Jch hätte füglich eine lange Reihe Jahre in denselben Beschäftigungen und denselben Freuden hinbringen können, aber eine geheime Unruhe im innersten Gemüth, ein Treiben nach einem unbekannten Gut ließ es mich selten rein genießen, daß es mir doch eigentlich recht wohl ging. Jch wünschte mir einen größern Wirkungskreis, es kam mir oft ganz verkehrt vor, daß ich Kraft und Jugend einer einsei- tigen Ausbildung hingegeben; es dünkte mir lächerlich, daß ich so viel angewendet hätte, um mich frey zu machen, und nun diese er- rungne Freyheit doch nicht in ihrem ganzen Umfang benutzte. Mein Bestreben schien mir kindisch und zwecklos, weil ich immer mehr inne ward, daß ich eigentlich gar kein Talent zur Malerey hatte; dennoch war es mir wie- der gar nicht möglich, mich loszumachen, so wenig von meiner Lebensweise, als vom An- blick und dem Studium der großen Wunder der Kunst. Jn manchen Stunden beunru-
Erbauung und Beluſtigung aller Angehoͤ- rigen.
Jch haͤtte fuͤglich eine lange Reihe Jahre in denſelben Beſchaͤftigungen und denſelben Freuden hinbringen koͤnnen, aber eine geheime Unruhe im innerſten Gemuͤth, ein Treiben nach einem unbekannten Gut ließ es mich ſelten rein genießen, daß es mir doch eigentlich recht wohl ging. Jch wuͤnſchte mir einen groͤßern Wirkungskreis, es kam mir oft ganz verkehrt vor, daß ich Kraft und Jugend einer einſei- tigen Ausbildung hingegeben; es duͤnkte mir laͤcherlich, daß ich ſo viel angewendet haͤtte, um mich frey zu machen, und nun dieſe er- rungne Freyheit doch nicht in ihrem ganzen Umfang benutzte. Mein Beſtreben ſchien mir kindiſch und zwecklos, weil ich immer mehr inne ward, daß ich eigentlich gar kein Talent zur Malerey hatte; dennoch war es mir wie- der gar nicht moͤglich, mich loszumachen, ſo wenig von meiner Lebensweiſe, als vom An- blick und dem Studium der großen Wunder der Kunſt. Jn manchen Stunden beunru-
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Erbauung und Beluſtigung aller Angehoͤ-
rigen.
Jch haͤtte fuͤglich eine lange Reihe Jahre
in denſelben Beſchaͤftigungen und denſelben
Freuden hinbringen koͤnnen, aber eine geheime
Unruhe im innerſten Gemuͤth, ein Treiben nach
einem unbekannten Gut ließ es mich ſelten rein
genießen, daß es mir doch eigentlich recht
wohl ging. Jch wuͤnſchte mir einen groͤßern
Wirkungskreis, es kam mir oft ganz verkehrt
vor, daß ich Kraft und Jugend einer einſei-
tigen Ausbildung hingegeben; es duͤnkte mir
laͤcherlich, daß ich ſo viel angewendet haͤtte,
um mich frey zu machen, und nun dieſe er-
rungne Freyheit doch nicht in ihrem ganzen
Umfang benutzte. Mein Beſtreben ſchien mir
kindiſch und zwecklos, weil ich immer mehr
inne ward, daß ich eigentlich gar kein Talent
zur Malerey hatte; dennoch war es mir wie-
der gar nicht moͤglich, mich loszumachen, ſo
wenig von meiner Lebensweiſe, als vom An-
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der Kunſt. Jn manchen Stunden beunru-
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/183>, abgerufen am 22.11.2024.
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