Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.Sechste Vorlesung. fecte hervorbringen, so ist das kein Gegenbeweis. Wenn wirdas Ernährungsmaterial abschneiden oder verringern, so wer- den wir natürlich den Theil hindern, mehr aufzunehmen, aber nicht umgekehrt können wir ihn dadurch, dass wir ihm mehr Ernährungsmaterial darbieten, sofort veranlassen, mehr in sich aufzunehmen; das sind zwei ganz auseinander liegende Reihen. So nahe es auch liegt, und so gern ich auch zugestehe, dass es auf den ersten Blick etwas sehr Ueberzeugendes hat, aus der günstigen Wirkung, welche die Abschneidung der Blutzu- fuhr auf die Hemmung eines Vorganges hat, der unter einer Steigerung derselben entsteht, auf die Abhängigkeit jenes Vor- ganges von dieser Steigerung der Zufuhr zu schliessen, so meine ich doch, dass die praktische Beobachtung nicht in die- ser Weise gedeutet werden darf. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass, sei es in dem Blute als Ganzem, sei es in dem Blutgehalte des einzelnen Theiles, eine quantitative Zunahme er- folgt, um ohne Weiteres in der Ernährung der Theile eine gleiche Zunahme zu setzen, sondern es kommt meines Erach- tens darauf an, dass entweder besondere Zustände der Ge- webe (Reizung) bestehen, welche ihre Anziehungsverhältnisse zu Blutbestandtheilen ändern, oder dass besondere Stoffe im Blute vorhanden sind, ganz specifische Substanzen, auf welche bestimmte Theile der Gewebe eine besondere Anziehung aus- üben können. Wenden Sie diesen Satz auf die humoralpathologische Sechste Vorlesung. fecte hervorbringen, so ist das kein Gegenbeweis. Wenn wirdas Ernährungsmaterial abschneiden oder verringern, so wer- den wir natürlich den Theil hindern, mehr aufzunehmen, aber nicht umgekehrt können wir ihn dadurch, dass wir ihm mehr Ernährungsmaterial darbieten, sofort veranlassen, mehr in sich aufzunehmen; das sind zwei ganz auseinander liegende Reihen. So nahe es auch liegt, und so gern ich auch zugestehe, dass es auf den ersten Blick etwas sehr Ueberzeugendes hat, aus der günstigen Wirkung, welche die Abschneidung der Blutzu- fuhr auf die Hemmung eines Vorganges hat, der unter einer Steigerung derselben entsteht, auf die Abhängigkeit jenes Vor- ganges von dieser Steigerung der Zufuhr zu schliessen, so meine ich doch, dass die praktische Beobachtung nicht in die- ser Weise gedeutet werden darf. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass, sei es in dem Blute als Ganzem, sei es in dem Blutgehalte des einzelnen Theiles, eine quantitative Zunahme er- folgt, um ohne Weiteres in der Ernährung der Theile eine gleiche Zunahme zu setzen, sondern es kommt meines Erach- tens darauf an, dass entweder besondere Zustände der Ge- webe (Reizung) bestehen, welche ihre Anziehungsverhältnisse zu Blutbestandtheilen ändern, oder dass besondere Stoffe im Blute vorhanden sind, ganz specifische Substanzen, auf welche bestimmte Theile der Gewebe eine besondere Anziehung aus- üben können. Wenden Sie diesen Satz auf die humoralpathologische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0136" n="114"/><fw place="top" type="header">Sechste Vorlesung.</fw><lb/> fecte hervorbringen, so ist das kein Gegenbeweis. 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Wir wissen z. B., dass eine<lb/> Reihe von Substanzen in den Körper gebracht werden, welche<lb/> ganz besondere Anziehungen darbieten zum Nervenapparate,<lb/> und dass es innerhalb dieser Reihe wieder Substanzen gibt,<lb/> welche zu ganz bestimmten Theilen des Nervenapparates nähere<lb/> Beziehungen haben, so zum Gehirn, zum Rückenmark, zu den<lb/> sympathischen Ganglien, einzelne wieder zu besonderen Thei-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0136]
Sechste Vorlesung.
fecte hervorbringen, so ist das kein Gegenbeweis. Wenn wir
das Ernährungsmaterial abschneiden oder verringern, so wer-
den wir natürlich den Theil hindern, mehr aufzunehmen, aber
nicht umgekehrt können wir ihn dadurch, dass wir ihm mehr
Ernährungsmaterial darbieten, sofort veranlassen, mehr in sich
aufzunehmen; das sind zwei ganz auseinander liegende Reihen.
So nahe es auch liegt, und so gern ich auch zugestehe, dass
es auf den ersten Blick etwas sehr Ueberzeugendes hat, aus
der günstigen Wirkung, welche die Abschneidung der Blutzu-
fuhr auf die Hemmung eines Vorganges hat, der unter einer
Steigerung derselben entsteht, auf die Abhängigkeit jenes Vor-
ganges von dieser Steigerung der Zufuhr zu schliessen, so
meine ich doch, dass die praktische Beobachtung nicht in die-
ser Weise gedeutet werden darf. Es kommt nicht so sehr
darauf an, dass, sei es in dem Blute als Ganzem, sei es in dem
Blutgehalte des einzelnen Theiles, eine quantitative Zunahme er-
folgt, um ohne Weiteres in der Ernährung der Theile eine
gleiche Zunahme zu setzen, sondern es kommt meines Erach-
tens darauf an, dass entweder besondere Zustände der Ge-
webe (Reizung) bestehen, welche ihre Anziehungsverhältnisse
zu Blutbestandtheilen ändern, oder dass besondere Stoffe im
Blute vorhanden sind, ganz specifische Substanzen, auf welche
bestimmte Theile der Gewebe eine besondere Anziehung aus-
üben können.
Wenden Sie diesen Satz auf die humoralpathologische
Auffassung der Prozesse an, so werden Sie daraus abnehmen,
dass ich weit entfernt bin, die Richtigkeit der humoralen Deu-
tungen im Allgemeinen zu bestreiten, dass ich vielmehr die
Ueberzeugung hege, dass besondere Stoffe, welche in das Blut
gelangen, in einzelnen Theilen des Körpers besondere Verän-
derungen induciren können, indem sie in dieselben aufgenom-
men werden vermöge der specifischen Anziehung der einzel-
nen Theile zu einzelnen Stoffen. Wir wissen z. B., dass eine
Reihe von Substanzen in den Körper gebracht werden, welche
ganz besondere Anziehungen darbieten zum Nervenapparate,
und dass es innerhalb dieser Reihe wieder Substanzen gibt,
welche zu ganz bestimmten Theilen des Nervenapparates nähere
Beziehungen haben, so zum Gehirn, zum Rückenmark, zu den
sympathischen Ganglien, einzelne wieder zu besonderen Thei-
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