Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Jüngling tritt, von Ahndung fort-
gezogen,
Zur Schwelle hin, die in das Leben führt.
An seiner Schulter tönt der goldne Bogen
Der Göttin, so die Welt ihm hold verziert,
Der Phantasie, die ihn auf kühnen Wogen
Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern
rührt.
Wenn er dann so nach schönen Träumen hascht,
Wird unbewußt vom Glück' er überrascht.
Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit ist
flüchtig.
Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu fassen.
Obgleich zu nützen sie ein jeder tüchtig,
Dem's klug gelang, sie nicht entfliehn zu
lassen,
So ist dem Würdigen sie nie so wichtig,
Daß er von ihr sich mag bestimmen lassen.
Doch was hilft Muth, was mächtiges Be-
streben
Dem Schiff, das tollen Stürmen Preis ge-
geben?
Der Juͤngling tritt, von Ahndung fort-
gezogen,
Zur Schwelle hin, die in das Leben fuͤhrt.
An ſeiner Schulter toͤnt der goldne Bogen
Der Goͤttin, ſo die Welt ihm hold verziert,
Der Phantaſie, die ihn auf kuͤhnen Wogen
Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern
ruͤhrt.
Wenn er dann ſo nach ſchoͤnen Traͤumen haſcht,
Wird unbewußt vom Gluͤck’ er uͤberraſcht.
Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit iſt
fluͤchtig.
Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu faſſen.
Obgleich zu nuͤtzen ſie ein jeder tuͤchtig,
Dem’s klug gelang, ſie nicht entfliehn zu
laſſen,
So iſt dem Wuͤrdigen ſie nie ſo wichtig,
Daß er von ihr ſich mag beſtimmen laſſen.
Doch was hilft Muth, was maͤchtiges Be-
ſtreben
Dem Schiff, das tollen Stuͤrmen Preis ge-
geben?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0262" n="254"/>
            <lg n="5">
              <l>Der Ju&#x0364;ngling tritt, von Ahndung fort-</l><lb/>
              <l>gezogen,</l><lb/>
              <l>Zur Schwelle hin, die in das Leben fu&#x0364;hrt.</l><lb/>
              <l>An &#x017F;einer Schulter to&#x0364;nt der goldne Bogen</l><lb/>
              <l>Der Go&#x0364;ttin, &#x017F;o die Welt ihm hold verziert,</l><lb/>
              <l>Der Phanta&#x017F;ie, die ihn auf ku&#x0364;hnen Wogen</l><lb/>
              <l>Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern</l><lb/>
              <l>ru&#x0364;hrt.</l><lb/>
              <l>Wenn er dann &#x017F;o nach &#x017F;cho&#x0364;nen Tra&#x0364;umen ha&#x017F;cht,</l><lb/>
              <l>Wird unbewußt vom Glu&#x0364;ck&#x2019; er u&#x0364;berra&#x017F;cht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit i&#x017F;t</l><lb/>
              <l>flu&#x0364;chtig.</l><lb/>
              <l>Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu fa&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Obgleich zu nu&#x0364;tzen &#x017F;ie ein jeder tu&#x0364;chtig,</l><lb/>
              <l>Dem&#x2019;s klug gelang, &#x017F;ie nicht entfliehn zu</l><lb/>
              <l>la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>So i&#x017F;t dem Wu&#x0364;rdigen &#x017F;ie nie &#x017F;o wichtig,</l><lb/>
              <l>Daß er von ihr &#x017F;ich mag be&#x017F;timmen la&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Doch was hilft Muth, was ma&#x0364;chtiges Be-</l><lb/>
              <l>&#x017F;treben</l><lb/>
              <l>Dem Schiff, das tollen Stu&#x0364;rmen Preis ge-</l><lb/>
              <l>geben?</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0262] Der Juͤngling tritt, von Ahndung fort- gezogen, Zur Schwelle hin, die in das Leben fuͤhrt. An ſeiner Schulter toͤnt der goldne Bogen Der Goͤttin, ſo die Welt ihm hold verziert, Der Phantaſie, die ihn auf kuͤhnen Wogen Sanft fortreißt, ihn mit bunten Bildern ruͤhrt. Wenn er dann ſo nach ſchoͤnen Traͤumen haſcht, Wird unbewußt vom Gluͤck’ er uͤberraſcht. Gebt acht, gebt acht, Gelegenheit iſt fluͤchtig. Nicht leicht ihr Stirnenhaar im Flug zu faſſen. Obgleich zu nuͤtzen ſie ein jeder tuͤchtig, Dem’s klug gelang, ſie nicht entfliehn zu laſſen, So iſt dem Wuͤrdigen ſie nie ſo wichtig, Daß er von ihr ſich mag beſtimmen laſſen. Doch was hilft Muth, was maͤchtiges Be- ſtreben Dem Schiff, das tollen Stuͤrmen Preis ge- geben?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/262
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/262>, abgerufen am 24.11.2024.