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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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ohne durch eine besondere prosaische Auflösung
gestört zu werden, wie es sonst bey wirklich
erlebten Wundern gewöhnlich der Fall ist. --
Und Sie sagen gar nichts dazu, Florentin?
fragte Juliane; Sie sehen so gedankenvoll aus,
haben Sie etwa gar nicht zugehört? -- Jch
habe wohl zuhören müssen, sagte dieser, die
Geschichte zwang mich ordentlich zur Aufmerk-
samkeit. Mir war, als wären mir sowohl
die Begebenheiten, als die Menschen darin
nicht fremd; unwillkührlich schob sich mir bey
jedem eine bekannte Person unter; so wie man,
wenn man ein Schauspiel liest, sich die Schau-
spieler denken muß, von denen man es einst
hat spielen sehen. Und was ich sonst nicht
leicht fühle, mich hat ein leises Grauen dabey
überfahren. -- Grauen? fragte Juliane,
diese Wirkung hatte sie doch auf mich gar nicht,
da mich sonst schon bey dem bloßen Gedanken
an eine Geistergeschichte schaudert; man sollte
es aber schon an Jhnen gewohnt seyn, daß
die Dinge allezeit auf Sie ganz anders wirken,
als auf andere ehrliche Leute. -- Doch sehen

ohne durch eine beſondere proſaiſche Aufloͤſung
geſtoͤrt zu werden, wie es ſonſt bey wirklich
erlebten Wundern gewoͤhnlich der Fall iſt. —
Und Sie ſagen gar nichts dazu, Florentin?
fragte Juliane; Sie ſehen ſo gedankenvoll aus,
haben Sie etwa gar nicht zugehoͤrt? — Jch
habe wohl zuhoͤren muͤſſen, ſagte dieſer, die
Geſchichte zwang mich ordentlich zur Aufmerk-
ſamkeit. Mir war, als waͤren mir ſowohl
die Begebenheiten, als die Menſchen darin
nicht fremd; unwillkuͤhrlich ſchob ſich mir bey
jedem eine bekannte Perſon unter; ſo wie man,
wenn man ein Schauſpiel lieſt, ſich die Schau-
ſpieler denken muß, von denen man es einſt
hat ſpielen ſehen. Und was ich ſonſt nicht
leicht fuͤhle, mich hat ein leiſes Grauen dabey
uͤberfahren. — Grauen? fragte Juliane,
dieſe Wirkung hatte ſie doch auf mich gar nicht,
da mich ſonſt ſchon bey dem bloßen Gedanken
an eine Geiſtergeſchichte ſchaudert; man ſollte
es aber ſchon an Jhnen gewohnt ſeyn, daß
die Dinge allezeit auf Sie ganz anders wirken,
als auf andere ehrliche Leute. — Doch ſehen

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[250/0258] ohne durch eine beſondere proſaiſche Aufloͤſung geſtoͤrt zu werden, wie es ſonſt bey wirklich erlebten Wundern gewoͤhnlich der Fall iſt. — Und Sie ſagen gar nichts dazu, Florentin? fragte Juliane; Sie ſehen ſo gedankenvoll aus, haben Sie etwa gar nicht zugehoͤrt? — Jch habe wohl zuhoͤren muͤſſen, ſagte dieſer, die Geſchichte zwang mich ordentlich zur Aufmerk- ſamkeit. Mir war, als waͤren mir ſowohl die Begebenheiten, als die Menſchen darin nicht fremd; unwillkuͤhrlich ſchob ſich mir bey jedem eine bekannte Perſon unter; ſo wie man, wenn man ein Schauſpiel lieſt, ſich die Schau- ſpieler denken muß, von denen man es einſt hat ſpielen ſehen. Und was ich ſonſt nicht leicht fuͤhle, mich hat ein leiſes Grauen dabey uͤberfahren. — Grauen? fragte Juliane, dieſe Wirkung hatte ſie doch auf mich gar nicht, da mich ſonſt ſchon bey dem bloßen Gedanken an eine Geiſtergeſchichte ſchaudert; man ſollte es aber ſchon an Jhnen gewohnt ſeyn, daß die Dinge allezeit auf Sie ganz anders wirken, als auf andere ehrliche Leute. — Doch ſehen

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/258>, abgerufen am 24.11.2024.