ihres Gemahls, und sparte weder Gelübde noch Gebete, um sich das ersehnte Glück von allen Heiligen zu erflehen. Sie wallfahrtete nach allen wunderthätigen Bildern, und nach den gerühmten Bädern. Meine Tante die sie auf vielen dieser Reisen begleitete, war Zeuge ihres Grams, der endlich so tief wur- zelte, daß man und nicht ohne Grund, an- fing, für ihre Gesundheit besorgt zu werden: denn nicht allein, daß der Schmerz vergebli- cher Erwartung sie nagte, sie ward auch größtentheils dadurch untergraben, daß sie unzählige Gebräuche des Aberglaubens an- wandte, und von jeder guten Gevatterin oder jedem gewinnsüchtigen Betrüger sich Verordnungen und Arzneyen geben ließ.
Die Vorstellungen ihrer Freunde gegen diese Verblendung waren vergeblich. Um diesen endlich zu entgehen, brauchte sie mei- stens die Mittel heimlich, oder unter man- cherley Vorwand. Unterdessen versuchten jene alles ersinnliche, um sie aufzuheitern, meine
ihres Gemahls, und ſparte weder Geluͤbde noch Gebete, um ſich das erſehnte Gluͤck von allen Heiligen zu erflehen. Sie wallfahrtete nach allen wunderthaͤtigen Bildern, und nach den geruͤhmten Baͤdern. Meine Tante die ſie auf vielen dieſer Reiſen begleitete, war Zeuge ihres Grams, der endlich ſo tief wur- zelte, daß man und nicht ohne Grund, an- fing, fuͤr ihre Geſundheit beſorgt zu werden: denn nicht allein, daß der Schmerz vergebli- cher Erwartung ſie nagte, ſie ward auch groͤßtentheils dadurch untergraben, daß ſie unzaͤhlige Gebraͤuche des Aberglaubens an- wandte, und von jeder guten Gevatterin oder jedem gewinnſuͤchtigen Betruͤger ſich Verordnungen und Arzneyen geben ließ.
Die Vorſtellungen ihrer Freunde gegen dieſe Verblendung waren vergeblich. Um dieſen endlich zu entgehen, brauchte ſie mei- ſtens die Mittel heimlich, oder unter man- cherley Vorwand. Unterdeſſen verſuchten jene alles erſinnliche, um ſie aufzuheitern, meine
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ihres Gemahls, und ſparte weder Geluͤbde
noch Gebete, um ſich das erſehnte Gluͤck von
allen Heiligen zu erflehen. Sie wallfahrtete
nach allen wunderthaͤtigen Bildern, und nach
den geruͤhmten Baͤdern. Meine Tante die
ſie auf vielen dieſer Reiſen begleitete, war
Zeuge ihres Grams, der endlich ſo tief wur-
zelte, daß man und nicht ohne Grund, an-
fing, fuͤr ihre Geſundheit beſorgt zu werden:
denn nicht allein, daß der Schmerz vergebli-
cher Erwartung ſie nagte, ſie ward auch
groͤßtentheils dadurch untergraben, daß ſie
unzaͤhlige Gebraͤuche des Aberglaubens an-
wandte, und von jeder guten Gevatterin
oder jedem gewinnſuͤchtigen Betruͤger ſich
Verordnungen und Arzneyen geben ließ.
Die Vorſtellungen ihrer Freunde gegen
dieſe Verblendung waren vergeblich. Um
dieſen endlich zu entgehen, brauchte ſie mei-
ſtens die Mittel heimlich, oder unter man-
cherley Vorwand. Unterdeſſen verſuchten jene
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/244>, abgerufen am 03.02.2025.
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