Membran betrachtete, welche eben nur eine Scheidewand zwi- schen zwei Flüssigkeiten bilde, die mit einander in ein Wech- selverhältniss treten; in diesem Verhältniss würden sie we- sentlich bestimmt durch den Concentrationszustand und die chemische Mischung, so dass, je nachdem die innere oder äussere Flüssigkeit concentrirter wäre, der Strom der Diffusion bald nach aussen, bald nach innen ginge, und dass, je nach den chemischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Säfte ge- wisse Modifikationen in diesen Strömen entständen. Im Allge- meinen ist jedoch grade die chemische Seite dieser Frage wenig berücksichtigt worden.
Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass es gewisse Thatsachen gibt, welche auf eine andere Weise nicht wohl erklärt werden können, namentlich wo es sich um wesentliche Abänderungen in den Concentrationszuständen der Säfte han- delt, z. B. bei der Form von Cataract, welche Kunde bei Fröschen künstlich durch Einbringung von Salz in den Darm- kanal oder das Unterhautgewebe hervorgebracht hat. Allein in dem Maasse, als man sich beim physikalischen Studium der Diffusions-Phänomene überzeugt hat, dass die Membran, welche die Flüssigkeiten trennt, kein gleichgültiges Ding ist, sondern dass die Natur derselben unmittelbar bestimmend wirkt auf die Fähigkeit des Durchtrittes der Flüssigkeiten, so wird man auch bei der Gefässhaut einen solchen Einfluss nicht läugnen können. Indess darf man auch nicht so weit gehen, dass man etwa der Gefässhaut die ganze Eigenthüm- lichkeit des Stoffwechsels zuschriebe, und dass man daraus z. B. erklärte, warum gewisse Stoffe, welche in der Blut- mischung vertheilt sind, nicht allen Theilen gleichmässig zu- kommen, sondern an einzelnen Stellen in grösserer, an ande- ren in kleinerer Masse, an anderen gar nicht austreten. Diese Eigenthümlichkeiten hängen offenbar ab einerseits von den Verschiedenheiten des Druckes, welcher auf der Blutsäule ein- zelner Theile lastet, andererseits von den Besonderheiten der Gewebe, und man wird sowohl durch das Studium der einfach pathologischen, als namentlich durch das Studium der pharma- kodynamischen Erscheinungen mit Nothwendigkeit dazu ge- trieben, gewisse Affinitäten zuzulassen, welche zwischen be-
Diffusion und Affinitäten der Stoffe.
Membran betrachtete, welche eben nur eine Scheidewand zwi- schen zwei Flüssigkeiten bilde, die mit einander in ein Wech- selverhältniss treten; in diesem Verhältniss würden sie we- sentlich bestimmt durch den Concentrationszustand und die chemische Mischung, so dass, je nachdem die innere oder äussere Flüssigkeit concentrirter wäre, der Strom der Diffusion bald nach aussen, bald nach innen ginge, und dass, je nach den chemischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Säfte ge- wisse Modifikationen in diesen Strömen entständen. Im Allge- meinen ist jedoch grade die chemische Seite dieser Frage wenig berücksichtigt worden.
Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass es gewisse Thatsachen gibt, welche auf eine andere Weise nicht wohl erklärt werden können, namentlich wo es sich um wesentliche Abänderungen in den Concentrationszuständen der Säfte han- delt, z. B. bei der Form von Cataract, welche Kunde bei Fröschen künstlich durch Einbringung von Salz in den Darm- kanal oder das Unterhautgewebe hervorgebracht hat. Allein in dem Maasse, als man sich beim physikalischen Studium der Diffusions-Phänomene überzeugt hat, dass die Membran, welche die Flüssigkeiten trennt, kein gleichgültiges Ding ist, sondern dass die Natur derselben unmittelbar bestimmend wirkt auf die Fähigkeit des Durchtrittes der Flüssigkeiten, so wird man auch bei der Gefässhaut einen solchen Einfluss nicht läugnen können. Indess darf man auch nicht so weit gehen, dass man etwa der Gefässhaut die ganze Eigenthüm- lichkeit des Stoffwechsels zuschriebe, und dass man daraus z. B. erklärte, warum gewisse Stoffe, welche in der Blut- mischung vertheilt sind, nicht allen Theilen gleichmässig zu- kommen, sondern an einzelnen Stellen in grösserer, an ande- ren in kleinerer Masse, an anderen gar nicht austreten. Diese Eigenthümlichkeiten hängen offenbar ab einerseits von den Verschiedenheiten des Druckes, welcher auf der Blutsäule ein- zelner Theile lastet, andererseits von den Besonderheiten der Gewebe, und man wird sowohl durch das Studium der einfach pathologischen, als namentlich durch das Studium der pharma- kodynamischen Erscheinungen mit Nothwendigkeit dazu ge- trieben, gewisse Affinitäten zuzulassen, welche zwischen be-
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[111/0133]
Diffusion und Affinitäten der Stoffe.
Membran betrachtete, welche eben nur eine Scheidewand zwi-
schen zwei Flüssigkeiten bilde, die mit einander in ein Wech-
selverhältniss treten; in diesem Verhältniss würden sie we-
sentlich bestimmt durch den Concentrationszustand und die
chemische Mischung, so dass, je nachdem die innere oder
äussere Flüssigkeit concentrirter wäre, der Strom der Diffusion
bald nach aussen, bald nach innen ginge, und dass, je nach
den chemischen Eigenthümlichkeiten der einzelnen Säfte ge-
wisse Modifikationen in diesen Strömen entständen. Im Allge-
meinen ist jedoch grade die chemische Seite dieser Frage
wenig berücksichtigt worden.
Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass es gewisse
Thatsachen gibt, welche auf eine andere Weise nicht wohl
erklärt werden können, namentlich wo es sich um wesentliche
Abänderungen in den Concentrationszuständen der Säfte han-
delt, z. B. bei der Form von Cataract, welche Kunde bei
Fröschen künstlich durch Einbringung von Salz in den Darm-
kanal oder das Unterhautgewebe hervorgebracht hat. Allein
in dem Maasse, als man sich beim physikalischen Studium
der Diffusions-Phänomene überzeugt hat, dass die Membran,
welche die Flüssigkeiten trennt, kein gleichgültiges Ding ist,
sondern dass die Natur derselben unmittelbar bestimmend
wirkt auf die Fähigkeit des Durchtrittes der Flüssigkeiten, so
wird man auch bei der Gefässhaut einen solchen Einfluss
nicht läugnen können. Indess darf man auch nicht so weit
gehen, dass man etwa der Gefässhaut die ganze Eigenthüm-
lichkeit des Stoffwechsels zuschriebe, und dass man daraus
z. B. erklärte, warum gewisse Stoffe, welche in der Blut-
mischung vertheilt sind, nicht allen Theilen gleichmässig zu-
kommen, sondern an einzelnen Stellen in grösserer, an ande-
ren in kleinerer Masse, an anderen gar nicht austreten. Diese
Eigenthümlichkeiten hängen offenbar ab einerseits von den
Verschiedenheiten des Druckes, welcher auf der Blutsäule ein-
zelner Theile lastet, andererseits von den Besonderheiten der
Gewebe, und man wird sowohl durch das Studium der einfach
pathologischen, als namentlich durch das Studium der pharma-
kodynamischen Erscheinungen mit Nothwendigkeit dazu ge-
trieben, gewisse Affinitäten zuzulassen, welche zwischen be-
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/133>, abgerufen am 17.02.2025.
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