tin sollte ich Jhnen also erzählen? Es ist wahr liebe Tante, daß er uns allen werth geworden ist. Er macht jetzt das Le- ben und die Seele der Gesellschaft aus. Mit dem sonderbarsten, oft zurückstoßenden We- sen weiß er es doch jedem recht zu machen, und zieht jedes Herz an sich, ohne sich viel darum zu bekümmern. Es hilft nichts, wenn man auch seinen ganzen Stolz dagegen setzt, man wird auf irgend eine Weise doch sein ei- gen. Oft ist es recht ärgerlich, daß man nicht widerstehen kann, da er selber nicht festzuhalten ist. Einmal scheint es, als ver- bände er mit den Worten noch einen andern Sinn, als den sie haben sollen; ein an- dermal macht er zu den schmeichelhaftesten Dingen, die ihm gesagt werden, ein gleich- gültiges Gesicht, als müßte es eben nicht anders seyn; dann freut | ihn ganz wider Vermuthen einmal ein absichtsloses Wort, das von ungefähr gesprochen wird; da weiß er immer einen ganz eignen Sinn, ich weiß nicht, ob hinein zu legen, oder heraus zu
Florentin. I. 5
tin ſollte ich Jhnen alſo erzaͤhlen? Es iſt wahr liebe Tante, daß er uns allen werth geworden iſt. Er macht jetzt das Le- ben und die Seele der Geſellſchaft aus. Mit dem ſonderbarſten, oft zuruͤckſtoßenden We- ſen weiß er es doch jedem recht zu machen, und zieht jedes Herz an ſich, ohne ſich viel darum zu bekuͤmmern. Es hilft nichts, wenn man auch ſeinen ganzen Stolz dagegen ſetzt, man wird auf irgend eine Weiſe doch ſein ei- gen. Oft iſt es recht aͤrgerlich, daß man nicht widerſtehen kann, da er ſelber nicht feſtzuhalten iſt. Einmal ſcheint es, als ver- baͤnde er mit den Worten noch einen andern Sinn, als den ſie haben ſollen; ein an- dermal macht er zu den ſchmeichelhafteſten Dingen, die ihm geſagt werden, ein gleich- guͤltiges Geſicht, als muͤßte es eben nicht anders ſeyn; dann freut | ihn ganz wider Vermuthen einmal ein abſichtsloſes Wort, das von ungefaͤhr geſprochen wird; da weiß er immer einen ganz eignen Sinn, ich weiß nicht, ob hinein zu legen, oder heraus zu
Florentin. I. 5
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tin ſollte ich Jhnen alſo erzaͤhlen? Es
iſt wahr liebe Tante, daß er uns allen
werth geworden iſt. Er macht jetzt das Le-
ben und die Seele der Geſellſchaft aus. Mit
dem ſonderbarſten, oft zuruͤckſtoßenden We-
ſen weiß er es doch jedem recht zu machen,
und zieht jedes Herz an ſich, ohne ſich viel
darum zu bekuͤmmern. Es hilft nichts, wenn
man auch ſeinen ganzen Stolz dagegen ſetzt,
man wird auf irgend eine Weiſe doch ſein ei-
gen. Oft iſt es recht aͤrgerlich, daß man
nicht widerſtehen kann, da er ſelber nicht
feſtzuhalten iſt. Einmal ſcheint es, als ver-
baͤnde er mit den Worten noch einen andern
Sinn, als den ſie haben ſollen; ein an-
dermal macht er zu den ſchmeichelhafteſten
Dingen, die ihm geſagt werden, ein gleich-
guͤltiges Geſicht, als muͤßte es eben nicht
anders ſeyn; dann freut | ihn ganz wider
Vermuthen einmal ein abſichtsloſes Wort, das
von ungefaͤhr geſprochen wird; da weiß
er immer einen ganz eignen Sinn, ich weiß
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Florentin. I. 5
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/73>, abgerufen am 22.11.2024.
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