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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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der brüderlichsten Freundschaft an ihm und ich
liebe ihn wie einen ältern Bruder. Jch fühle
es wohl, was ich ihm schon jetzt verdanke, und
was er uns beyden werden könnte! Aber alles
unser Bitten vermag nicht, ihn zurückzuhalten.
Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen
einmal mündlich mittheilen werde; ich halte
sie aber nicht für gegründet, und auf keinen
Fall ist es so ernsthaft, als er glaubt.

Diesen Morgen war ich lang allein mit
Florentin. Wir uberraschten uns beyde mit
der gegenseitigen Frage: "was fehlt Ednard?"
jeder von uns glaubte den andern im Ver-
ständniß. Er wußte aber so wenig und ist so
unruhig über diese Erscheinung, als ich selbst.
Zum erstenmale habe ich ihn mit vollem Zu-
trauen begegnet; ich gestand ihm meine kleine
Eifersucht, und daß ich für Eduards Liebe be-
sorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn-
te mich, nicht in die gewöhnliche Schwäche
der Frauen zu verfallen und Achtung für die
Freundschaft der Männer zu haben. Es wa-
ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll

der bruͤderlichſten Freundſchaft an ihm und ich
liebe ihn wie einen aͤltern Bruder. Jch fuͤhle
es wohl, was ich ihm ſchon jetzt verdanke, und
was er uns beyden werden koͤnnte! Aber alles
unſer Bitten vermag nicht, ihn zuruͤckzuhalten.
Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen
einmal muͤndlich mittheilen werde; ich halte
ſie aber nicht fuͤr gegruͤndet, und auf keinen
Fall iſt es ſo ernſthaft, als er glaubt.

Dieſen Morgen war ich lang allein mit
Florentin. Wir uberraſchten uns beyde mit
der gegenſeitigen Frage: „was fehlt Ednard?‟
jeder von uns glaubte den andern im Ver-
ſtaͤndniß. Er wußte aber ſo wenig und iſt ſo
unruhig uͤber dieſe Erſcheinung, als ich ſelbſt.
Zum erſtenmale habe ich ihn mit vollem Zu-
trauen begegnet; ich geſtand ihm meine kleine
Eiferſucht, und daß ich fuͤr Eduards Liebe be-
ſorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn-
te mich, nicht in die gewoͤhnliche Schwaͤche
der Frauen zu verfallen und Achtung fuͤr die
Freundſchaft der Maͤnner zu haben. Es wa-
ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll

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[282/0290] der bruͤderlichſten Freundſchaft an ihm und ich liebe ihn wie einen aͤltern Bruder. Jch fuͤhle es wohl, was ich ihm ſchon jetzt verdanke, und was er uns beyden werden koͤnnte! Aber alles unſer Bitten vermag nicht, ihn zuruͤckzuhalten. Eduard hat eine Vermuthung, die ich Jhnen einmal muͤndlich mittheilen werde; ich halte ſie aber nicht fuͤr gegruͤndet, und auf keinen Fall iſt es ſo ernſthaft, als er glaubt. Dieſen Morgen war ich lang allein mit Florentin. Wir uberraſchten uns beyde mit der gegenſeitigen Frage: „was fehlt Ednard?‟ jeder von uns glaubte den andern im Ver- ſtaͤndniß. Er wußte aber ſo wenig und iſt ſo unruhig uͤber dieſe Erſcheinung, als ich ſelbſt. Zum erſtenmale habe ich ihn mit vollem Zu- trauen begegnet; ich geſtand ihm meine kleine Eiferſucht, und daß ich fuͤr Eduards Liebe be- ſorgt bin; aber er gab mir Unrecht, er warn- te mich, nicht in die gewoͤhnliche Schwaͤche der Frauen zu verfallen und Achtung fuͤr die Freundſchaft der Maͤnner zu haben. Es wa- ren Jhre Worte, Clementine. Jch mußte voll

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/290>, abgerufen am 24.11.2024.