sie stecken nur in einer starren Masse, und möglicher Weise könnte sogar noch eine Secretion aus ihnen erfolgen.
Diese Art von Metastasen, wo bestimmte Substanzen, aber nicht in einer palpablen Form, sondern in Lösung in die Blut- masse gelangen, muss jedenfalls für die Deutung des Complexes von Zuständen, welche man in den Begriff der Pyämie zusam- menfasst, wohl berücksichtigt werden. Ich sehe wenigstens keine andere Möglichkeit der Erklärung für gewisse mehr diffuse Pro- zesse, die nicht in der Form der gewöhnlichen umschriebenen Me- tastasen auftreten. Dahin gehört die Art von metastatischer Pleuritis, welche ohne metastatischen Abscess in der Lunge sich entwickelt, die scheinbar rheumatische Gelenkaffection, bei der man an den Gelenken keinen bestimmten Heerd findet, die diffuse gangränöse Entzündung des Unterhautgewebes, welche nicht wohl gedacht werden kann, ohne dass man auf eine mehr chemische Art der Infection zurückgeht. Hier handelt es sich, wie man bei der Pocken- und der Leicheninfection sieht, um eine Uebertragung von verdorbenen, ichorösen Säf- ten auf den Körper, und man muss eine Dyscrasie (icho- röse Infection) zulassen, wo in acuter Weise diese in den Körper gelangte ichoröse Substanz an den Organen, welche eine besondere Prädilection für solche Stoffe haben, ihre Wir- kung entfaltet.
Möglicherweise können nun im Laufe desselben Krank- heitsfalles die drei verschiedenen, von uns betrachteten Ver- änderungen neben einander bestehen. Es kann eine Vermeh- rung der farblosen Körperchen (Leukocytose) der Art statt- finden, dass man an die morphologische Pyämie glauben möchte. Dies wird jedenfalls stattfinden, wenn der Prozess mit ausgedehnter Reizung der Lymphdrüsen verbunden war. Man kann ferner Thrombenbildung und Embolie mit metastati- schen Heerden finden. Es kann endlich zugleich eine Auf- nahme von ichorösen oder fauligen Säften statthaben (Ichor- rhämie, Septhämie). Diese drei verschiedenen Zustände kön- nen sich compliciren, fallen aber nicht nothwendig jedesmal zusammen. Will man daher den Begriff der Pyämie festhalten, so kann man es für solche Complicationen thun, nur muss man nicht einen einheitlichen Mittelpunkt in einer
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Ichorrhämie.
sie stecken nur in einer starren Masse, und möglicher Weise könnte sogar noch eine Secretion aus ihnen erfolgen.
Diese Art von Metastasen, wo bestimmte Substanzen, aber nicht in einer palpablen Form, sondern in Lösung in die Blut- masse gelangen, muss jedenfalls für die Deutung des Complexes von Zuständen, welche man in den Begriff der Pyämie zusam- menfasst, wohl berücksichtigt werden. Ich sehe wenigstens keine andere Möglichkeit der Erklärung für gewisse mehr diffuse Pro- zesse, die nicht in der Form der gewöhnlichen umschriebenen Me- tastasen auftreten. Dahin gehört die Art von metastatischer Pleuritis, welche ohne metastatischen Abscess in der Lunge sich entwickelt, die scheinbar rheumatische Gelenkaffection, bei der man an den Gelenken keinen bestimmten Heerd findet, die diffuse gangränöse Entzündung des Unterhautgewebes, welche nicht wohl gedacht werden kann, ohne dass man auf eine mehr chemische Art der Infection zurückgeht. Hier handelt es sich, wie man bei der Pocken- und der Leicheninfection sieht, um eine Uebertragung von verdorbenen, ichorösen Säf- ten auf den Körper, und man muss eine Dyscrasie (icho- röse Infection) zulassen, wo in acuter Weise diese in den Körper gelangte ichoröse Substanz an den Organen, welche eine besondere Prädilection für solche Stoffe haben, ihre Wir- kung entfaltet.
Möglicherweise können nun im Laufe desselben Krank- heitsfalles die drei verschiedenen, von uns betrachteten Ver- änderungen neben einander bestehen. Es kann eine Vermeh- rung der farblosen Körperchen (Leukocytose) der Art statt- finden, dass man an die morphologische Pyämie glauben möchte. Dies wird jedenfalls stattfinden, wenn der Prozess mit ausgedehnter Reizung der Lymphdrüsen verbunden war. Man kann ferner Thrombenbildung und Embolie mit metastati- schen Heerden finden. Es kann endlich zugleich eine Auf- nahme von ichorösen oder fauligen Säften statthaben (Ichor- rhämie, Septhämie). Diese drei verschiedenen Zustände kön- nen sich compliciren, fallen aber nicht nothwendig jedesmal zusammen. Will man daher den Begriff der Pyämie festhalten, so kann man es für solche Complicationen thun, nur muss man nicht einen einheitlichen Mittelpunkt in einer
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Ichorrhämie.
sie stecken nur in einer starren Masse, und möglicher Weise
könnte sogar noch eine Secretion aus ihnen erfolgen.
Diese Art von Metastasen, wo bestimmte Substanzen, aber
nicht in einer palpablen Form, sondern in Lösung in die Blut-
masse gelangen, muss jedenfalls für die Deutung des Complexes
von Zuständen, welche man in den Begriff der Pyämie zusam-
menfasst, wohl berücksichtigt werden. Ich sehe wenigstens keine
andere Möglichkeit der Erklärung für gewisse mehr diffuse Pro-
zesse, die nicht in der Form der gewöhnlichen umschriebenen Me-
tastasen auftreten. Dahin gehört die Art von metastatischer
Pleuritis, welche ohne metastatischen Abscess in der Lunge sich
entwickelt, die scheinbar rheumatische Gelenkaffection, bei der
man an den Gelenken keinen bestimmten Heerd findet, die
diffuse gangränöse Entzündung des Unterhautgewebes, welche
nicht wohl gedacht werden kann, ohne dass man auf eine mehr
chemische Art der Infection zurückgeht. Hier handelt es sich,
wie man bei der Pocken- und der Leicheninfection sieht,
um eine Uebertragung von verdorbenen, ichorösen Säf-
ten auf den Körper, und man muss eine Dyscrasie (icho-
röse Infection) zulassen, wo in acuter Weise diese in den
Körper gelangte ichoröse Substanz an den Organen, welche
eine besondere Prädilection für solche Stoffe haben, ihre Wir-
kung entfaltet.
Möglicherweise können nun im Laufe desselben Krank-
heitsfalles die drei verschiedenen, von uns betrachteten Ver-
änderungen neben einander bestehen. Es kann eine Vermeh-
rung der farblosen Körperchen (Leukocytose) der Art statt-
finden, dass man an die morphologische Pyämie glauben
möchte. Dies wird jedenfalls stattfinden, wenn der Prozess
mit ausgedehnter Reizung der Lymphdrüsen verbunden war.
Man kann ferner Thrombenbildung und Embolie mit metastati-
schen Heerden finden. Es kann endlich zugleich eine Auf-
nahme von ichorösen oder fauligen Säften statthaben (Ichor-
rhämie, Septhämie). Diese drei verschiedenen Zustände kön-
nen sich compliciren, fallen aber nicht nothwendig jedesmal
zusammen. Will man daher den Begriff der Pyämie festhalten,
so kann man es für solche Complicationen thun, nur muss
man nicht einen einheitlichen Mittelpunkt in einer
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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