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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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Man beredete sie ein anderes Zimmer zu be-
ziehen, dazu war sie aber auch nicht zu be-
wegen. Sie weinte, wenn sie nur daran
dachte, es von sich zu stoßen, und der Mar-
quis ließ es sich endlich gefallen, weil er
hoffte, sie würde doch nun ihrer Vision zu
gefallen nicht ins Kloster gehen. Sie liebte
die kleine Gestalt mit wahrer mütterlicher
Leidenschaft; sie ward oft in Gesellschaften
unruhig, und sehnte sich nach dem Kinde
hin, wenn sie es einige Stunden verlassen
hatte. Man hörte sie in ihrem Zimmer mit
ihm sprechen. Sie hatte ein kleines Bett
dem ihrigen gegen über stellen lassen, darein
legte es sich, wenn sie es ihm sagte, auch
sah sie es des Nachts, wenn sie von unge-
fähr aufwachte, drin liegen, aber es erwachte
in demselben Moment mit ihr. Eben so
machte sie ihm in einer Ecke des Zimmers
eine Spielanstalt, mit einem kleinen Tisch
und Stühlchen, sie sah es sich dazu nieder-
setzen; die Spielsachen berührte es aber nicht,
es spielte nur mit den Blumen, die es in

Man beredete ſie ein anderes Zimmer zu be-
ziehen, dazu war ſie aber auch nicht zu be-
wegen. Sie weinte, wenn ſie nur daran
dachte, es von ſich zu ſtoßen, und der Mar-
quis ließ es ſich endlich gefallen, weil er
hoffte, ſie wuͤrde doch nun ihrer Viſion zu
gefallen nicht ins Kloſter gehen. Sie liebte
die kleine Geſtalt mit wahrer muͤtterlicher
Leidenſchaft; ſie ward oft in Geſellſchaften
unruhig, und ſehnte ſich nach dem Kinde
hin, wenn ſie es einige Stunden verlaſſen
hatte. Man hoͤrte ſie in ihrem Zimmer mit
ihm ſprechen. Sie hatte ein kleines Bett
dem ihrigen gegen uͤber ſtellen laſſen, darein
legte es ſich, wenn ſie es ihm ſagte, auch
ſah ſie es des Nachts, wenn ſie von unge-
faͤhr aufwachte, drin liegen, aber es erwachte
in demſelben Moment mit ihr. Eben ſo
machte ſie ihm in einer Ecke des Zimmers
eine Spielanſtalt, mit einem kleinen Tiſch
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[247/0255] Man beredete ſie ein anderes Zimmer zu be- ziehen, dazu war ſie aber auch nicht zu be- wegen. Sie weinte, wenn ſie nur daran dachte, es von ſich zu ſtoßen, und der Mar- quis ließ es ſich endlich gefallen, weil er hoffte, ſie wuͤrde doch nun ihrer Viſion zu gefallen nicht ins Kloſter gehen. Sie liebte die kleine Geſtalt mit wahrer muͤtterlicher Leidenſchaft; ſie ward oft in Geſellſchaften unruhig, und ſehnte ſich nach dem Kinde hin, wenn ſie es einige Stunden verlaſſen hatte. Man hoͤrte ſie in ihrem Zimmer mit ihm ſprechen. Sie hatte ein kleines Bett dem ihrigen gegen uͤber ſtellen laſſen, darein legte es ſich, wenn ſie es ihm ſagte, auch ſah ſie es des Nachts, wenn ſie von unge- faͤhr aufwachte, drin liegen, aber es erwachte in demſelben Moment mit ihr. Eben ſo machte ſie ihm in einer Ecke des Zimmers eine Spielanſtalt, mit einem kleinen Tiſch und Stuͤhlchen, ſie ſah es ſich dazu nieder- ſetzen; die Spielſachen beruͤhrte es aber nicht, es ſpielte nur mit den Blumen, die es in

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/255>, abgerufen am 24.11.2024.