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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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derbares erzählen. Berauscht von einer süß-
tönenden Harmonie, sagen sie, wird man
hinein gezogen; wer am Eingange stehen
bleibt, ahndet nichts als Schrecknisse in der
Verworrenheit, die sein Blick nicht zu durch-
dringen vermag; wer aber unerschrocken vor-
dringt, der findet ewige Freuden; und wer
sich voll Ungeduld wieder hinauszusehnen ver-
mag, findet doch sonst nirgend Ruhe, und
unaufhaltsam zieht der Zauber ihn wieder zu-
rück. -- Nun mir scheint dieser Zauber doch
in nichts zu liegen, als im Hochmuth sich
so gern etwas gar großes zu dünken. Dies
ist der Rausch, der ihre Sinne gefangen hält,
daß sie in die schwindelnde Tiefe wieder zu-
rück müssen, und in der freyen Welt sich nicht
zu finden wissen, wo jeder gleicher Rechte sich
erfreut, und niemand sich über den andern
erheben darf. -- Nun sehen Sie, so ist es
doch nur anders maskirter Hochmuth, der es
Jhnen so verleidet, unter den Emporstreben-
den zu existiren. -- O guter Gott, es mag
wohl seyn, nichts ist ansteckender als das Böse!

derbares erzaͤhlen. Berauſcht von einer ſuͤß-
toͤnenden Harmonie, ſagen ſie, wird man
hinein gezogen; wer am Eingange ſtehen
bleibt, ahndet nichts als Schreckniſſe in der
Verworrenheit, die ſein Blick nicht zu durch-
dringen vermag; wer aber unerſchrocken vor-
dringt, der findet ewige Freuden; und wer
ſich voll Ungeduld wieder hinauszuſehnen ver-
mag, findet doch ſonſt nirgend Ruhe, und
unaufhaltſam zieht der Zauber ihn wieder zu-
ruͤck. — Nun mir ſcheint dieſer Zauber doch
in nichts zu liegen, als im Hochmuth ſich
ſo gern etwas gar großes zu duͤnken. Dies
iſt der Rauſch, der ihre Sinne gefangen haͤlt,
daß ſie in die ſchwindelnde Tiefe wieder zu-
ruͤck muͤſſen, und in der freyen Welt ſich nicht
zu finden wiſſen, wo jeder gleicher Rechte ſich
erfreut, und niemand ſich uͤber den andern
erheben darf. — Nun ſehen Sie, ſo iſt es
doch nur anders maskirter Hochmuth, der es
Jhnen ſo verleidet, unter den Emporſtreben-
den zu exiſtiren. — O guter Gott, es mag
wohl ſeyn, nichts iſt anſteckender als das Boͤſe!

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[363/0371] derbares erzaͤhlen. Berauſcht von einer ſuͤß- toͤnenden Harmonie, ſagen ſie, wird man hinein gezogen; wer am Eingange ſtehen bleibt, ahndet nichts als Schreckniſſe in der Verworrenheit, die ſein Blick nicht zu durch- dringen vermag; wer aber unerſchrocken vor- dringt, der findet ewige Freuden; und wer ſich voll Ungeduld wieder hinauszuſehnen ver- mag, findet doch ſonſt nirgend Ruhe, und unaufhaltſam zieht der Zauber ihn wieder zu- ruͤck. — Nun mir ſcheint dieſer Zauber doch in nichts zu liegen, als im Hochmuth ſich ſo gern etwas gar großes zu duͤnken. Dies iſt der Rauſch, der ihre Sinne gefangen haͤlt, daß ſie in die ſchwindelnde Tiefe wieder zu- ruͤck muͤſſen, und in der freyen Welt ſich nicht zu finden wiſſen, wo jeder gleicher Rechte ſich erfreut, und niemand ſich uͤber den andern erheben darf. — Nun ſehen Sie, ſo iſt es doch nur anders maskirter Hochmuth, der es Jhnen ſo verleidet, unter den Emporſtreben- den zu exiſtiren. — O guter Gott, es mag wohl ſeyn, nichts iſt anſteckender als das Boͤſe!

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/371>, abgerufen am 28.11.2024.