im Zeichnen und Mahlen. Einigen liebens- würdigen Menschen dort habe ich gar vieles zu verdanken, ohne daß sie es vielleicht ahn- den. Auf ihren Rath, und durch ihr Lob aufmerksam gemacht, lernte ich Deutsch und einige eurer guten Dichter kennen. Sie gaben mir glückliche Stunden, und recht- fertigten meine Vorliebe für die Deutschen. Jch ward durch sie bewogen noch erst durch Deutschland zu reisen, und mich noch län- ger den Stürmen eines ungewissen Lebens hinzugeben, eh ich zu meiner Bestimmung gelange. So bald man nur hoffen durfte, daß die Kälte nicht mehr zurückkehren würde, habe ich mich von Basel aufgemacht; ich habe einige schöne Theile von Deutschland durchreist, und fühle mich so gestärkt an Leib und Seele, daß ich nun meinen Entschluß gewiß auszuführen gedenke. Mich treibt etwas unnennbares vorwärts, was ich mein Schicksal nennen muß. Es lebt etwas in mir, das mir zuruft, nicht zu verza- gen, und nicht bloß zu leben, um zu leben,
(13) 2
im Zeichnen und Mahlen. Einigen liebens- wuͤrdigen Menſchen dort habe ich gar vieles zu verdanken, ohne daß ſie es vielleicht ahn- den. Auf ihren Rath, und durch ihr Lob aufmerkſam gemacht, lernte ich Deutſch und einige eurer guten Dichter kennen. Sie gaben mir gluͤckliche Stunden, und recht- fertigten meine Vorliebe fuͤr die Deutſchen. Jch ward durch ſie bewogen noch erſt durch Deutſchland zu reiſen, und mich noch laͤn- ger den Stuͤrmen eines ungewiſſen Lebens hinzugeben, eh ich zu meiner Beſtimmung gelange. So bald man nur hoffen durfte, daß die Kaͤlte nicht mehr zuruͤckkehren wuͤrde, habe ich mich von Baſel aufgemacht; ich habe einige ſchoͤne Theile von Deutſchland durchreiſt, und fuͤhle mich ſo geſtaͤrkt an Leib und Seele, daß ich nun meinen Entſchluß gewiß auszufuͤhren gedenke. Mich treibt etwas unnennbares vorwaͤrts, was ich mein Schickſal nennen muß. Es lebt etwas in mir, das mir zuruft, nicht zu verza- gen, und nicht bloß zu leben, um zu leben,
(13) 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0203"n="195"/>
im Zeichnen und Mahlen. Einigen liebens-<lb/>
wuͤrdigen Menſchen dort habe ich gar vieles<lb/>
zu verdanken, ohne daß ſie es vielleicht ahn-<lb/>
den. Auf ihren Rath, und durch ihr Lob<lb/>
aufmerkſam gemacht, lernte ich Deutſch<lb/>
und einige eurer guten Dichter kennen.<lb/>
Sie gaben mir gluͤckliche Stunden, und recht-<lb/>
fertigten meine Vorliebe fuͤr die Deutſchen.<lb/>
Jch ward durch ſie bewogen noch erſt durch<lb/>
Deutſchland zu reiſen, und mich noch laͤn-<lb/>
ger den Stuͤrmen eines ungewiſſen Lebens<lb/>
hinzugeben, eh ich zu meiner Beſtimmung<lb/>
gelange. So bald man nur hoffen durfte,<lb/>
daß die Kaͤlte nicht mehr zuruͤckkehren wuͤrde,<lb/>
habe ich mich von Baſel aufgemacht; ich<lb/>
habe einige ſchoͤne Theile von Deutſchland<lb/>
durchreiſt, und fuͤhle mich ſo geſtaͤrkt<lb/>
an Leib und Seele, daß ich nun meinen<lb/>
Entſchluß gewiß auszufuͤhren gedenke. Mich<lb/>
treibt etwas unnennbares vorwaͤrts, was ich<lb/>
mein Schickſal nennen muß. Es lebt etwas<lb/>
in mir, das mir zuruft, nicht zu verza-<lb/>
gen, und nicht bloß zu leben, um zu leben,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(13) 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[195/0203]
im Zeichnen und Mahlen. Einigen liebens-
wuͤrdigen Menſchen dort habe ich gar vieles
zu verdanken, ohne daß ſie es vielleicht ahn-
den. Auf ihren Rath, und durch ihr Lob
aufmerkſam gemacht, lernte ich Deutſch
und einige eurer guten Dichter kennen.
Sie gaben mir gluͤckliche Stunden, und recht-
fertigten meine Vorliebe fuͤr die Deutſchen.
Jch ward durch ſie bewogen noch erſt durch
Deutſchland zu reiſen, und mich noch laͤn-
ger den Stuͤrmen eines ungewiſſen Lebens
hinzugeben, eh ich zu meiner Beſtimmung
gelange. So bald man nur hoffen durfte,
daß die Kaͤlte nicht mehr zuruͤckkehren wuͤrde,
habe ich mich von Baſel aufgemacht; ich
habe einige ſchoͤne Theile von Deutſchland
durchreiſt, und fuͤhle mich ſo geſtaͤrkt
an Leib und Seele, daß ich nun meinen
Entſchluß gewiß auszufuͤhren gedenke. Mich
treibt etwas unnennbares vorwaͤrts, was ich
mein Schickſal nennen muß. Es lebt etwas
in mir, das mir zuruft, nicht zu verza-
gen, und nicht bloß zu leben, um zu leben,
(13) 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/203>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.