanz der Muskel in seinem Innern zerfällt in eine Reihe
von kleinen Fibrillen, welche ihrerseits von Strecke zu Strecke
entsprechend diesen Scheiben kleine Körner enthalten, so
schliessen wir daraus mit einer gewissen Sicherheit, dass wirk-
liche örtliche Veränderungen der feinsten Theile stattfinden,
[Abbildung] Fig. 97.

Bildliches Schema des Zustandes der Nerven-Molekeln im
ruhenden (peripolaren, A) und im elektrotonischen (dipolaren, B) Zu-
stande des Nerven. Nach Ludwig Physiol. I. S. 103.

Functionelle Erregung.
feinen räumlichen Veränderungen der inneren Masse, des Zellen-
inhaltes. Es ist also hier weniger die eigentliche Zelle in
ihrer reinen Gestalt, sondern ihre specifische Ausstattung, wel-
che entscheidet; es handelt sich dabei weniger um die Mem-
bran oder den Kern der Zelle, als um den Inhalt. Dieser ist
es, der unter gewissen Einwirkungen sich verhältnissmässig
schnell verändert, ohne dass wir morphologisch von der Um-
ordnung der Inhaltspartikeln etwas wahrnehmen könnten.
Höchstens dass wir als grobes Resultat eine wirkliche Loko-
motion einzelner Theile sehen, die sich aber doch nicht
so weit auflösen lässt, dass man daraus beurtheilen könnte,
in welcher Weise diese Lokomotion durch die kleinsten Par-
tikelchen, welche den Zelleninhalt zusammensetzen, bedingt
wird. Wenn in einem Nerven eine Erregung stattfindet, so
wissen wir jetzt, dass damit eine Veränderung der elektrischen
Zustände verbunden ist, eine Veränderung, welche nach Allem,
was uns über die Erregung der Elektricität in anderen Kör-
pern bekannt ist, mit Nothwendigkeit bezogen werden muss
auf eine veränderte Stellung, welche die einzelnen Molekeln
zu einander annehmen. Denken wir uns den Axencylinder
aus elektrischen Molekeln zusammengesetzt, so können wir
uns vorstellen, dass je zwei dieser Molekeln in dem Momente
der Erregung eine veränderte Stellung zu einander annehmen.
[Abbildung] Fig. 97.
Von diesen Vorgängen sehen wir nichts.
Der Axencylinder sieht nicht anders aus
als sonst. Wenn wir einen Muskel wäh-
rend der Action betrachten, so bemerken
wir allerdings, dass die Zwischenräume,
welche zwischen den einzelnen sogenannten Scheiben liegen
(S. 48) kürzer werden, und da wir nun wissen, dass in letz-
ter Instanz der Muskel in seinem Innern zerfällt in eine Reihe
von kleinen Fibrillen, welche ihrerseits von Strecke zu Strecke
entsprechend diesen Scheiben kleine Körner enthalten, so
schliessen wir daraus mit einer gewissen Sicherheit, dass wirk-
liche örtliche Veränderungen der feinsten Theile stattfinden,
[Abbildung] Fig. 97.

Bildliches Schema des Zustandes der Nerven-Molekeln im
ruhenden (peripolaren, A) und im elektrotonischen (dipolaren, B) Zu-
stande des Nerven. Nach Ludwig Physiol. I. S. 103.

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[261/0283] Functionelle Erregung. feinen räumlichen Veränderungen der inneren Masse, des Zellen- inhaltes. Es ist also hier weniger die eigentliche Zelle in ihrer reinen Gestalt, sondern ihre specifische Ausstattung, wel- che entscheidet; es handelt sich dabei weniger um die Mem- bran oder den Kern der Zelle, als um den Inhalt. Dieser ist es, der unter gewissen Einwirkungen sich verhältnissmässig schnell verändert, ohne dass wir morphologisch von der Um- ordnung der Inhaltspartikeln etwas wahrnehmen könnten. Höchstens dass wir als grobes Resultat eine wirkliche Loko- motion einzelner Theile sehen, die sich aber doch nicht so weit auflösen lässt, dass man daraus beurtheilen könnte, in welcher Weise diese Lokomotion durch die kleinsten Par- tikelchen, welche den Zelleninhalt zusammensetzen, bedingt wird. Wenn in einem Nerven eine Erregung stattfindet, so wissen wir jetzt, dass damit eine Veränderung der elektrischen Zustände verbunden ist, eine Veränderung, welche nach Allem, was uns über die Erregung der Elektricität in anderen Kör- pern bekannt ist, mit Nothwendigkeit bezogen werden muss auf eine veränderte Stellung, welche die einzelnen Molekeln zu einander annehmen. Denken wir uns den Axencylinder aus elektrischen Molekeln zusammengesetzt, so können wir uns vorstellen, dass je zwei dieser Molekeln in dem Momente der Erregung eine veränderte Stellung zu einander annehmen. [Abbildung Fig. 97.] Von diesen Vorgängen sehen wir nichts. Der Axencylinder sieht nicht anders aus als sonst. Wenn wir einen Muskel wäh- rend der Action betrachten, so bemerken wir allerdings, dass die Zwischenräume, welche zwischen den einzelnen sogenannten Scheiben liegen (S. 48) kürzer werden, und da wir nun wissen, dass in letz- ter Instanz der Muskel in seinem Innern zerfällt in eine Reihe von kleinen Fibrillen, welche ihrerseits von Strecke zu Strecke entsprechend diesen Scheiben kleine Körner enthalten, so schliessen wir daraus mit einer gewissen Sicherheit, dass wirk- liche örtliche Veränderungen der feinsten Theile stattfinden, [Abbildung Fig. 97. Bildliches Schema des Zustandes der Nerven-Molekeln im ruhenden (peripolaren, A) und im elektrotonischen (dipolaren, B) Zu- stande des Nerven. Nach Ludwig Physiol. I. S. 103.]

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/283>, abgerufen am 28.11.2024.