Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Jm südlichen Frankreich hoffte ich zuerst
meine Gesundheit wieder zu erlangen, ich
befchloß also hin zu wandern und den Win-
ter unter jenem milden Himmel abzuwarten.
Den Fußreisen fing ich an vielen Geschmack
abzugewinnen; es giebt keine lustigere und
abentheuerlichere Art zu reisen, wenn es ei-
nem eben nicht darauf ankömmt etwas später
an das Ziel seiner Reise zu gelangen, oder
wenn man, was noch schöner ist, seiner Reise
kein Ziel zu setzen braucht.

Freylich mußte ich nun wieder zum Porträt-
mahlen meine Zuflucht nehmen, um durchzukom-
men. Es ward mir aber schwerer und zuletzt ganz
unmöglich, eine Kunst, die die Göttin, das
Glück und die Gefährtin meiner schönen und
glücklichen Tage gewesen war, im Unglück
als Magd zu gebrauchen. Jch behalf mich
oft lieber äußerst kümmerlich, litt manchen
Tag lieber wirklich Noth, ehe ich mich dazu
entschloß. Jch half mir sinnreich genug, und
auf unzähliche Weisen durch; eine der an-
genehmsten war mir darunter, als Spiel-

Florentin. I. 13

Jm ſuͤdlichen Frankreich hoffte ich zuerſt
meine Geſundheit wieder zu erlangen, ich
befchloß alſo hin zu wandern und den Win-
ter unter jenem milden Himmel abzuwarten.
Den Fußreiſen fing ich an vielen Geſchmack
abzugewinnen; es giebt keine luſtigere und
abentheuerlichere Art zu reiſen, wenn es ei-
nem eben nicht darauf ankoͤmmt etwas ſpaͤter
an das Ziel ſeiner Reiſe zu gelangen, oder
wenn man, was noch ſchoͤner iſt, ſeiner Reiſe
kein Ziel zu ſetzen braucht.

Freylich mußte ich nun wieder zum Portraͤt-
mahlen meine Zuflucht nehmen, um durchzukom-
men. Es ward mir aber ſchwerer und zuletzt ganz
unmoͤglich, eine Kunſt, die die Goͤttin, das
Gluͤck und die Gefaͤhrtin meiner ſchoͤnen und
gluͤcklichen Tage geweſen war, im Ungluͤck
als Magd zu gebrauchen. Jch behalf mich
oft lieber aͤußerſt kuͤmmerlich, litt manchen
Tag lieber wirklich Noth, ehe ich mich dazu
entſchloß. Jch half mir ſinnreich genug, und
auf unzaͤhliche Weiſen durch; eine der an-
genehmſten war mir darunter, als Spiel-

Florentin. I. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0201" n="193"/>
          <p>Jm &#x017F;u&#x0364;dlichen Frankreich hoffte ich zuer&#x017F;t<lb/>
meine Ge&#x017F;undheit wieder zu erlangen, ich<lb/>
befchloß al&#x017F;o hin zu wandern und den Win-<lb/>
ter unter jenem milden Himmel abzuwarten.<lb/>
Den Fußrei&#x017F;en fing ich an vielen Ge&#x017F;chmack<lb/>
abzugewinnen; es giebt keine lu&#x017F;tigere und<lb/>
abentheuerlichere Art zu rei&#x017F;en, wenn es ei-<lb/>
nem eben nicht darauf anko&#x0364;mmt etwas &#x017F;pa&#x0364;ter<lb/>
an das Ziel &#x017F;einer Rei&#x017F;e zu gelangen, oder<lb/>
wenn man, was noch &#x017F;cho&#x0364;ner i&#x017F;t, &#x017F;einer Rei&#x017F;e<lb/>
kein Ziel zu &#x017F;etzen braucht.</p><lb/>
          <p>Freylich mußte ich nun wieder zum Portra&#x0364;t-<lb/>
mahlen meine Zuflucht nehmen, um durchzukom-<lb/>
men. Es ward mir aber &#x017F;chwerer und zuletzt ganz<lb/>
unmo&#x0364;glich, eine Kun&#x017F;t, die die Go&#x0364;ttin, das<lb/>
Glu&#x0364;ck und die Gefa&#x0364;hrtin meiner &#x017F;cho&#x0364;nen und<lb/>
glu&#x0364;cklichen Tage gewe&#x017F;en war, im Unglu&#x0364;ck<lb/>
als Magd zu gebrauchen. Jch behalf mich<lb/>
oft lieber a&#x0364;ußer&#x017F;t ku&#x0364;mmerlich, litt manchen<lb/>
Tag lieber wirklich Noth, ehe ich mich dazu<lb/>
ent&#x017F;chloß. Jch half mir &#x017F;innreich genug, und<lb/>
auf unza&#x0364;hliche Wei&#x017F;en durch; eine der an-<lb/>
genehm&#x017F;ten war mir darunter, als Spiel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Florentin. <hi rendition="#aq">I.</hi> 13</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0201] Jm ſuͤdlichen Frankreich hoffte ich zuerſt meine Geſundheit wieder zu erlangen, ich befchloß alſo hin zu wandern und den Win- ter unter jenem milden Himmel abzuwarten. Den Fußreiſen fing ich an vielen Geſchmack abzugewinnen; es giebt keine luſtigere und abentheuerlichere Art zu reiſen, wenn es ei- nem eben nicht darauf ankoͤmmt etwas ſpaͤter an das Ziel ſeiner Reiſe zu gelangen, oder wenn man, was noch ſchoͤner iſt, ſeiner Reiſe kein Ziel zu ſetzen braucht. Freylich mußte ich nun wieder zum Portraͤt- mahlen meine Zuflucht nehmen, um durchzukom- men. Es ward mir aber ſchwerer und zuletzt ganz unmoͤglich, eine Kunſt, die die Goͤttin, das Gluͤck und die Gefaͤhrtin meiner ſchoͤnen und gluͤcklichen Tage geweſen war, im Ungluͤck als Magd zu gebrauchen. Jch behalf mich oft lieber aͤußerſt kuͤmmerlich, litt manchen Tag lieber wirklich Noth, ehe ich mich dazu entſchloß. Jch half mir ſinnreich genug, und auf unzaͤhliche Weiſen durch; eine der an- genehmſten war mir darunter, als Spiel- Florentin. I. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/201
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/201>, abgerufen am 22.11.2024.