Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Specifische Affinitäten. len des Gehirns, Rückenmarks u. s. w. Andererseits sehenwir, dass gewisse Stoffe nähere Beziehung haben zu bestimm- ten Secretionsorganen, dass sie diese Secretionsorgane mit einer gewissen Wahlverwandtschaft durchdringen, dass sie in ihnen abgeschieden werden, und dass bei einer reichlicheren Zufuhr solcher Stoffe ein Zustand der Reizung in diesen Or- ganen stattfindet. Allein wesentlich setzt diese Annahme vor- aus, dass die Theile, welche eine besondere Wahlverwandt- schaft zu besonderen Stoffen haben sollen, überhaupt existiren, denn eine Niere, die ihr Epithel verliert, büsst damit auch ihre Secretionsfähigkeit ein; sie setzt ferner voraus, dass die Theile sich in einem Affinitätsverhältniss befinden, denn weder die kranke, noch die todte Niere hat mehr die Affinität zu be- sonderen Stoffen, welche die lebende und gesunde Drüse be- sass. Die Fähigkeit, bestimmte Stoffe anzuziehen und umzu- setzen, kann höchstens für eine kurze Zeit in einem Organe sich erhalten, welches nicht mehr in einer eigentlich lebendi- gen Verfassung bleibt. Wir werden daher am Ende immer genöthigt, die einzelnen Elemente als die wirksamen Factoren bei diesen Anziehungen zu betrachten. Eine Leberzelle kann aus dem Blute, welches durch das nächste Capillargefäss strömt, bestimmte Substanzen anziehen, aber sie muss eben zunächst vorhanden und sodann ihrer ganz besonderen Eigenthümlich- keit mächtig sein, um diese Anziehung ausüben zu können. Wird ein solches Element verändert, tritt eine Krankheit ein, welche in der molekularen, physikalischen oder chemischen Eigenthümlichkeit desselben Veränderungen setzt, so wird da- mit auch seine Fähigkeit geändert werden, diese besonderen Anziehungen auszuüben. Lassen Sie uns dies Beispiel noch genauer betrachten. 8*
Specifische Affinitäten. len des Gehirns, Rückenmarks u. s. w. Andererseits sehenwir, dass gewisse Stoffe nähere Beziehung haben zu bestimm- ten Secretionsorganen, dass sie diese Secretionsorgane mit einer gewissen Wahlverwandtschaft durchdringen, dass sie in ihnen abgeschieden werden, und dass bei einer reichlicheren Zufuhr solcher Stoffe ein Zustand der Reizung in diesen Or- ganen stattfindet. Allein wesentlich setzt diese Annahme vor- aus, dass die Theile, welche eine besondere Wahlverwandt- schaft zu besonderen Stoffen haben sollen, überhaupt existiren, denn eine Niere, die ihr Epithel verliert, büsst damit auch ihre Secretionsfähigkeit ein; sie setzt ferner voraus, dass die Theile sich in einem Affinitätsverhältniss befinden, denn weder die kranke, noch die todte Niere hat mehr die Affinität zu be- sonderen Stoffen, welche die lebende und gesunde Drüse be- sass. Die Fähigkeit, bestimmte Stoffe anzuziehen und umzu- setzen, kann höchstens für eine kurze Zeit in einem Organe sich erhalten, welches nicht mehr in einer eigentlich lebendi- gen Verfassung bleibt. Wir werden daher am Ende immer genöthigt, die einzelnen Elemente als die wirksamen Factoren bei diesen Anziehungen zu betrachten. Eine Leberzelle kann aus dem Blute, welches durch das nächste Capillargefäss strömt, bestimmte Substanzen anziehen, aber sie muss eben zunächst vorhanden und sodann ihrer ganz besonderen Eigenthümlich- keit mächtig sein, um diese Anziehung ausüben zu können. Wird ein solches Element verändert, tritt eine Krankheit ein, welche in der molekularen, physikalischen oder chemischen Eigenthümlichkeit desselben Veränderungen setzt, so wird da- mit auch seine Fähigkeit geändert werden, diese besonderen Anziehungen auszuüben. Lassen Sie uns dies Beispiel noch genauer betrachten. 8*
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Specifische Affinitäten.
len des Gehirns, Rückenmarks u. s. w. Andererseits sehen
wir, dass gewisse Stoffe nähere Beziehung haben zu bestimm-
ten Secretionsorganen, dass sie diese Secretionsorgane mit
einer gewissen Wahlverwandtschaft durchdringen, dass sie in
ihnen abgeschieden werden, und dass bei einer reichlicheren
Zufuhr solcher Stoffe ein Zustand der Reizung in diesen Or-
ganen stattfindet. Allein wesentlich setzt diese Annahme vor-
aus, dass die Theile, welche eine besondere Wahlverwandt-
schaft zu besonderen Stoffen haben sollen, überhaupt existiren,
denn eine Niere, die ihr Epithel verliert, büsst damit auch
ihre Secretionsfähigkeit ein; sie setzt ferner voraus, dass die
Theile sich in einem Affinitätsverhältniss befinden, denn weder
die kranke, noch die todte Niere hat mehr die Affinität zu be-
sonderen Stoffen, welche die lebende und gesunde Drüse be-
sass. Die Fähigkeit, bestimmte Stoffe anzuziehen und umzu-
setzen, kann höchstens für eine kurze Zeit in einem Organe
sich erhalten, welches nicht mehr in einer eigentlich lebendi-
gen Verfassung bleibt. Wir werden daher am Ende immer
genöthigt, die einzelnen Elemente als die wirksamen Factoren
bei diesen Anziehungen zu betrachten. Eine Leberzelle kann
aus dem Blute, welches durch das nächste Capillargefäss strömt,
bestimmte Substanzen anziehen, aber sie muss eben zunächst
vorhanden und sodann ihrer ganz besonderen Eigenthümlich-
keit mächtig sein, um diese Anziehung ausüben zu können.
Wird ein solches Element verändert, tritt eine Krankheit ein,
welche in der molekularen, physikalischen oder chemischen
Eigenthümlichkeit desselben Veränderungen setzt, so wird da-
mit auch seine Fähigkeit geändert werden, diese besonderen
Anziehungen auszuüben.
Lassen Sie uns dies Beispiel noch genauer betrachten.
Die Leberzellen stossen fast unmittelbar an die Wand der Ca-
pillaren, nur geschieden durch eine dünne Schicht einer feinen
Bindegewebslage. Wollten wir uns nun denken, dass die
Eigenthümlichkeit der Leber Galle abzusondern, bloss darin
beruhte, dass hier eine besondere Art der Gefäss-Einrichtung
wäre, so würde dies in der That nicht zu rechtfertigen sein.
Aehnliche Netze von Gefässen, welche zu einem grossen Theile
venöser Natur sind, finden sich an manchen anderen Orten,
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