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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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Die Müllerin hatte ein Abendessen berei-
tet. Eduard und Florentin setzten sich vor das
Bett; auf eine solche Ermüdung fehlte es un-
sern jungen Wanderern nicht an Eßlust, und
wären die Speisen auch nicht so niedlich und
sorgfältig zubereitet gewesen, es würde ihnen
dennoch gewiß trefflich geschmeckt haben; an
diesen hatte aber die Müllerin wirklich ihre
ganze Kunst verschwendet, um ihre Gäste nach
Würden zu bewirthen, die sie anfangs zu ih-
rer großen Beschämung so verkannt hatte.

Es gelang den beyden Freunden, Julianen
auf Augenblicke ihre Unruhe vergessen zu ma-
chen, und sie etwas zu erheitern. Sie fanden
aufs neue Gelegenheit über ihre Schönheit zu
erstaunen. Die Blässe und die Mattigkeit in
Blick und Stimme verlieh ihr neue Reize, und
kontrastirte auf eine interessante Weise mit der
Kleidung, die die Müllerin ihr geliehen hatte,
die tüchtig und für das Bedürfniß gemacht,
ihren zarten Gliedern nirgend anpassen wollte.
Florentin wollte sie durchaus in dieser Umge-
bung zeichnen, damit sie sich künftig in ihrem

Die Muͤllerin hatte ein Abendeſſen berei-
tet. Eduard und Florentin ſetzten ſich vor das
Bett; auf eine ſolche Ermuͤdung fehlte es un-
ſern jungen Wanderern nicht an Eßluſt, und
waͤren die Speiſen auch nicht ſo niedlich und
ſorgfaͤltig zubereitet geweſen, es wuͤrde ihnen
dennoch gewiß trefflich geſchmeckt haben; an
dieſen hatte aber die Muͤllerin wirklich ihre
ganze Kunſt verſchwendet, um ihre Gaͤſte nach
Wuͤrden zu bewirthen, die ſie anfangs zu ih-
rer großen Beſchaͤmung ſo verkannt hatte.

Es gelang den beyden Freunden, Julianen
auf Augenblicke ihre Unruhe vergeſſen zu ma-
chen, und ſie etwas zu erheitern. Sie fanden
aufs neue Gelegenheit uͤber ihre Schoͤnheit zu
erſtaunen. Die Blaͤſſe und die Mattigkeit in
Blick und Stimme verlieh ihr neue Reize, und
kontraſtirte auf eine intereſſante Weiſe mit der
Kleidung, die die Muͤllerin ihr geliehen hatte,
die tuͤchtig und fuͤr das Beduͤrfniß gemacht,
ihren zarten Gliedern nirgend anpaſſen wollte.
Florentin wollte ſie durchaus in dieſer Umge-
bung zeichnen, damit ſie ſich kuͤnftig in ihrem

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[216/0224] Die Muͤllerin hatte ein Abendeſſen berei- tet. Eduard und Florentin ſetzten ſich vor das Bett; auf eine ſolche Ermuͤdung fehlte es un- ſern jungen Wanderern nicht an Eßluſt, und waͤren die Speiſen auch nicht ſo niedlich und ſorgfaͤltig zubereitet geweſen, es wuͤrde ihnen dennoch gewiß trefflich geſchmeckt haben; an dieſen hatte aber die Muͤllerin wirklich ihre ganze Kunſt verſchwendet, um ihre Gaͤſte nach Wuͤrden zu bewirthen, die ſie anfangs zu ih- rer großen Beſchaͤmung ſo verkannt hatte. Es gelang den beyden Freunden, Julianen auf Augenblicke ihre Unruhe vergeſſen zu ma- chen, und ſie etwas zu erheitern. Sie fanden aufs neue Gelegenheit uͤber ihre Schoͤnheit zu erſtaunen. Die Blaͤſſe und die Mattigkeit in Blick und Stimme verlieh ihr neue Reize, und kontraſtirte auf eine intereſſante Weiſe mit der Kleidung, die die Muͤllerin ihr geliehen hatte, die tuͤchtig und fuͤr das Beduͤrfniß gemacht, ihren zarten Gliedern nirgend anpaſſen wollte. Florentin wollte ſie durchaus in dieſer Umge- bung zeichnen, damit ſie ſich kuͤnftig in ihrem

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/224>, abgerufen am 25.11.2024.