ten aus Rom zufolge eine schlechte Meynung von mir bekommen, und sie seinem Sohn mit- getheilt hätte. An den Marchese selbst schrieb ich also nicht, ich glaubte seine Antwort vorher wissen zu können.
Nan durchwanderte ich einsam einen großen Theil von Frankveich; die schönen Träume und Bilder waren von mir gewichen, die sonst auf jeder neuen Reise vor mir herflogen. Mein Herz hatte sich verschlossen, und so blieb ihm auch alles verschlossen. Jch lebte von Porträt- mahlen. Hatte ich mir an einem Ort einiges Geld erworben, so reiste ich weiter. Manches zog mich an, aber nirgends wurde ich fest ge- halten. Allenthalben fand ich dieselben Ge- wohnheiten, dieselben Thorheiten wieder, de- nen ich so eben entgehen wollte. Ein Vorur- theil hing am andern, und an dieser Kette sah ich die Welt gelenkt und regiert. Allenthalben fand ich Sklaven und Tyrannen; allenthalben Verstand und Muth unterdrückt und gefürchtet, Dummheit und niedrige Gesinnung beschützt von denjenigen, denen sie wieder als Pfeiler diente.
ten aus Rom zufolge eine ſchlechte Meynung von mir bekommen, und ſie ſeinem Sohn mit- getheilt haͤtte. An den Marcheſe ſelbſt ſchrieb ich alſo nicht, ich glaubte ſeine Antwort vorher wiſſen zu koͤnnen.
Nan durchwanderte ich einſam einen großen Theil von Frankveich; die ſchoͤnen Traͤume und Bilder waren von mir gewichen, die ſonſt auf jeder neuen Reiſe vor mir herflogen. Mein Herz hatte ſich verſchloſſen, und ſo blieb ihm auch alles verſchloſſen. Jch lebte von Portraͤt- mahlen. Hatte ich mir an einem Ort einiges Geld erworben, ſo reiſte ich weiter. Manches zog mich an, aber nirgends wurde ich feſt ge- halten. Allenthalben fand ich dieſelben Ge- wohnheiten, dieſelben Thorheiten wieder, de- nen ich ſo eben entgehen wollte. Ein Vorur- theil hing am andern, und an dieſer Kette ſah ich die Welt gelenkt und regiert. Allenthalben fand ich Sklaven und Tyrannen; allenthalben Verſtand und Muth unterdruͤckt und gefuͤrchtet, Dummheit und niedrige Geſinnung beſchuͤtzt von denjenigen, denen ſie wieder als Pfeiler diente.
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ten aus Rom zufolge eine ſchlechte Meynung
von mir bekommen, und ſie ſeinem Sohn mit-
getheilt haͤtte. An den Marcheſe ſelbſt ſchrieb
ich alſo nicht, ich glaubte ſeine Antwort vorher
wiſſen zu koͤnnen.
Nan durchwanderte ich einſam einen großen
Theil von Frankveich; die ſchoͤnen Traͤume und
Bilder waren von mir gewichen, die ſonſt auf
jeder neuen Reiſe vor mir herflogen. Mein
Herz hatte ſich verſchloſſen, und ſo blieb ihm
auch alles verſchloſſen. Jch lebte von Portraͤt-
mahlen. Hatte ich mir an einem Ort einiges
Geld erworben, ſo reiſte ich weiter. Manches
zog mich an, aber nirgends wurde ich feſt ge-
halten. Allenthalben fand ich dieſelben Ge-
wohnheiten, dieſelben Thorheiten wieder, de-
nen ich ſo eben entgehen wollte. Ein Vorur-
theil hing am andern, und an dieſer Kette ſah
ich die Welt gelenkt und regiert. Allenthalben
fand ich Sklaven und Tyrannen; allenthalben
Verſtand und Muth unterdruͤckt und gefuͤrchtet,
Dummheit und niedrige Geſinnung beſchuͤtzt
von denjenigen, denen ſie wieder als Pfeiler diente.
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/192>, abgerufen am 24.11.2024.
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