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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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nicht durch die der Erfahrung verarbeitet und
abgerundet sind. Auch diese frühe Vermäh-
lung lag nicht in Clementinens Absicht, und
daß sie dennoch geschieht, ist wahrscheinlich
mit ein Grund ihrer letzten verstärkten Krank-
heit. Sichtbar hat aber der Brief von der
Gräfin Eleonore sie beruhigt, denn er sagte ihr,
daß es geschehen sey; niemals bereut oder be-
klagt sie aber eine Sache, die geschehen ist. --
Er sprach ferner von Julianen mit großem
Antheil. Sie ist Clementinens geliebtester
Liebling, doch glaubte sie neulich, die kleine
Therese würde vielleicht Julianen einmal über-
treffen. -- Nicht mit Unrecht, sagte Florentin,
sie ist in der That ein seltnes Kind; ich habe nie
soviel Ernst und Tiefe bey einem Kinde wahrge-
nommen als bey diesem. Ob sie aber eigentlich
so wunderbar liebenswürdig, so wahrhaft bezau-
bernd wird als Juliane, kann man wohl noch
nicht bestimmen, und auch in dieser liegt noch
so vieles in tiefer Verborgenheit. -- Clemen-
tine sagte einmal, Juliane müßte durch das
Leben zur Liebe gebildet werden; aber Therese

nicht durch die der Erfahrung verarbeitet und
abgerundet ſind. Auch dieſe fruͤhe Vermaͤh-
lung lag nicht in Clementinens Abſicht, und
daß ſie dennoch geſchieht, iſt wahrſcheinlich
mit ein Grund ihrer letzten verſtaͤrkten Krank-
heit. Sichtbar hat aber der Brief von der
Graͤfin Eleonore ſie beruhigt, denn er ſagte ihr,
daß es geſchehen ſey; niemals bereut oder be-
klagt ſie aber eine Sache, die geſchehen iſt. —
Er ſprach ferner von Julianen mit großem
Antheil. Sie iſt Clementinens geliebteſter
Liebling, doch glaubte ſie neulich, die kleine
Thereſe wuͤrde vielleicht Julianen einmal uͤber-
treffen. — Nicht mit Unrecht, ſagte Florentin,
ſie iſt in der That ein ſeltnes Kind; ich habe nie
ſoviel Ernſt und Tiefe bey einem Kinde wahrge-
nommen als bey dieſem. Ob ſie aber eigentlich
ſo wunderbar liebenswuͤrdig, ſo wahrhaft bezau-
bernd wird als Juliane, kann man wohl noch
nicht beſtimmen, und auch in dieſer liegt noch
ſo vieles in tiefer Verborgenheit. — Clemen-
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[350/0358] nicht durch die der Erfahrung verarbeitet und abgerundet ſind. Auch dieſe fruͤhe Vermaͤh- lung lag nicht in Clementinens Abſicht, und daß ſie dennoch geſchieht, iſt wahrſcheinlich mit ein Grund ihrer letzten verſtaͤrkten Krank- heit. Sichtbar hat aber der Brief von der Graͤfin Eleonore ſie beruhigt, denn er ſagte ihr, daß es geſchehen ſey; niemals bereut oder be- klagt ſie aber eine Sache, die geſchehen iſt. — Er ſprach ferner von Julianen mit großem Antheil. Sie iſt Clementinens geliebteſter Liebling, doch glaubte ſie neulich, die kleine Thereſe wuͤrde vielleicht Julianen einmal uͤber- treffen. — Nicht mit Unrecht, ſagte Florentin, ſie iſt in der That ein ſeltnes Kind; ich habe nie ſoviel Ernſt und Tiefe bey einem Kinde wahrge- nommen als bey dieſem. Ob ſie aber eigentlich ſo wunderbar liebenswuͤrdig, ſo wahrhaft bezau- bernd wird als Juliane, kann man wohl noch nicht beſtimmen, und auch in dieſer liegt noch ſo vieles in tiefer Verborgenheit. — Clemen- tine ſagte einmal, Juliane muͤßte durch das Leben zur Liebe gebildet werden; aber Thereſe

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/358>, abgerufen am 23.11.2024.