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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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fehlen, daß das demüthigende und zugleich er-
niedrigende Bewußtseyn sich nicht in ihre Her-
zen schleiche: sie seyen unter dem Vorwand eines
Gastmahls bloß zur Dekoration für die Vorneh-
men bestimmt, die sich an einer ländlichen Sce-
ne erlustigen wollten. Dürften diese ehrlichen
Leute freymüthig ihre Meynung sagen, so wür-
den sicherlich die meisten, wie Sancho Pansa
bey den Ziegenhirten, ihrem Herrn für die un-
bequeme Ehre danken, in seiner Gesellschaft zu
speisen; von denen, die es nicht ausschlügen,
hätte ich auch nicht die beste Meynung. --
Eleonore wandte ihre ganze Beredtsamkeit an,
den Grafen zu bewegen, daß er diesen alten
Gebrauch abstellen, und den Bauern auf eine
andere Art ein Andenken des fröhlichen Tages
vergönnen möchte, aber der Graf wollte nichts
davon hören. Es sind noch Leute darunter, sagte
er, die sowohl am Tage unserer Vermählung,
als bey Julianens Geburt sind bewirthet wor-
den, was würden diese glauben und glauben
machen, wenn wir es bey dieser Gelegenheit un-
terließen? Entweder, daß unsere Freude nicht

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fehlen, daß das demuͤthigende und zugleich er-
niedrigende Bewußtſeyn ſich nicht in ihre Her-
zen ſchleiche: ſie ſeyen unter dem Vorwand eines
Gaſtmahls bloß zur Dekoration fuͤr die Vorneh-
men beſtimmt, die ſich an einer laͤndlichen Sce-
ne erluſtigen wollten. Duͤrften dieſe ehrlichen
Leute freymuͤthig ihre Meynung ſagen, ſo wuͤr-
den ſicherlich die meiſten, wie Sancho Panſa
bey den Ziegenhirten, ihrem Herrn fuͤr die un-
bequeme Ehre danken, in ſeiner Geſellſchaft zu
ſpeiſen; von denen, die es nicht ausſchluͤgen,
haͤtte ich auch nicht die beſte Meynung. —
Eleonore wandte ihre ganze Beredtſamkeit an,
den Grafen zu bewegen, daß er dieſen alten
Gebrauch abſtellen, und den Bauern auf eine
andere Art ein Andenken des froͤhlichen Tages
vergoͤnnen moͤchte, aber der Graf wollte nichts
davon hoͤren. Es ſind noch Leute darunter, ſagte
er, die ſowohl am Tage unſerer Vermaͤhlung,
als bey Julianens Geburt ſind bewirthet wor-
den, was wuͤrden dieſe glauben und glauben
machen, wenn wir es bey dieſer Gelegenheit un-
terließen? Entweder, daß unſere Freude nicht

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[275/0283] fehlen, daß das demuͤthigende und zugleich er- niedrigende Bewußtſeyn ſich nicht in ihre Her- zen ſchleiche: ſie ſeyen unter dem Vorwand eines Gaſtmahls bloß zur Dekoration fuͤr die Vorneh- men beſtimmt, die ſich an einer laͤndlichen Sce- ne erluſtigen wollten. Duͤrften dieſe ehrlichen Leute freymuͤthig ihre Meynung ſagen, ſo wuͤr- den ſicherlich die meiſten, wie Sancho Panſa bey den Ziegenhirten, ihrem Herrn fuͤr die un- bequeme Ehre danken, in ſeiner Geſellſchaft zu ſpeiſen; von denen, die es nicht ausſchluͤgen, haͤtte ich auch nicht die beſte Meynung. — Eleonore wandte ihre ganze Beredtſamkeit an, den Grafen zu bewegen, daß er dieſen alten Gebrauch abſtellen, und den Bauern auf eine andere Art ein Andenken des froͤhlichen Tages vergoͤnnen moͤchte, aber der Graf wollte nichts davon hoͤren. Es ſind noch Leute darunter, ſagte er, die ſowohl am Tage unſerer Vermaͤhlung, als bey Julianens Geburt ſind bewirthet wor- den, was wuͤrden dieſe glauben und glauben machen, wenn wir es bey dieſer Gelegenheit un- terließen? Entweder, daß unſere Freude nicht (18) 2

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/283>, abgerufen am 24.11.2024.