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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebente Vorlesung.
körperchen werde aufgelöst, allein es ist eine schon längst be-
kannte Thatsache, wie zuerst von Carl Heinrich Schultz
gezeigt wurde, dass wenn auch scheinbar gar keine Blutkör-
perchen mehr vorhanden sind, man durch Zufügen von Jod-
wasser die Membranen wieder deutlich machen kann, woraus
hervorgeht, dass nur der Grad der Aufblähung und der ausser-
ordentlich dünne Zustand der Häute das Sichtbarwerden der Blut-
körperchen gehindert hat. Es bedarf schon sehr stürmischer Ein-
wirkungen durch chemisch differente Stoffe, um ein wirkliches
Zugrundegehen der Blutkörperchen zu Stande zu bringen.
Setzt man unmittelbar, nachdem man die Blutkörperchen mit
ganz concentrirter Salzlösung behandelt hat, Wasser in gros-
ser Menge hinzu, so kann man es dahin bringen, dass man
den Blutkörperchen, ohne dass sie aufquellen, den Inhalt ent-
zieht, und dass die Membran sichtbar zurückbleibt. Dies ist
der Grund gewesen, weshalb Denis und Lecanu davon ge-
sprochen haben, dass die Blutkörper Fibrin enthielten. Sie
haben geglaubt, dadurch, dass man die Körper erst mit Salz
und dann mit Wasser behandele, das Fibrin aus ihnen dar-
stellen zu können. Dies sogenannte Fibrin ist aber, wie ich
gezeigt habe, nichts Anderes, als die Membran der Blutkörper-
chen; wirkliches Fibrin ist nicht in ihnen enthalten, aber aller-
dings ist die Membran eine Substanz, die den eiweissartigen
Stoffen mehr oder weniger verwandt ist, und die, wenn sie in
grossen Haufen gewonnen wird, Erscheinungen darbieten kann,
die an Fibrin erinnern.

Was nun die Inhaltssubstanzen der Blutkörperchen anbe-
trifft, so haben sie gerade in der neueren Zeit ein grosses
Interesse gewonnen durch die mehr morphologischen Erschei-
nungen, welche man an ihnen beobachtet hat, und welche in die
ganze Lehre von der Natur der organischen Stoffe eine Art von
Umwälzung gebracht haben. Es handelt sich hier um die eigen-
thümlichen Formen von gefärbten Krystallen, die unter ge-
wissen Verhältnissen aus dem Blutfarbstoffe gewonnen werden
können, und die nicht bloss an sich ein grosses chemisches,
sondern auch ein sehr erhebliches praktisches Interesse gewon-
nen haben. Wir kennen bis jetzt schon drei verschiedene Ar-

Siebente Vorlesung.
körperchen werde aufgelöst, allein es ist eine schon längst be-
kannte Thatsache, wie zuerst von Carl Heinrich Schultz
gezeigt wurde, dass wenn auch scheinbar gar keine Blutkör-
perchen mehr vorhanden sind, man durch Zufügen von Jod-
wasser die Membranen wieder deutlich machen kann, woraus
hervorgeht, dass nur der Grad der Aufblähung und der ausser-
ordentlich dünne Zustand der Häute das Sichtbarwerden der Blut-
körperchen gehindert hat. Es bedarf schon sehr stürmischer Ein-
wirkungen durch chemisch differente Stoffe, um ein wirkliches
Zugrundegehen der Blutkörperchen zu Stande zu bringen.
Setzt man unmittelbar, nachdem man die Blutkörperchen mit
ganz concentrirter Salzlösung behandelt hat, Wasser in gros-
ser Menge hinzu, so kann man es dahin bringen, dass man
den Blutkörperchen, ohne dass sie aufquellen, den Inhalt ent-
zieht, und dass die Membran sichtbar zurückbleibt. Dies ist
der Grund gewesen, weshalb Denis und Lecanu davon ge-
sprochen haben, dass die Blutkörper Fibrin enthielten. Sie
haben geglaubt, dadurch, dass man die Körper erst mit Salz
und dann mit Wasser behandele, das Fibrin aus ihnen dar-
stellen zu können. Dies sogenannte Fibrin ist aber, wie ich
gezeigt habe, nichts Anderes, als die Membran der Blutkörper-
chen; wirkliches Fibrin ist nicht in ihnen enthalten, aber aller-
dings ist die Membran eine Substanz, die den eiweissartigen
Stoffen mehr oder weniger verwandt ist, und die, wenn sie in
grossen Haufen gewonnen wird, Erscheinungen darbieten kann,
die an Fibrin erinnern.

Was nun die Inhaltssubstanzen der Blutkörperchen anbe-
trifft, so haben sie gerade in der neueren Zeit ein grosses
Interesse gewonnen durch die mehr morphologischen Erschei-
nungen, welche man an ihnen beobachtet hat, und welche in die
ganze Lehre von der Natur der organischen Stoffe eine Art von
Umwälzung gebracht haben. Es handelt sich hier um die eigen-
thümlichen Formen von gefärbten Krystallen, die unter ge-
wissen Verhältnissen aus dem Blutfarbstoffe gewonnen werden
können, und die nicht bloss an sich ein grosses chemisches,
sondern auch ein sehr erhebliches praktisches Interesse gewon-
nen haben. Wir kennen bis jetzt schon drei verschiedene Ar-

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[128/0150] Siebente Vorlesung. körperchen werde aufgelöst, allein es ist eine schon längst be- kannte Thatsache, wie zuerst von Carl Heinrich Schultz gezeigt wurde, dass wenn auch scheinbar gar keine Blutkör- perchen mehr vorhanden sind, man durch Zufügen von Jod- wasser die Membranen wieder deutlich machen kann, woraus hervorgeht, dass nur der Grad der Aufblähung und der ausser- ordentlich dünne Zustand der Häute das Sichtbarwerden der Blut- körperchen gehindert hat. Es bedarf schon sehr stürmischer Ein- wirkungen durch chemisch differente Stoffe, um ein wirkliches Zugrundegehen der Blutkörperchen zu Stande zu bringen. Setzt man unmittelbar, nachdem man die Blutkörperchen mit ganz concentrirter Salzlösung behandelt hat, Wasser in gros- ser Menge hinzu, so kann man es dahin bringen, dass man den Blutkörperchen, ohne dass sie aufquellen, den Inhalt ent- zieht, und dass die Membran sichtbar zurückbleibt. Dies ist der Grund gewesen, weshalb Denis und Lecanu davon ge- sprochen haben, dass die Blutkörper Fibrin enthielten. Sie haben geglaubt, dadurch, dass man die Körper erst mit Salz und dann mit Wasser behandele, das Fibrin aus ihnen dar- stellen zu können. Dies sogenannte Fibrin ist aber, wie ich gezeigt habe, nichts Anderes, als die Membran der Blutkörper- chen; wirkliches Fibrin ist nicht in ihnen enthalten, aber aller- dings ist die Membran eine Substanz, die den eiweissartigen Stoffen mehr oder weniger verwandt ist, und die, wenn sie in grossen Haufen gewonnen wird, Erscheinungen darbieten kann, die an Fibrin erinnern. Was nun die Inhaltssubstanzen der Blutkörperchen anbe- trifft, so haben sie gerade in der neueren Zeit ein grosses Interesse gewonnen durch die mehr morphologischen Erschei- nungen, welche man an ihnen beobachtet hat, und welche in die ganze Lehre von der Natur der organischen Stoffe eine Art von Umwälzung gebracht haben. Es handelt sich hier um die eigen- thümlichen Formen von gefärbten Krystallen, die unter ge- wissen Verhältnissen aus dem Blutfarbstoffe gewonnen werden können, und die nicht bloss an sich ein grosses chemisches, sondern auch ein sehr erhebliches praktisches Interesse gewon- nen haben. Wir kennen bis jetzt schon drei verschiedene Ar-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/150>, abgerufen am 22.11.2024.