Fragt nicht, warum mein Sinn so rastlos eilt; Für mich ist nirgends Ruh, als wo sie weilt.
Juliane, erhitzt vom raschen Tanz, lehn- te sich an Eduard, ein sanfter Wind, der hoch in den Wipfeln der jungen Birken rauschte, kühlte ihr das glühende Gesicht, und wehte die Locken zurück, die in der Bewegung durch ihre eigne Schwere sich von der Nadel losge- macht hatten, und nun bis tief auf die Hüf- ten herabfielen. Eduard verlor sich ganz im Anschaun ihrer Schönheit, und die Töne der Guitarre, die dazu gesungenen Worte dran- gen in sein Jnnerstes. Er drückte Julianen mit Heftigkeit an seine Brust; die Gegen- wart des Freundes vergessend hielt er sich nicht länger, seine Lippen waren fest auf die ihrigen gepreßt, seine Umarmung wurde küh- ner, er war ausser sich. -- Juliane er- schrack, wand sich geschickt aus seinen Ar- men, und stand auf, ihm einen züruenden
Fragt nicht, warum mein Sinn ſo raſtlos eilt; Fuͤr mich iſt nirgends Ruh, als wo ſie weilt.
Juliane, erhitzt vom raſchen Tanz, lehn- te ſich an Eduard, ein ſanfter Wind, der hoch in den Wipfeln der jungen Birken rauſchte, kuͤhlte ihr das gluͤhende Geſicht, und wehte die Locken zuruͤck, die in der Bewegung durch ihre eigne Schwere ſich von der Nadel losge- macht hatten, und nun bis tief auf die Huͤf- ten herabfielen. Eduard verlor ſich ganz im Anſchaun ihrer Schoͤnheit, und die Toͤne der Guitarre, die dazu geſungenen Worte dran- gen in ſein Jnnerſtes. Er druͤckte Julianen mit Heftigkeit an ſeine Bruſt; die Gegen- wart des Freundes vergeſſend hielt er ſich nicht laͤnger, ſeine Lippen waren feſt auf die ihrigen gepreßt, ſeine Umarmung wurde kuͤh- ner, er war auſſer ſich. — Juliane er- ſchrack, wand ſich geſchickt aus ſeinen Ar- men, und ſtand auf, ihm einen zuͤruenden
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Fragt nicht, warum mein Sinn ſo raſtlos
eilt;
Fuͤr mich iſt nirgends Ruh, als wo ſie
weilt.
Juliane, erhitzt vom raſchen Tanz, lehn-
te ſich an Eduard, ein ſanfter Wind, der hoch
in den Wipfeln der jungen Birken rauſchte,
kuͤhlte ihr das gluͤhende Geſicht, und wehte
die Locken zuruͤck, die in der Bewegung durch
ihre eigne Schwere ſich von der Nadel losge-
macht hatten, und nun bis tief auf die Huͤf-
ten herabfielen. Eduard verlor ſich ganz im
Anſchaun ihrer Schoͤnheit, und die Toͤne der
Guitarre, die dazu geſungenen Worte dran-
gen in ſein Jnnerſtes. Er druͤckte Julianen
mit Heftigkeit an ſeine Bruſt; die Gegen-
wart des Freundes vergeſſend hielt er ſich
nicht laͤnger, ſeine Lippen waren feſt auf die
ihrigen gepreßt, ſeine Umarmung wurde kuͤh-
ner, er war auſſer ſich. — Juliane er-
ſchrack, wand ſich geſchickt aus ſeinen Ar-
men, und ſtand auf, ihm einen zuͤruenden
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/85>, abgerufen am 24.11.2024.
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