andern; kann sie nicht selbst prüfen, so hilft sie ohne Untersuchung. Uebrigens lebt sie im- mer allein, obgleich fast stets von Menschen umgeben; auch wüßte ich nicht, daß sie eine Freundin hätte, der sie sich mittheilt, außer Eleo- noren. Da der erste Eindruck gewöhnlich für sie entscheidend auf das ganze Leben bleibt, und sie wohl erfahren haben muß, daß kein Raisonne- ment und keine Vernunft stark genug ist, die- sen jemals bey ihr zu vertilgen, so macht sie so selten als möglich neue Bekanntschaften, und hütet sich gleichsam vor jedem neuen Eindruck. Sie können es als einen ganz besondern Vor- zug ansehen, daß sie Sie zu sprechen wünscht. --
Sie sprachen nun noch manches über Eduard und Juliane so wohl als über Betty. Was Florentin an diesem Tage über den ver- worrnen Zusammenhang ihres Betragens so unzusammenhängend gehört und gesehen hatte, ging ihm wild durch einander im Kopfe her- um. -- Dies sind also, rief er aus, die zarten Verwirrungen der feinen Verhältnisse
andern; kann ſie nicht ſelbſt pruͤfen, ſo hilft ſie ohne Unterſuchung. Uebrigens lebt ſie im- mer allein, obgleich faſt ſtets von Menſchen umgeben; auch wuͤßte ich nicht, daß ſie eine Freundin haͤtte, der ſie ſich mittheilt, außer Eleo- noren. Da der erſte Eindruck gewoͤhnlich fuͤr ſie entſcheidend auf das ganze Leben bleibt, und ſie wohl erfahren haben muß, daß kein Raiſonne- ment und keine Vernunft ſtark genug iſt, die- ſen jemals bey ihr zu vertilgen, ſo macht ſie ſo ſelten als moͤglich neue Bekanntſchaften, und huͤtet ſich gleichſam vor jedem neuen Eindruck. Sie koͤnnen es als einen ganz beſondern Vor- zug anſehen, daß ſie Sie zu ſprechen wuͤnſcht. —
Sie ſprachen nun noch manches uͤber Eduard und Juliane ſo wohl als uͤber Betty. Was Florentin an dieſem Tage uͤber den ver- worrnen Zuſammenhang ihres Betragens ſo unzuſammenhaͤngend gehoͤrt und geſehen hatte, ging ihm wild durch einander im Kopfe her- um. — Dies ſind alſo, rief er aus, die zarten Verwirrungen der feinen Verhaͤltniſſe
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andern; kann ſie nicht ſelbſt pruͤfen, ſo hilft
ſie ohne Unterſuchung. Uebrigens lebt ſie im-
mer allein, obgleich faſt ſtets von Menſchen
umgeben; auch wuͤßte ich nicht, daß ſie eine
Freundin haͤtte, der ſie ſich mittheilt, außer Eleo-
noren. Da der erſte Eindruck gewoͤhnlich fuͤr ſie
entſcheidend auf das ganze Leben bleibt, und ſie
wohl erfahren haben muß, daß kein Raiſonne-
ment und keine Vernunft ſtark genug iſt, die-
ſen jemals bey ihr zu vertilgen, ſo macht ſie ſo
ſelten als moͤglich neue Bekanntſchaften, und
huͤtet ſich gleichſam vor jedem neuen Eindruck.
Sie koͤnnen es als einen ganz beſondern Vor-
zug anſehen, daß ſie Sie zu ſprechen
wuͤnſcht. —
Sie ſprachen nun noch manches uͤber
Eduard und Juliane ſo wohl als uͤber Betty.
Was Florentin an dieſem Tage uͤber den ver-
worrnen Zuſammenhang ihres Betragens ſo
unzuſammenhaͤngend gehoͤrt und geſehen hatte,
ging ihm wild durch einander im Kopfe her-
um. — Dies ſind alſo, rief er aus, die
zarten Verwirrungen der feinen Verhaͤltniſſe
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/369>, abgerufen am 28.11.2024.
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