Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

neben einander besiehen; eben so werden Sie
es im Garten, im Park, kurz überall finden.
Wer aber die Menschen kennt, die hier woh-
nen, der wird bald das Uebereinstimmende in
diesen anscheinenden Ungleichheiten finden. Die
Grafin ist eine vortreffliche Frau; mit wahrer
Religiosität ehrt sie das Gemüth ihres Gemahls
und alles, was ihm heilig ist. Darf man ihr
wohl keinen Sum für das Schöne zutrauen,
weil sie nicht wie die Kinder alles gewohnte
Spielzeug zerstört, immer nach neuem greift,
und das letzte jedesmahl für das Schönste
hält? -- Was ich sie über Werke der Kunst
habe sprechen hören, verrieth gewiß keinen ge-
meinen Sinn, fagte Florentin. -- Sie hat
große Reisen gemacht und viele der vorzüglich-
sten Kunstwerke selbst zu sehen Gelegenheit ge-
habt. Doch kommen Sie jetzt, man wird uns
erwarten; ich will vorher zusehen, ob der Graf
nicht in seiner Bibliothek ist, ich habe ihn heute
noch nicht gesehen, vielleicht geht er dann mit
uns hinunter. -- Jch begleite Sie." --

Sie traten in das Cabinett des Grafen, er

neben einander beſiehen; eben ſo werden Sie
es im Garten, im Park, kurz uͤberall finden.
Wer aber die Menſchen kennt, die hier woh-
nen, der wird bald das Uebereinſtimmende in
dieſen anſcheinenden Ungleichheiten finden. Die
Grafin iſt eine vortreffliche Frau; mit wahrer
Religioſitaͤt ehrt ſie das Gemuͤth ihres Gemahls
und alles, was ihm heilig iſt. Darf man ihr
wohl keinen Sum fuͤr das Schoͤne zutrauen,
weil ſie nicht wie die Kinder alles gewohnte
Spielzeug zerſtoͤrt, immer nach neuem greift,
und das letzte jedesmahl fuͤr das Schoͤnſte
haͤlt? — Was ich ſie uͤber Werke der Kunſt
habe ſprechen hoͤren, verrieth gewiß keinen ge-
meinen Sinn, fagte Florentin. — Sie hat
große Reiſen gemacht und viele der vorzuͤglich-
ſten Kunſtwerke ſelbſt zu ſehen Gelegenheit ge-
habt. Doch kommen Sie jetzt, man wird uns
erwarten; ich will vorher zuſehen, ob der Graf
nicht in ſeiner Bibliothek iſt, ich habe ihn heute
noch nicht geſehen, vielleicht geht er dann mit
uns hinunter. — Jch begleite Sie.‟ —

Sie traten in das Cabinett des Grafen, er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="46"/>
neben einander be&#x017F;iehen; eben &#x017F;o werden Sie<lb/>
es im Garten, im Park, kurz u&#x0364;berall finden.<lb/>
Wer aber die Men&#x017F;chen kennt, die hier woh-<lb/>
nen, der wird bald das Ueberein&#x017F;timmende in<lb/>
die&#x017F;en an&#x017F;cheinenden Ungleichheiten finden. Die<lb/>
Grafin i&#x017F;t eine vortreffliche Frau; mit wahrer<lb/>
Religio&#x017F;ita&#x0364;t ehrt &#x017F;ie das Gemu&#x0364;th ihres Gemahls<lb/>
und alles, was ihm heilig i&#x017F;t. Darf man ihr<lb/>
wohl keinen Sum fu&#x0364;r das Scho&#x0364;ne zutrauen,<lb/>
weil &#x017F;ie nicht wie die Kinder alles gewohnte<lb/>
Spielzeug zer&#x017F;to&#x0364;rt, immer nach neuem greift,<lb/>
und das letzte jedesmahl fu&#x0364;r das Scho&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
ha&#x0364;lt? &#x2014; Was ich &#x017F;ie u&#x0364;ber Werke der Kun&#x017F;t<lb/>
habe &#x017F;prechen ho&#x0364;ren, verrieth gewiß keinen ge-<lb/>
meinen Sinn, fagte Florentin. &#x2014; Sie hat<lb/>
große Rei&#x017F;en gemacht und viele der vorzu&#x0364;glich-<lb/>
&#x017F;ten Kun&#x017F;twerke &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;ehen Gelegenheit ge-<lb/>
habt. Doch kommen Sie jetzt, man wird uns<lb/>
erwarten; ich will vorher zu&#x017F;ehen, ob der Graf<lb/>
nicht in &#x017F;einer Bibliothek i&#x017F;t, ich habe ihn heute<lb/>
noch nicht ge&#x017F;ehen, vielleicht geht er dann mit<lb/>
uns hinunter. &#x2014; Jch begleite Sie.&#x201F; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie traten in das Cabinett des Grafen, er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0054] neben einander beſiehen; eben ſo werden Sie es im Garten, im Park, kurz uͤberall finden. Wer aber die Menſchen kennt, die hier woh- nen, der wird bald das Uebereinſtimmende in dieſen anſcheinenden Ungleichheiten finden. Die Grafin iſt eine vortreffliche Frau; mit wahrer Religioſitaͤt ehrt ſie das Gemuͤth ihres Gemahls und alles, was ihm heilig iſt. Darf man ihr wohl keinen Sum fuͤr das Schoͤne zutrauen, weil ſie nicht wie die Kinder alles gewohnte Spielzeug zerſtoͤrt, immer nach neuem greift, und das letzte jedesmahl fuͤr das Schoͤnſte haͤlt? — Was ich ſie uͤber Werke der Kunſt habe ſprechen hoͤren, verrieth gewiß keinen ge- meinen Sinn, fagte Florentin. — Sie hat große Reiſen gemacht und viele der vorzuͤglich- ſten Kunſtwerke ſelbſt zu ſehen Gelegenheit ge- habt. Doch kommen Sie jetzt, man wird uns erwarten; ich will vorher zuſehen, ob der Graf nicht in ſeiner Bibliothek iſt, ich habe ihn heute noch nicht geſehen, vielleicht geht er dann mit uns hinunter. — Jch begleite Sie.‟ — Sie traten in das Cabinett des Grafen, er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/54
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/54>, abgerufen am 12.12.2024.