Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Thrombose und Phlebitis.
perchen gehen indess sehr frühzeitig zu Grunde; man sieht sie
bald blass werden; sie verlieren einen Theil ihres Farbstoffes,
verkleinern sich, indem zahlreiche dunkle Körnchen an ihrem
Umfange hervortreten (Fig. 54. a, 70. C.), und verschwinden
in der Mehrzahl der Fälle ganz, indem zuletzt nur diese Körn-
chen übrig bleiben. Allein es gibt auch Fälle, wo sich die
rothen Körperchen in der Erweichungsmasse erhalten. In der
Regel freilich gehen sie zu Grunde, und gerade darin beruht
die Eigenthümlichkeit der Umwandlung, durch welche eine
gelbweisse Flüssigkeit entsteht, die das äussere Ansehen
von Eiter hat. Auch dafür kann man ohne besondere Schwie-
rigkeiten eine Deutung finden, wenn man sich erinnert, wie
gering an sich die Widerstandsfähigkeit der rothen Blutkör-
perchen gegen die verschiedensten Agentien ist. Wenn Sie
zu einem Blutstropfen einen Tropfen Wasser setzen, so sehen
Sie die rothen Körperchen vor Ihren Augen verschwinden, die
farblosen zurückbleiben.

Das also, was man im gewöhnlichen Sinne eine suppura-
tive Phlebitis nennt, ist weder suppurativ, noch Phlebitis, son-
dern es ist ein Prozess, der mit einer Gerinnung, einer Throm-
busbildung aus dem Blute beginnt, und später die Thromben
erweichen macht; die ganze Geschichte des Prozesses beschränkt
sich zunächst auf die Geschichte des Thrombus. Ich muss
aber gerade hier hervorheben, dass ich nicht, wie man mir hier
und da nachgesagt hat, die Möglichkeit einer wirklichen Phle-
bitis in Abrede stelle, oder dass ich irgend wie gefunden hätte,
es gäbe keine Phlebitis. Allerdings gibt es eine Phle-
bitis
. Aber diese ist eine Entzündung, die wirklich die Wand
und nicht das Innere des Gefässes trifft. An grösseren Ge-
fässen können sich die verschiedensten Wandschichten ent-
zünden und alle möglichen Formen der Entzündung eingehen,
wobei aber das Lumen ganz intakt bleiben kann. Nach der
gewöhnlichen Auffassung dachte man sich die innere Gefäss-
haut wie eine seröse Haut, und wie diese leicht fibrinöse Ex-
sudate oder eitrige Massen hervorbringt, so setzte man das-
selbe bei der inneren Gefässhaut voraus. Ueber diesen
Punkt ist seit Jahren eine Reihe von Untersuchungen an-
gestellt, und ich selbst habe mich vielfach damit beschäftigt,

Thrombose und Phlebitis.
perchen gehen indess sehr frühzeitig zu Grunde; man sieht sie
bald blass werden; sie verlieren einen Theil ihres Farbstoffes,
verkleinern sich, indem zahlreiche dunkle Körnchen an ihrem
Umfange hervortreten (Fig. 54. a, 70. C.), und verschwinden
in der Mehrzahl der Fälle ganz, indem zuletzt nur diese Körn-
chen übrig bleiben. Allein es gibt auch Fälle, wo sich die
rothen Körperchen in der Erweichungsmasse erhalten. In der
Regel freilich gehen sie zu Grunde, und gerade darin beruht
die Eigenthümlichkeit der Umwandlung, durch welche eine
gelbweisse Flüssigkeit entsteht, die das äussere Ansehen
von Eiter hat. Auch dafür kann man ohne besondere Schwie-
rigkeiten eine Deutung finden, wenn man sich erinnert, wie
gering an sich die Widerstandsfähigkeit der rothen Blutkör-
perchen gegen die verschiedensten Agentien ist. Wenn Sie
zu einem Blutstropfen einen Tropfen Wasser setzen, so sehen
Sie die rothen Körperchen vor Ihren Augen verschwinden, die
farblosen zurückbleiben.

Das also, was man im gewöhnlichen Sinne eine suppura-
tive Phlebitis nennt, ist weder suppurativ, noch Phlebitis, son-
dern es ist ein Prozess, der mit einer Gerinnung, einer Throm-
busbildung aus dem Blute beginnt, und später die Thromben
erweichen macht; die ganze Geschichte des Prozesses beschränkt
sich zunächst auf die Geschichte des Thrombus. Ich muss
aber gerade hier hervorheben, dass ich nicht, wie man mir hier
und da nachgesagt hat, die Möglichkeit einer wirklichen Phle-
bitis in Abrede stelle, oder dass ich irgend wie gefunden hätte,
es gäbe keine Phlebitis. Allerdings gibt es eine Phle-
bitis
. Aber diese ist eine Entzündung, die wirklich die Wand
und nicht das Innere des Gefässes trifft. An grösseren Ge-
fässen können sich die verschiedensten Wandschichten ent-
zünden und alle möglichen Formen der Entzündung eingehen,
wobei aber das Lumen ganz intakt bleiben kann. Nach der
gewöhnlichen Auffassung dachte man sich die innere Gefäss-
haut wie eine seröse Haut, und wie diese leicht fibrinöse Ex-
sudate oder eitrige Massen hervorbringt, so setzte man das-
selbe bei der inneren Gefässhaut voraus. Ueber diesen
Punkt ist seit Jahren eine Reihe von Untersuchungen an-
gestellt, und ich selbst habe mich vielfach damit beschäftigt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="181"/><fw place="top" type="header">Thrombose und Phlebitis.</fw><lb/>
perchen gehen indess sehr frühzeitig zu Grunde; man sieht sie<lb/>
bald blass werden; sie verlieren einen Theil ihres Farbstoffes,<lb/>
verkleinern sich, indem zahlreiche dunkle Körnchen an ihrem<lb/>
Umfange hervortreten (Fig. 54. <hi rendition="#i">a</hi>, 70. <hi rendition="#i">C</hi>.), und verschwinden<lb/>
in der Mehrzahl der Fälle ganz, indem zuletzt nur diese Körn-<lb/>
chen übrig bleiben. Allein es gibt auch Fälle, wo sich die<lb/>
rothen Körperchen in der Erweichungsmasse erhalten. In der<lb/>
Regel freilich gehen sie zu Grunde, und gerade darin beruht<lb/>
die Eigenthümlichkeit der Umwandlung, durch welche eine<lb/>
gelbweisse Flüssigkeit entsteht, die das äussere Ansehen<lb/>
von Eiter hat. Auch dafür kann man ohne besondere Schwie-<lb/>
rigkeiten eine Deutung finden, wenn man sich erinnert, wie<lb/>
gering an sich die Widerstandsfähigkeit der rothen Blutkör-<lb/>
perchen gegen die verschiedensten Agentien ist. Wenn Sie<lb/>
zu einem Blutstropfen einen Tropfen Wasser setzen, so sehen<lb/>
Sie die rothen Körperchen vor Ihren Augen verschwinden, die<lb/>
farblosen zurückbleiben.</p><lb/>
        <p>Das also, was man im gewöhnlichen Sinne eine suppura-<lb/>
tive Phlebitis nennt, ist weder suppurativ, noch Phlebitis, son-<lb/>
dern es ist ein Prozess, der mit einer Gerinnung, einer Throm-<lb/>
busbildung aus dem Blute beginnt, und später die Thromben<lb/>
erweichen macht; die ganze Geschichte des Prozesses beschränkt<lb/>
sich zunächst auf die Geschichte des Thrombus. Ich muss<lb/>
aber gerade hier hervorheben, dass ich nicht, wie man mir hier<lb/>
und da nachgesagt hat, die Möglichkeit einer wirklichen Phle-<lb/>
bitis in Abrede stelle, oder dass ich irgend wie gefunden hätte,<lb/>
es gäbe keine Phlebitis. <hi rendition="#g">Allerdings gibt es eine Phle-<lb/>
bitis</hi>. Aber diese ist eine Entzündung, die wirklich die Wand<lb/>
und nicht das Innere des Gefässes trifft. An grösseren Ge-<lb/>
fässen können sich die verschiedensten Wandschichten ent-<lb/>
zünden und alle möglichen Formen der Entzündung eingehen,<lb/>
wobei aber das Lumen ganz intakt bleiben kann. Nach der<lb/>
gewöhnlichen Auffassung dachte man sich die innere Gefäss-<lb/>
haut wie eine seröse Haut, und wie diese leicht fibrinöse Ex-<lb/>
sudate oder eitrige Massen hervorbringt, so setzte man das-<lb/>
selbe bei der inneren Gefässhaut voraus. Ueber diesen<lb/>
Punkt ist seit Jahren eine Reihe von Untersuchungen an-<lb/>
gestellt, und ich selbst habe mich vielfach damit beschäftigt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0203] Thrombose und Phlebitis. perchen gehen indess sehr frühzeitig zu Grunde; man sieht sie bald blass werden; sie verlieren einen Theil ihres Farbstoffes, verkleinern sich, indem zahlreiche dunkle Körnchen an ihrem Umfange hervortreten (Fig. 54. a, 70. C.), und verschwinden in der Mehrzahl der Fälle ganz, indem zuletzt nur diese Körn- chen übrig bleiben. Allein es gibt auch Fälle, wo sich die rothen Körperchen in der Erweichungsmasse erhalten. In der Regel freilich gehen sie zu Grunde, und gerade darin beruht die Eigenthümlichkeit der Umwandlung, durch welche eine gelbweisse Flüssigkeit entsteht, die das äussere Ansehen von Eiter hat. Auch dafür kann man ohne besondere Schwie- rigkeiten eine Deutung finden, wenn man sich erinnert, wie gering an sich die Widerstandsfähigkeit der rothen Blutkör- perchen gegen die verschiedensten Agentien ist. Wenn Sie zu einem Blutstropfen einen Tropfen Wasser setzen, so sehen Sie die rothen Körperchen vor Ihren Augen verschwinden, die farblosen zurückbleiben. Das also, was man im gewöhnlichen Sinne eine suppura- tive Phlebitis nennt, ist weder suppurativ, noch Phlebitis, son- dern es ist ein Prozess, der mit einer Gerinnung, einer Throm- busbildung aus dem Blute beginnt, und später die Thromben erweichen macht; die ganze Geschichte des Prozesses beschränkt sich zunächst auf die Geschichte des Thrombus. Ich muss aber gerade hier hervorheben, dass ich nicht, wie man mir hier und da nachgesagt hat, die Möglichkeit einer wirklichen Phle- bitis in Abrede stelle, oder dass ich irgend wie gefunden hätte, es gäbe keine Phlebitis. Allerdings gibt es eine Phle- bitis. Aber diese ist eine Entzündung, die wirklich die Wand und nicht das Innere des Gefässes trifft. An grösseren Ge- fässen können sich die verschiedensten Wandschichten ent- zünden und alle möglichen Formen der Entzündung eingehen, wobei aber das Lumen ganz intakt bleiben kann. Nach der gewöhnlichen Auffassung dachte man sich die innere Gefäss- haut wie eine seröse Haut, und wie diese leicht fibrinöse Ex- sudate oder eitrige Massen hervorbringt, so setzte man das- selbe bei der inneren Gefässhaut voraus. Ueber diesen Punkt ist seit Jahren eine Reihe von Untersuchungen an- gestellt, und ich selbst habe mich vielfach damit beschäftigt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/203
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/203>, abgerufen am 28.11.2024.