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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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be Religion, das sollten sie ihr einmal sa-
gen. Unbegreiflich bleibt immer die verhaß-
te Schwäche (denn lassen Sie es uns ja nicht
Liebe nennen) vieler, ja sogar ausgezeichne-
ten Frauen, für Menschen, die ihnen in
jeder Rücksicht untergeordnet sind; es ist
hier nicht das erstemal, daß ich einen lie-
benswerthen, achtungswürdigen Mann ge-
gen einen Wicht habe zurücksetzen sehen. Soll-
te nicht etwa die Täuschung dabey zum Grun-
de liegen, daß die Achtung, die sie für je-
nen zu haben sich gezwungen fühlen, ihre
Oberherrschaft zweifelhaft macht? oder daß
sie die Würde der Liebe nicht verstehen, und
sich ihrer als eine Schwäche vor dem Man-
ne schämen, den sie einer gleichen Schwä-
che für unfähig halten? -- Nichts davon!
Keinen andern Grund kann es in diesem lie-
bereichen, unbefangnen Herzen geben, als un-
bestechliche Treue, die der Hingebung folgt.
Der Verführer verstand es, ihre Sinne gefan-
gen zu nehmen; sie ahndet nicht die Mög-
lichkeit, wie dieses hätte geschehen können,

be Religion, das ſollten ſie ihr einmal ſa-
gen. Unbegreiflich bleibt immer die verhaß-
te Schwaͤche (denn laſſen Sie es uns ja nicht
Liebe nennen) vieler, ja ſogar ausgezeichne-
ten Frauen, fuͤr Menſchen, die ihnen in
jeder Ruͤckſicht untergeordnet ſind; es iſt
hier nicht das erſtemal, daß ich einen lie-
benswerthen, achtungswuͤrdigen Mann ge-
gen einen Wicht habe zuruͤckſetzen ſehen. Soll-
te nicht etwa die Taͤuſchung dabey zum Grun-
de liegen, daß die Achtung, die ſie fuͤr je-
nen zu haben ſich gezwungen fuͤhlen, ihre
Oberherrſchaft zweifelhaft macht? oder daß
ſie die Wuͤrde der Liebe nicht verſtehen, und
ſich ihrer als eine Schwaͤche vor dem Man-
ne ſchaͤmen, den ſie einer gleichen Schwaͤ-
che fuͤr unfaͤhig halten? — Nichts davon!
Keinen andern Grund kann es in dieſem lie-
bereichen, unbefangnen Herzen geben, als un-
beſtechliche Treue, die der Hingebung folgt.
Der Verfuͤhrer verſtand es, ihre Sinne gefan-
gen zu nehmen; ſie ahndet nicht die Moͤg-
lichkeit, wie dieſes haͤtte geſchehen koͤnnen,

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[358/0366] be Religion, das ſollten ſie ihr einmal ſa- gen. Unbegreiflich bleibt immer die verhaß- te Schwaͤche (denn laſſen Sie es uns ja nicht Liebe nennen) vieler, ja ſogar ausgezeichne- ten Frauen, fuͤr Menſchen, die ihnen in jeder Ruͤckſicht untergeordnet ſind; es iſt hier nicht das erſtemal, daß ich einen lie- benswerthen, achtungswuͤrdigen Mann ge- gen einen Wicht habe zuruͤckſetzen ſehen. Soll- te nicht etwa die Taͤuſchung dabey zum Grun- de liegen, daß die Achtung, die ſie fuͤr je- nen zu haben ſich gezwungen fuͤhlen, ihre Oberherrſchaft zweifelhaft macht? oder daß ſie die Wuͤrde der Liebe nicht verſtehen, und ſich ihrer als eine Schwaͤche vor dem Man- ne ſchaͤmen, den ſie einer gleichen Schwaͤ- che fuͤr unfaͤhig halten? — Nichts davon! Keinen andern Grund kann es in dieſem lie- bereichen, unbefangnen Herzen geben, als un- beſtechliche Treue, die der Hingebung folgt. Der Verfuͤhrer verſtand es, ihre Sinne gefan- gen zu nehmen; ſie ahndet nicht die Moͤg- lichkeit, wie dieſes haͤtte geſchehen koͤnnen,

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/366>, abgerufen am 28.11.2024.