Jch antwortete so, daß sie nicht sogleich aus dem Jrrthum gerissen ward. Als ich hoffen durfte, daß die Unterhaltung sie ge- nugsam interessirte, gab ich ihr zu verste- hen, daß ich ihr unbekannt sey. Sie war aufgebracht, ging zurück, sprach aber doch immer weiter durch die offen gebliebene Thü- re; es währte nicht gar lange, so hatte ich sie wieder durch Bitten und Schmeiche- leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte meinen Namen wissen, ich sagte ihn ihr, sie schien einiges Zutrauen zu gewinnen als sie ihn hörte. Sie hatte schon viel zu mei- nem Vortheil gehört, sagte sie, und schon lange gewünscht mich persönlich zu kennen. Was konnte sie mir erfreulicheres sagen? Auch war unsre Bekanntschaft mit diesen we- nigen Worten so gut als befestigt. Meine Rolle war etwas schwierig, ich mußte durch- aus sie schon gesehen, gekannt, geliebt ha- ben, sonst wäre mein Eindringen ganz un- verzeihlich gewesen, auch sprach sie ganz so, als| ob mir alle ihre Verhältnisse bekannt
Jch antwortete ſo, daß ſie nicht ſogleich aus dem Jrrthum geriſſen ward. Als ich hoffen durfte, daß die Unterhaltung ſie ge- nugſam intereſſirte, gab ich ihr zu verſte- hen, daß ich ihr unbekannt ſey. Sie war aufgebracht, ging zuruͤck, ſprach aber doch immer weiter durch die offen gebliebene Thuͤ- re; es waͤhrte nicht gar lange, ſo hatte ich ſie wieder durch Bitten und Schmeiche- leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte meinen Namen wiſſen, ich ſagte ihn ihr, ſie ſchien einiges Zutrauen zu gewinnen als ſie ihn hoͤrte. Sie hatte ſchon viel zu mei- nem Vortheil gehoͤrt, ſagte ſie, und ſchon lange gewuͤnſcht mich perſoͤnlich zu kennen. Was konnte ſie mir erfreulicheres ſagen? Auch war unſre Bekanntſchaft mit dieſen we- nigen Worten ſo gut als befeſtigt. Meine Rolle war etwas ſchwierig, ich mußte durch- aus ſie ſchon geſehen, gekannt, geliebt ha- ben, ſonſt waͤre mein Eindringen ganz un- verzeihlich geweſen, auch ſprach ſie ganz ſo, als| ob mir alle ihre Verhaͤltniſſe bekannt
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Jch antwortete ſo, daß ſie nicht ſogleich
aus dem Jrrthum geriſſen ward. Als ich
hoffen durfte, daß die Unterhaltung ſie ge-
nugſam intereſſirte, gab ich ihr zu verſte-
hen, daß ich ihr unbekannt ſey. Sie war
aufgebracht, ging zuruͤck, ſprach aber doch
immer weiter durch die offen gebliebene Thuͤ-
re; es waͤhrte nicht gar lange, ſo hatte
ich ſie wieder durch Bitten und Schmeiche-
leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte
meinen Namen wiſſen, ich ſagte ihn ihr,
ſie ſchien einiges Zutrauen zu gewinnen als
ſie ihn hoͤrte. Sie hatte ſchon viel zu mei-
nem Vortheil gehoͤrt, ſagte ſie, und ſchon
lange gewuͤnſcht mich perſoͤnlich zu kennen.
Was konnte ſie mir erfreulicheres ſagen?
Auch war unſre Bekanntſchaft mit dieſen we-
nigen Worten ſo gut als befeſtigt. Meine
Rolle war etwas ſchwierig, ich mußte durch-
aus ſie ſchon geſehen, gekannt, geliebt ha-
ben, ſonſt waͤre mein Eindringen ganz un-
verzeihlich geweſen, auch ſprach ſie ganz ſo,
als| ob mir alle ihre Verhaͤltniſſe bekannt
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/210>, abgerufen am 22.11.2024.
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