tend machen. Allein jede Beobachtung, welche wir am leben- den Thiere machen, lehrt uns, dass innerhalb der Capillaren der Strom ein continuirlicher ist Diese gleichmässige Fortbe- wegung wird dadurch hervorgebracht, dass die Arterien in Folge der Elasticität ihrer Wandungen den Stoss, welchen sie durch das eindringende Blut empfangen, mit derselben Gewalt dem Blute zurückgeben, sonach während der Zeit der fol- genden Herz-Diastole einen regelmässigen Fortschritt des Blutes unterhalten.
Lässt die Elasticität des Gefässes erheblich nach, ohne dass in demselben Maasse das Gefäss starr und unbeweglich wird (Verkalkung), so wird die Erweiterung, welche das Ge- fäss unter dem Drange des Blutes empfängt, nicht wieder ausgeglichen; das Gefäss bleibt im Zustande der Erweite- rung, und wir bekommen allmälig die bekannten Formen der Ectasie, wie wir sie an den Arterien als Aneurysmen, an den Venen als Varicen kennen. Es handelt sich bei diesen Processen nicht so sehr, wie man in neuerer Zeit geschildert hat, um primäre Erkrankungen der innern Haut, sondern um Veränderungen, welche in der elastischen und muskulösen mittleren Haut liegen.
Wenn demnach die muskulösen Elemente der Arterien den gewichtigsten Einfluss auf das Maass und die Art der Blutvertheilung in den einzelnen Organen, die elastischen Ele- mente die grösste Bedeutung für die Herstellung eines schnel- len und gleichmässigen Stromes haben, so üben sie doch nur eine mittelbare Wirkung auf die Ernährung der ausserhalb der Gefässe selbst liegenden Theile aus, und wir werden für diese Frage in letzter Instanz hingewiesen auf die einfache homogene Capillarmembran, ohne welche ja nicht einmal die Wandbestandtheile der grösseren, mit Vasa vasorum ver- sehenen Gefässe sich auf die Dauer zu erhalten vermöchten. Hier hat man sich, wie Sie wissen, in dem letzten Decennium am meisten damit geholfen, dass man zwischen dem Inhalt des Gefässes und der Flüssigkeit der Gewebe Diffusions- strömungen annahm, die Endosmose und Exosmose, und dass man die Gefässhaut als eine mehr oder weniger indifferente
Sechste Vorlesung.
tend machen. Allein jede Beobachtung, welche wir am leben- den Thiere machen, lehrt uns, dass innerhalb der Capillaren der Strom ein continuirlicher ist Diese gleichmässige Fortbe- wegung wird dadurch hervorgebracht, dass die Arterien in Folge der Elasticität ihrer Wandungen den Stoss, welchen sie durch das eindringende Blut empfangen, mit derselben Gewalt dem Blute zurückgeben, sonach während der Zeit der fol- genden Herz-Diastole einen regelmässigen Fortschritt des Blutes unterhalten.
Lässt die Elasticität des Gefässes erheblich nach, ohne dass in demselben Maasse das Gefäss starr und unbeweglich wird (Verkalkung), so wird die Erweiterung, welche das Ge- fäss unter dem Drange des Blutes empfängt, nicht wieder ausgeglichen; das Gefäss bleibt im Zustande der Erweite- rung, und wir bekommen allmälig die bekannten Formen der Ectasie, wie wir sie an den Arterien als Aneurysmen, an den Venen als Varicen kennen. Es handelt sich bei diesen Processen nicht so sehr, wie man in neuerer Zeit geschildert hat, um primäre Erkrankungen der innern Haut, sondern um Veränderungen, welche in der elastischen und muskulösen mittleren Haut liegen.
Wenn demnach die muskulösen Elemente der Arterien den gewichtigsten Einfluss auf das Maass und die Art der Blutvertheilung in den einzelnen Organen, die elastischen Ele- mente die grösste Bedeutung für die Herstellung eines schnel- len und gleichmässigen Stromes haben, so üben sie doch nur eine mittelbare Wirkung auf die Ernährung der ausserhalb der Gefässe selbst liegenden Theile aus, und wir werden für diese Frage in letzter Instanz hingewiesen auf die einfache homogene Capillarmembran, ohne welche ja nicht einmal die Wandbestandtheile der grösseren, mit Vasa vasorum ver- sehenen Gefässe sich auf die Dauer zu erhalten vermöchten. Hier hat man sich, wie Sie wissen, in dem letzten Decennium am meisten damit geholfen, dass man zwischen dem Inhalt des Gefässes und der Flüssigkeit der Gewebe Diffusions- strömungen annahm, die Endosmose und Exosmose, und dass man die Gefässhaut als eine mehr oder weniger indifferente
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Sechste Vorlesung.
tend machen. Allein jede Beobachtung, welche wir am leben-
den Thiere machen, lehrt uns, dass innerhalb der Capillaren
der Strom ein continuirlicher ist Diese gleichmässige Fortbe-
wegung wird dadurch hervorgebracht, dass die Arterien in
Folge der Elasticität ihrer Wandungen den Stoss, welchen sie
durch das eindringende Blut empfangen, mit derselben Gewalt
dem Blute zurückgeben, sonach während der Zeit der fol-
genden Herz-Diastole einen regelmässigen Fortschritt des Blutes
unterhalten.
Lässt die Elasticität des Gefässes erheblich nach, ohne
dass in demselben Maasse das Gefäss starr und unbeweglich
wird (Verkalkung), so wird die Erweiterung, welche das Ge-
fäss unter dem Drange des Blutes empfängt, nicht wieder
ausgeglichen; das Gefäss bleibt im Zustande der Erweite-
rung, und wir bekommen allmälig die bekannten Formen der
Ectasie, wie wir sie an den Arterien als Aneurysmen, an
den Venen als Varicen kennen. Es handelt sich bei diesen
Processen nicht so sehr, wie man in neuerer Zeit geschildert
hat, um primäre Erkrankungen der innern Haut, sondern um
Veränderungen, welche in der elastischen und muskulösen
mittleren Haut liegen.
Wenn demnach die muskulösen Elemente der Arterien
den gewichtigsten Einfluss auf das Maass und die Art der
Blutvertheilung in den einzelnen Organen, die elastischen Ele-
mente die grösste Bedeutung für die Herstellung eines schnel-
len und gleichmässigen Stromes haben, so üben sie doch nur
eine mittelbare Wirkung auf die Ernährung der ausserhalb
der Gefässe selbst liegenden Theile aus, und wir werden für
diese Frage in letzter Instanz hingewiesen auf die einfache
homogene Capillarmembran, ohne welche ja nicht einmal
die Wandbestandtheile der grösseren, mit Vasa vasorum ver-
sehenen Gefässe sich auf die Dauer zu erhalten vermöchten.
Hier hat man sich, wie Sie wissen, in dem letzten Decennium
am meisten damit geholfen, dass man zwischen dem Inhalt
des Gefässes und der Flüssigkeit der Gewebe Diffusions-
strömungen annahm, die Endosmose und Exosmose, und dass
man die Gefässhaut als eine mehr oder weniger indifferente
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/132>, abgerufen am 17.02.2025.
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