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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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man gerieth in große Verlegenheit. Der Arzt
wurde herbeygeholt, er fand sie in heftiger
Wallung, sonst aber keine Spur von irgend
einer Krankheit. Er verordnete vorzüglich
Ruhe. Sie wollte versuchen zu schlafen,
rief aber in dem Augenblick: O seht doch,
wie es sich freundlich gegen mich neigt, und
nun geht es, das liebe Gesichtchen immer zu
mir gewendet, zurück. Seht, dort setzt es
sich im Winkel nieder, es winkt mir mit den
Händchen, ich solle schlafen! -- Man bat
sie, die Augen zu verschließen, damit sie Ru-
he fände. Die Bettvorhänge wurden nie-
dergelassen, und nachdem sie etwas kühlen-
des getrunken hatte, schlief sie ein.

Bey ihrem Erwachen, nachdem sie eini-
ge Stunden ruhig geschlafen hatte und es unter-
dessen völlig Tag geworden war, hoffte man,
ihre Erscheinung würde verschwunden seyn;
aber zum Erstaunen blieb diese, wie in der
Nacht. Kaum erwachte sie, so zog sie die
Vorhänge zurück und sah auch sogleich das
Kind mit muntern freundlichen Gebehrden

man gerieth in große Verlegenheit. Der Arzt
wurde herbeygeholt, er fand ſie in heftiger
Wallung, ſonſt aber keine Spur von irgend
einer Krankheit. Er verordnete vorzuͤglich
Ruhe. Sie wollte verſuchen zu ſchlafen,
rief aber in dem Augenblick: O ſeht doch,
wie es ſich freundlich gegen mich neigt, und
nun geht es, das liebe Geſichtchen immer zu
mir gewendet, zuruͤck. Seht, dort ſetzt es
ſich im Winkel nieder, es winkt mir mit den
Haͤndchen, ich ſolle ſchlafen! — Man bat
ſie, die Augen zu verſchließen, damit ſie Ru-
he faͤnde. Die Bettvorhaͤnge wurden nie-
dergelaſſen, und nachdem ſie etwas kuͤhlen-
des getrunken hatte, ſchlief ſie ein.

Bey ihrem Erwachen, nachdem ſie eini-
ge Stunden ruhig geſchlafen hatte und es unter-
deſſen voͤllig Tag geworden war, hoffte man,
ihre Erſcheinung wuͤrde verſchwunden ſeyn;
aber zum Erſtaunen blieb dieſe, wie in der
Nacht. Kaum erwachte ſie, ſo zog ſie die
Vorhaͤnge zuruͤck und ſah auch ſogleich das
Kind mit muntern freundlichen Gebehrden

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[244/0252] man gerieth in große Verlegenheit. Der Arzt wurde herbeygeholt, er fand ſie in heftiger Wallung, ſonſt aber keine Spur von irgend einer Krankheit. Er verordnete vorzuͤglich Ruhe. Sie wollte verſuchen zu ſchlafen, rief aber in dem Augenblick: O ſeht doch, wie es ſich freundlich gegen mich neigt, und nun geht es, das liebe Geſichtchen immer zu mir gewendet, zuruͤck. Seht, dort ſetzt es ſich im Winkel nieder, es winkt mir mit den Haͤndchen, ich ſolle ſchlafen! — Man bat ſie, die Augen zu verſchließen, damit ſie Ru- he faͤnde. Die Bettvorhaͤnge wurden nie- dergelaſſen, und nachdem ſie etwas kuͤhlen- des getrunken hatte, ſchlief ſie ein. Bey ihrem Erwachen, nachdem ſie eini- ge Stunden ruhig geſchlafen hatte und es unter- deſſen voͤllig Tag geworden war, hoffte man, ihre Erſcheinung wuͤrde verſchwunden ſeyn; aber zum Erſtaunen blieb dieſe, wie in der Nacht. Kaum erwachte ſie, ſo zog ſie die Vorhaͤnge zuruͤck und ſah auch ſogleich das Kind mit muntern freundlichen Gebehrden

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/252>, abgerufen am 24.11.2024.